Baschar al-Assad ist erst 34 Jahre alt, als er sein Amt als syrischer Präsident antritt. Am 17. Juli 2000 spricht er im Parlament in Damaskus zu den Abgeordneten: "Ich werde mein Bestes versuchen, unser Land in eine Zukunft zu führen, die die Hoffnungen und legitimen Bestrebungen unseres Volkes erfüllt."
Ausführlich erläutert Assad, wohin die Reise unter ihm gehen soll – und wohin nicht: "Die Demokratie der anderen können wir für uns nicht anwenden. Beispielsweise ist die westliche Demokratie das Produkt einer langen Geschichte, die zu Gebräuchen und Traditionen führte, welche die gegenwärtige Kultur westlicher Gesellschaften kennzeichnen. Um das anwenden zu können, was sie haben, müssten wir ihre Geschichte durchleben."
Dennoch sind viele Syrer zunächst optimistisch: Assad lädt sie zu offener Kritik ein, verspricht Wirtschaftsreformen, fährt den Personenkult, den die Führung betreibt, herunter.
"Assad war ein autoritärer Modernisierer"
Doch die Phase der Öffnung, der sogenannte Damaszener Frühling, währt nur Monate. Bald regiert das Regime wieder so restriktiv, wie zuvor. Volker Perthes, Syrien-Experte bei der "Stiftung Wissenschaft und Politik" in Berlin, hält die ersten zehn Amtsjahre Assads dennoch nicht für ein verlorenes Jahrzehnt:
"Wenn man es auf einen Punkt bringen will: Baschar al-Assad war nicht der demokratische Reformer, den manche in ihm sehen wollten, sondern er war ein autoritärer Modernisierer."
Syrien ist eine sozialistische Diktatur und wird seit nunmehr einem halben Jahrhundert von der Familie Assad regiert. Ihre Macht stützt sich wesentlich auf einen der brutalsten Polizeiapparate des Nahen Ostens. Hafiz al-Assad, ein Offizier, hatte sich in den 60er-Jahren an die Macht gekämpft, auf Coups folgten Counter-Coups. 1970 konnte er sich durchsetzen, im folgenden Jahr wurde er Staatspräsident. Hafiz al-Assad regierte durch, bis zu seinem Tod im Jahr 2000.
Machterhalt bedroht durch die Arabellion
Als im Frühjahr 2011 Menschen in Syrien gegen Hafiz' Sohn, Baschar al-Assad, auf die Straße gehen, ist das die größte Bedrohung für die Führung seit Jahrzehnten. Volker Perthes:
"Das Regime hat relativ schnell entschieden, Proteste gewaltsam zu unterdrücken und dabei auch die Würde, um die es vielen der Demonstranten ging, weiterhin mit Füßen zu treten. Da können Sie sagen, das waren Einzelfälle, aber Einzelfälle, die symbolisch eine so hohe Bedeutung hatten – also wenn Schulkindern die Fingernägel ausgerissen wurden oder sie verschwanden in den Kellern des Geheimdienstes – dass das eben nicht dazu beitrug, dass die Aufstände oder die Proteste endeten, sondern dass sie sich ausbreiteten."
Assad ist entschlossen: Dass Tunesier oder Ägypter ihre Langzeitherrscher aus dem Amt jagen konnten, wird in Syrien nicht passieren. Er lässt kämpfen, notfalls bis zum letzten Syrer.
"Es ist Machterhalt, aber wenn man sich in diese Sackgasse hineinbegibt, in der ein ehrenvoller Ausstieg nicht mehr möglich ist, dann heißt Machterhalt auch Erhalt des eigenen Lebens."
"Assad, oder wir brennen das Land nieder"
Der Konflikt wandelt sich, erst zu einem Bürgerkrieg, dann zu einem Stellvertreterkrieg regionaler Mächte. Assad geht brutal gegen jeden Opponenten vor – aus seiner Sicht alles nur Terroristen. Mit Unterstützung durch Russland und den Iran lässt er ganze Städte belagern, bombardieren, aushungern, setzt sogar Chemiewaffen ein, bis sich die Menschen ergeben.
Schließlich gewinnt Assad den Krieg und kontrolliert nun wieder weite Teile des Landes. Der libanesisch-amerikanische Journalist Sam Dagher: "Das Motto über zehn Jahre war: 'Assad, oder wir brennen das Land nieder' – entweder sie bleiben an der Macht oder sie zerstören das Land. Aber wir sehen jetzt, wie hohl dieser Sieg ist. Denn wie geht es weiter? Werden die Syrer Geduld haben? Schon jetzt gibt es im Südwesten neue Proteste gegen Assad, erstmals seit 2015. Das ist ein sehr schlechtes Zeichen für ihn."
Katastrophale Bilanz nach 20 Jahren im Amt
Große Teile Syriens liegen in Trümmern, der Schaden wird auf einige Hundert Milliarden Euro geschätzt, für den Wiederaufbau fehlt das Geld. Hunderttausende Menschen hat der Krieg das Leben gekostet. Die Wirtschaft kollabiert, die Währung ist im freien Fall, neun Millionen Menschen in Syrien haben nicht genug zu essen: Das ist die Bilanz 20 Jahre nach dem Amtsantritt von Baschar al-Assad.