Archiv

Vor 20 Jahren: Abkommen zwischen Eritrea und Äthiopien
Der vermeintliche Frieden von Algier

Groß waren die Hoffnungen am 12. Dezember 2000 in Algier, als Äthiopien und Eritrea nach zwei Jahren Bruderkrieg formal Frieden schlossen, um einen der blutigsten Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent zu beenden. Doch das "Abkommen von Algier" erwies sich als Makulatur.

Von Bettina Rühl |
    Ein Farbfoto zeigt den algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika mit dem Präsidenten Eritreas, Issaias Afewerki links von ihm und Äthiopiens Regierungschef Meles Zenawi rechts im Arm.
    Friedensabkommen von Algier 2000: Der algerische Präsident Bouteflika zwischen dem Präsidenten Eritreas, Issaias Afewerki (links) und Äthiopiens Regierungschef Meles Zenawi ( picture alliance / AFP)
    Großer Empfang auf dem Flughafen von Algier, der Hauptstadt Algeriens: Am 12. Dezember 2000 begrüßt Präsident Abd al-Aziz Bouteflika die afrikanische und internationale politische Elite, darunter UN-Generalsekretär Kofi Annan. Sie sind gekommen, um den "Friedensvertrag von Algier" zu bezeugen, den Isaias Afeworki, Präsident von Eritrea, und Meles Zenawi, Ministerpräsident von Äthiopien, an diesem Tag unterzeichneten.
    Kriegerisch eskalierter Grenzkonflikt
    Der Krieg, den sie damit formal beendeten, hatte zweieinhalb Jahre zuvor begonnen. Auslöser waren Konflikte um den Verlauf der gemeinsamen Grenze. Als Äthiopien Eritrea Mitte Mai 1998 den Krieg erklärte, bereitete der eritreische Sondergesandte Andebrhan Welde Giorgis gerade in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa ein Treffen mehrerer afrikanischer Staatschefs vor. Welde Giorgis, der zum inneren Zirkel der eritreischen Regierung gehörte, erinnert sich:
    "Als ich vom Ausbruch des Krieges hörte, saß ich verrückterweise gerade mit dem damaligen äthiopischen Außenminister Seyoum Mesfin beim Frühstück, zusammen mit seinem Kabinettschef Yemane Jamaica. Zu dem Treffen erwarteten wir auch den damaligen äthiopischen Ministerpräsidenten Meles Zenawi und unseren Präsidenten Isaias Afeworki. Und dann erreichte uns diese absolut unerwartete und schockierende Nachricht vom Ausbruch des Krieges."
    Geflüchtete aus Tigray wandern entlang eines Berges an der sudanesisch-äthiopischen Grenze in Hamdayet, im Osten Sudans, aufgenommen am 2. Dezember 2020.
    Eskalation in Äthiopiens Tigray-Region
    Der Konflikt um die abtrünnige äthiopische Region Tigray ist schnell zu einem blutigen Krieg eskaliert. Die Zentralregierung hat inzwischen verkündet, dass sie Mekele, die Hauptstadt der Region Tigray, eingenommen habe. Doch der Weg zu Frieden dürfte noch lang sein.
    Die ökonomischen Ursachen des Eritrea-Äthiopien-Kriegs
    Nicht nur er war völlig überrumpelt: Die Überraschung war allgemein. Erst fünf Jahre vorher war Eritrea von Äthiopien unabhängig geworden, drei Jahrzehnte lang hatten die Eritreer dafür gekämpft. Anfangs waren die Beziehungen der beiden Staaten freundschaftlich. Dann nahmen die Spannungen zu, unter anderem wegen des Verlaufs der gemeinsamen Grenze, so Andebrhan Welde Giorgis:
    "Gebietsstreitigkeiten mussten als Kriegsgrund herhalten, aber es gab andere Schwierigkeiten: Handel und Finanzen. Eritrea hatte kurz vor Kriegsbeginn eine eigene Währung herausgegeben, den Nakfa. Damals war ich Gouverneur der eritreischen Zentralbank und habe unsere eigene Währung vorbereitet. Die Probleme zwischen Eritrea und Äthiopien drehten sich im Kern um solche Fragen: Wie sollten die beiden Staaten jetzt ihre Handelsdefizite oder -überschüsse ausgleichen?
    Eritrea-Äthiopien-Krieg kostete bis zu 100.000 Menschenleben
    Der Konflikt entwickelte sich schnell zu einem der schwersten und blutigsten Kriege auf dem afrikanischen Kontinent. Nach Schätzungen starben auf beiden Seiten zusammen bis zu 100.000 Menschen oder sogar mehr.
    Im Mai 2000 nahm Äthiopien die umstrittenen Gebiete vollständig ein. Die Kriegsparteien schlossen einen Waffenstillstand, als ersten Schritt zu einem Friedensvertrag. Eine internationale Grenzkommission sollte den Verlauf der Grenze klären. Die Kommission schlug das umstrittene Gebiet rund um Badme schließlich Eritrea zu. Äthiopien protestierte und forderte eine Korrektur. Der "Friedensvertrag von Algier" blieb Makulatur, die beiden Länder standen sich weiterhin feindlich und hochgerüstet gegenüber, an der Grenze lieferten sie sich immer wieder Gefechte.
    2018: ein Friedensvertrag 2.0
    Das änderte sich erst im Juli 2018: Der eritreische Präsident Isaias Afeworki und der damals neu ernannte äthiopische Regierungschef Abiy Ahmed unterzeichneten einen weiteren Friedensvertrag. Abiy Ahmed erklärte:
    "Wenn zwischen der äthiopischen und der eritreischen Bevölkerung Frieden herrscht, wird das Horn von Afrika zu einer Region des Friedens und der Entwicklung werden. Diejenigen von uns, die als Flüchtlinge weit verstreut und gedemütigt leben, werden in Würde nach Hause zurückkehren können. Unsere Bürger werden als Flüchtlinge nicht länger verkauft und ausgetauscht werden, als seien sie Handelsware."
    Abiy Ahmed - Friedensnobelpreis für Äthiopiens Hoffnungsträger
    Der Friedensnobelpreis 2019 ging an den äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Er wurde für den Friedensschluss mit dem Nachbarland Eritrea sowie für seinen Einsatz für Bürgerrechte ausgezeichnet.
    Für seine Bemühungen um Frieden mit Eritrea erhielt Abiy Ahmed ein Jahr später den Friedensnobelpreis. Aber bei der Ankündigung Äthiopiens, die Eritrea zugesprochenen Gebiete zu räumen, ist es bis heute geblieben.