
Man nannte ihn den "König der Konstrukteure" - und das mit Fug und Recht. Nur wenige haben so viel zur Entwicklung des Automobils beigetragen wie Wilhelm Maybach, der Sohn eines Schreinermeisters, der am 9. Februar 1846 in Heilbronn zur Welt kam - und dessen Leben auch vollkommen anders hätte verlaufen können.
Maybach war noch ein Kind, als beide Eltern im Abstand von wenigen Jahren starben; er und seine vier Brüder standen plötzlich ganz alleine da.
"Da sie nun gar keine Mittel zu ihrer Erhaltung haben, auch an Kleidern und Weißzeug sehr entblößt sind, so ergeht daher die herzliche Bitte an wohltätige Menschen, sich der armen Kinder durch Liebesgaben annehmen zu wollen, auch die kleinste Gabe ist willkommen."
Auf diesen Hilferuf hin, den Verwandte im "Stuttgarter Anzeiger" veröffentlichten, meldete sich Pfarrer Gustav Werner. Er war der Gründer des "Bruderhauses" in Reutlingen, einem Heim für Waisenkinder und andere Hilfsbedürftige. Werner erklärte sich bereit, den damals zehnjährigen Wilhelm aufzunehmen. Er habe seinen Schützlingen eine Perspektive eröffnen wollen, sagte Lothar Bauer, ehemaliger Vorsitzender der Gustav-Werner-Stiftung, in einem Radiobeitrag:
"Deshalb hat er auch Fabriken gegründet, und diese Fabriken waren in ganz vorbildlicher und richtungsgebender Weise auch mit Lehrlingswerkstätten ausgestattet - zu einer Zeit, wo dieses noch keineswegs selbstverständlich war."
Maybach war zunächst für eine Konditorlehre bestimmt. Doch dann erkannte Werner sein zeichnerisches Talent. Er sorgte für eine gute Schulbildung und verschaffte ihm einen Ausbildungsplatz im technischen Büro der Vereinigten Werkstätten. Im Alter von 19 Jahren wurde Maybach Assistent von Gottlieb Daimler, dem damaligen Werkstattleiter. Es war der Beginn einer jahrzehntelangen, kongenialen Partnerschaft.
Erste Probefahrten: Vom motorisierten Zweirad zur Motorkutsche
Von Daimler stammte die Idee einer allgemeinen Motorisierung. Und Wilhelm Maybach löste für ihn die technischen Probleme. 1869 folgte er Daimler zur Maschinenbau-Gesellschaft Karlsruhe und drei Jahre später zur Gasmotorenfabrik Deutz, wo er den Otto-Motor zur Serienreife entwickelte. 1883 zog Maybach nach Cannstatt bei Stuttgart, wo sich Daimler auf einem großen Grundstück eine eigene Werkstatt hatte bauen lassen.
"Bei verhängten Fenstern, nur bei Oberlicht, begann jetzt ein unermüdliches Entwerfen, Arbeiten und Probieren", erzählte Daimlers Tochter Martha später. In Cannstatt entstand der erste "schnell laufende" Benzinmotor der Welt. Bald begannen auch die Probefahrten - erst mit einem motorisierten Zweirad und dann mit einer Art Motorkutsche.
"Und da habe ich dann meinen Vater, der alle die ersten Fahrten selber machte, doch dazu bringen können, dass er mir schon sehr bald erlaubte, dass ich mit so einem kleinen Fahrzeug auch ab und zu fahren durfte, wenn er daneben saß. Und dann habe ich’s eben auch öfters getan, wo er nicht daneben saß", erinnerte sich Karl Maybach, der älteste Sohn des begnadeten Konstrukteurs, später an diese Zeit.
Von der Glührohrzündung über den Spritzdüsenvergaser bis zum Bienenwabenkühler: die Liste der technischen Neuerungen, die Wilhelm Maybach zur Entwicklung des Automobils beisteuerte, war lang. Die Menschen mussten sich an das neue Fortbewegungsmittel allerdings erst gewöhnen. Erst um die Jahrhundertwende belebte sich das Geschäft - energisch vorangetrieben von Emil Jellinek, einem österreichisch-ungarischen Geschäftsmann und begeisterten "Automobilisten", der auf die Entwicklung immer schnellerer und leistungsfähigerer Modelle drängte.
Gemeinsame Firma mit Graf von Zeppelin
Ende des Jahres 1900 wurde der erste "Mercedes" ausgeliefert, benannt nach Jellineks damals elfjähriger Tochter. Das Fahrzeug, von Maybach mit einem 35 PS starken Leichtmetallmotor ausgestattet, gilt als das erste "echte" Automobil, weil man damit die zuvor übliche Kutschenbauweise endgültig hinter sich ließ. Nebenher hatte Maybach auch schon Motoren für Luftschiffe konstruiert. 1909 gründete er eine gemeinsame Firma mit dem Grafen von Zeppelin. Daraus ging nach dem Ersten Weltkrieg die Maybach-Motorenbau GmbH hervor, in der Firmenchef Karl Maybach seine legendären Luxuskarossen baute. Er setzte damit das Werk seines Vaters fort, der am 29. Dezember 1929 in Cannstatt im Alter von 83 Jahren starb.