Wer kennt heute noch Ferdinand Edouard Buisson, geboren am 20. Dezember 1841 in Paris? Dabei streitet alle Welt über "laïcité", die strikte Trennung von Religion und Staat. Der Laizismus geht auf den Philosophen und Pädagogen zurück, Buisson hat sein Konzept Ende des 19. Jahrhunderts politisch durchgesetzt. Zuerst an den Schulen, als Generalinspektor des Bildungswesens.
"Die Kirche mit ihren Dogmen störte ihn. In der Theologie kannte er sich aus, insbesondere in der Reformationszeit. Auf dieser Grundlage – und im Rahmen eines demokratischen Ideals – hat Buisson gefordert, die Religion vom Staat zu trennen."
Auf die Ideale der französischen Revolution besonnen
Laurence Loeffel wacht heute an französischen Schulen über die Einhaltung laizistischer Vorschriften. Ohne religionsfeindliche Ressentiments, also ganz im Geist ihres Amtsvorgängers Buisson. Im jüngsten Rundschreiben weist Loeffel darauf hin, dass Weihnachtskrippen zwar erlaubt sind, aber nur als Objekt der Kultur- und Kirchengeschichte. Dieses neutrale, zugleich aber auch kenntnisreiche Verhältnis zur Religion geht zurück auf Buisson. Als Sohn liberaler Protestanten hatte er sich in der Schweiz theologisch fortgebildet, in den Jahren seiner Verbannung: Denn der frischgebackene Lehrer verweigerte den Amtseid auf Napoleon III. Ein autoritärer Kaiser, das war nicht nach dem Geschmack des jungen Mannes, der das soziale Elend der Fabrikarbeiter gesehen und sich auf die Ideale der Französischen Revolution besonnen hatte.
"Es ist die Vorstellung, dass es keine Schulbildung ohne Ideale wie Gerechtigkeit, Freiheit und Wahrheit geben kann. Also die Werte der Demokratie, der Republik – die zugleich persönliche Werte sind."
Schulreform durchgesetzt
Erst 1870, nach dem Sturz Napoleons, kehrte Buisson nach Frankreich zurück. Und konnte unter dem liberalen Minister Jules Ferry seine Schulreform durchsetzen. Sehr zum Ärger der Konservativen.
"Man vertreibt Gott aus den Schulen und bedenkt nicht, dass das Joch des Glaubens heilsam und notwendig ist, dass man nur zwischen dem Priester und dem Gendarmen, zwischen der Religion und der Gewalt zu wählen hat."
Ein Herzog beklagte 1880 im Senat den Mangel an Unterwürfigkeit gegenüber Autoritäten. Genau das aber galt Ferdinand Buisson als Tugend. Im Schweizer Exil hatte er nicht nur in den Archiven des Protestantismus geforscht – der Philosoph ging auch in die Öffentlichkeit, nahm 1867 in Genf am ersten Friedenskongress und der Gründung einer Internationalen Liga für Frieden und Freiheit teil.
Pazifismus und allgemeine Menschenrechte – das waren Buissons Ideale. Für die setzte sich der Politiker ein, als Abgeordneter der Radikalsozialisten.
"Der Kampf für die politischen Rechte der Frau trat in der Kammer zuerst 1906 hervor, als der Deputierte Ferdinand Buisson die Wählbarkeit der Frauen verlangte."
Nicht beliebt im konservativen Lager
Das musste, 1922, sogar das "Wiener Journal" anerkennen, eine ausgesprochen bürgerliche Zeitung. Im konservativen Lager war Buisson nicht beliebt, vor allem sein Pazifismus brachte die Nationalisten auf. Als der Friedensaktivist nach dem Ersten Weltkrieg, den für Deutschland ungünstigen Versailler Vertrag kritisierte, sich 1924 auf einem Weltfriedenskongress in Berlin und mit einer "Friedensfahrt" durch das Nachbarland um Verständigung bemühte – da erntete der Franzose Hohn und Spott:
"Herrn Buissons politische Vernunft beginnt also in Afrika. Über die Besetzung des Rheins, über Frankreichs Unterdrückungspolitik in Europa schweigt sie sich aus."
"Afrika" hatte Buisson nur beiläufig erwähnt, als es um die eventuelle Rückgabe von Kolonien an Deutschland ging. Nur war seinen Gegnern eben jeder Anlass recht, um Friedenspläne zu torpedieren und Ressentiments gegen die Politik der Versöhnung zu mobilisieren. Als der Pazifist 1932 starb, hatte er aber für sich und seine Sache eine weltweite Anerkennung erleben dürfen: 1927 wurde Ferdinand Buisson mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, zusammen mit einem Deutschen, dem Pazifisten Ludwig Quidde.