Neunzehn Jahre ist er alt, ein genialischer Jüngling: Frédéric Chopin, der am Klavier als Wunderkind begann. Aber jetzt hat er ein großes romantisches Klavierkonzert komponiert, sein erstes - in f-Moll. Es wird, aus mehreren Gründen, als sein Klavierkonzert Nummer zwei in die Musikgeschichte eingehen. Bei der ersten Aufführung des Konzerts, am 17. März 1830 im Warschauer Nationaltheater, sitzt Chopin selbst am Klavier – und ist stolz, sich hier als Komponist zeigen zu können.
Von der Ausnahmebegabung des Pianisten Frédéric Chopin redete man damals nicht nur in Warschau. In Leipzig hatte die "Allgemeine musikalische Zeitung" den jungen Klaviervirtuosen als einen "der leuchtendsten Meteore am musikalischen Horizont" ausgemacht:
"Herr Chopin führte sich als Meister ersten Ranges ein. Die ausgezeichnete Zartheit seines Anschlags, eine unbeschreibliche mechanische Fertigkeit, sein vollendetes, der tiefsten Empfindung abgelauschtes Nuancieren, geben den von der Natur so freigebig bedachten Virtuosen zu erkennen."
"Chopins Werke sind unter Blumen eingesenkte Kanonen"
Den Elan des Klavierkonzerts verdankte der junge Chopin, geboren 1810 im damaligen Herzogtum Warschau, seiner ersten großen Liebe - zu der Opernsängerin Konstancja Gladkowska. Der Sohn eines Franzosen und einer Polin war nach den Regeln bürgerlicher Bildung herangewachsen, exzellent ausgebildet am Königlichen Lyzeum und der Musikhochschule. Politisch motiviert übersiedelte Chopin 1831 nach Paris, als polnischer Patriot blieb er Gegner der russisch-zaristischen Besatzer seiner Heimat. Robert Schumann, der Kollege in Deutschland, Komponist und Literat, hatte Chopins Wesen sofort erkannt und rief aus:
"Hut ab, ihr Herrn, ein Genie![…] Chopins Werke sind unter Blumen eingesenkte Kanonen. Wenn von Schwärmerei, Grazie, wenn von Geistesgegenwart, Gluth und Adel die Rede ist, wer dächte da nicht an ihn, aber wer auch nicht, wenn von Wunderlichkeit, kranker Excentrität, ja von Hass und Wildheit!"
Ein Künstlerleben fürs Klavier
Nach dem stürmischen ersten Klavierkonzert in f-Moll und dem kurz darauf folgenden in e-Moll hat Chopin erkannt, dass das Klavier allein zum Handlungsort seiner Kunst bestimmt war, dass die Orchesterstimmen für ihn nebensächlich, schematisch bleiben und ihn kaum zum konzertanten Dialog verführen. "Das Klavier ist mein zweites Ich", wusste Chopin in seiner Exil-Wahlheimat Paris. Tief wurzelte die Volksmusik Polens in ihm, die klassische Tradition von Bach, Händel oder Mozart, beflügelt vom Gesang des italienischen Belcanto. All das blüht formvollendet auf in den Sonaten, den grandiosen Zyklen der Balladen, Polonaisen und Nocturnes, der Préludes, Scherzi und Mazurkas.
Das sind, bei aller betörenden Eleganz, Zeugnisse einer bis in die Abgründe reichenden Persönlichkeitsentwicklung Chopins und der ruhelosen, auch von der Krankheit beeinflussten Suche nach seiner slawisch und romanisch gefärbten Identität. Das kann den Hörer in dem berühmten, sogenannten Trauermarsch der zweiten Klaviersonate bis heute fast beängstigend überwältigen.