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Vor 190 Jahren in Virginia
Als Nat Turner Sklaven zum Aufstand führte

Für die einen ist Nat Turner ein Held im Kampf für die Emanzipation der Schwarzen in den USA. Andere betrachten ihn nur als Mörder. In einer Augustnacht 1831 hatte der damals 30-Jährige in Virginia einen Sklavenaufstand initiiert - der wegen Gewaltexzessen umstritten bleibt.

Von Almut Finck |
    Die Gefangennahme Nat Turners durch Benjamin Phipps am 30. Oktober 1831 - zeitgenössische Gravur aus "Bryant's Popular History of the United States"
    Die Gefangennahme Nat Turners durch Benjamin Phipps am 30. Oktober 1831 - zeitgenössische Gravur (picture alliance / Mary Evans Picture Library )
    Als es dunkel wird, brechen die acht Männer auf, bewaffnet mit Stöcken, Messern und Beilen. Lautlos dringen sie in das Wohnhaus des Plantagenbesitzers Joseph Travis ein, schleichen in sein Schlafzimmer und töten ihn in seinem Bett, außerdem seine Frau, den neunjährigen Sohn und ein Kindermädchen. Dann ziehen sie weiter, zu den Nachbarfarmen der Gegend. Es ist der 21. August 1831, Southampton County, Virginia.
    Bei Tagesanbruch kehren zwei aus der Gruppe noch einmal zurück. Ihnen ist eingefallen, dass es auf der Travis-Plantage noch ein Familienmitglied gibt. Sie finden den Säugling in seiner Wiege, töten das Baby mit einem Axthieb und werfen die Leiche in den Kamin, das gibt Nat Turner, der Anführer der Verschwörer, nach seiner Festnahme zu Protokoll.

    Einer von rund vier Millionen Sklaven

    Nat Turner ist schwarz, und damals in den Südstaaten der USA einer von rund vier Millionen Sklaven, die von morgens bis abends auf Tabak- oder Baumwellfeldern schuften, rechtlos ihren Besitzern ausgeliefert. Der Aufstand, den der charismatische 30-Jährige in jener Augustnacht 1831 anzettelt, ist nicht der erste auf dem amerikanischen Kontinent. Schon 1739 erhoben sich am Stono River in South Carolina aus Afrika verschleppte Sklaven gegen britische Kolonnisten. Aber die sogenannte Nat Turner-Rebellion gilt als die bis dato brutalste, und ist deshalb umstritten - auch heute noch. Für die einen ist Turner, der 2002 in die Liste der 100 bedeutendsten Amerikaner aufgenommen wurde, ein Held und eine Inspirationsfigur im Kampf für die Gleichberechtigung der Schwarzen. Andere sehen in ihm nur den Mörder, der mit der Berufung auf Gott Gewalttaten legitimiert:
    "Gott hat oftmals zu mir gesprochen und meine Geschicke gelenkt. Nie hat er mir umständliche Mitteilungen gemacht oder ausführliche Befehle erteilt. Er hat zu mir vielmehr nur drei Worte gesagt: 'Ich bin da.' Und diese Worte waren es, die mir Kraft verliehen. Aus ihnen bezog ich ein geheimes Wissen, das mich in die Lage versetzte, zielstrebig seinen Willen zu erfüllen, wie ich ihn verstand, sei es Taufen oder Predigen, sei es Nächstenliebe oder Blutvergießen."

    Hass auf die Weißen gepredigt

    Turner, 1800 als Sohn einer Sklavin geboren, lernt als Kind von einem der Söhne seines Besitzers lesen. Er fällt auf durch seine Intelligenz, jemand schenkt ihm eine Bibel. Bald betrachtet er sich als von Gott auserwählt und beginnt zu predigen. Hass auf die Weißen entwickelt er, als man ihn zum ersten Mal verkauft:
    "Seitdem wusste ich ganz sicher: Ungeachtet jeglicher Gefahr, an jedem Ort, zu jeder beliebigen Zeit, wer das Kind, das junge Mädchen, die Frau oder der Mann auch sei – diese ganze Welt weißen Fleisches würde sich eines Tages unter der Peitsche meiner Vergeltung krümmen und auseinanderbrechen, vergehen unter meinen Händen."

    Washington schickt Truppen

    Zeitweise schließen sich bis zu 75 Schwarze Turners Aufstand an. Planlos, unorganisiert und rasend vor Wut streifen sie umher und töten Weiße. Gesamtzahl der Opfer: um die 60. Nach zwei Tagen gelingt es herbeigeeilten Bundestruppen und mehreren tausend örtlichen Militärs, das Morden zu stoppen. Einer nach dem anderen werden die Männer verurteilt und gehängt. Dann aber schreiten ihre Besitzer ein: Tote können nicht mehr arbeiten.
    Nat Turner schafft es zwei Monate lang, sich versteckt zu halten. Dann entdeckt ihn ein Farmer in einem Fuchsbau. Man macht ihm den Prozess, am 11. November 1831 wird er an einen Baum geknüpft.
    Phillip James Brannon bei den Proben zum Stück "Nat Turner in Jerusalem" am New York Theatre Workshop
    Schauspieler Phillip James Brannon 2016 bei den Proben zum Stück "Nat Turner in Jerusalem" am New York Theatre Workshop (Joan Marcus)

    Fortan war es verboten, Sklaven Lesen und Schreiben beizubringen

    Nach dem Turner-Aufstand war die Angst der Pflanzer vor weiteren Erhebungen groß. Der Anteil der Sklaven unter den Einwohnern Virginias lag bei fast 40 Prozent. Bestehende Ansätze zu ihrer zaghaften Emanzipation wurden zurückgenommen. Mit dem Hinweis auf Turners Intelligenz und Bildung als Ursache für Widerspruchsgeist und Rebellion erließen außerdem zunächst Virginia, dann weitere Südstaaten ein neues Gesetz. Es verbot Weißen, einem Sklaven Lesen und Schreiben beizubringen. Offiziell abgeschafft wurde die Sklaverei in den USA erst 1865, nach einem blutigen Bürgerkrieg.