Am dritten Verhandlungstag des Prozesses gegen Anton Pohlmann, Anfang Juni 1996, regnete es in Strömen. Den Naturgewalten trotzend, versammelten sich zwei Dutzend Demonstranten vor dem Landgericht in Oldenburg , Tierschützer und Umweltaktivisten, bewaffnet mit faulen Eiern aus der Produktion des so genannten Hühnerbarons. Einer von ihnen war Johannes Bartelt, in Osnabrück Lokalpolitiker für die Grünen.
"Das sind Artikel direkt von Pohlmann, das ist ein Rest von Nikotinsulfat, und wir haben natürlich auch einige Verpackungen, Umverpackungen."
Alles herauszuholen war eine der Strategien von Anton Pohlmann: Noch nach dem Skandal etikettierte er seine Hühnereier einfach um - und brachte sie mit falschem Label in die Läden. Sechs Wochen musste Pohlmann, Jahrgang 1939, vor dem Prozess in Untersuchungshaft, was er als besonders ungerecht empfand. Vor Gericht ging es ihm vor allem darum, seinen Sohn, damals Mitte 20, aus der Sache herauszuhalten. Weshalb der Vater freimütig zugab, das Desinfektionsmittel Virkon S ins Futter gemischt und Nikotin-Sulfat gegen Milben versprüht zu haben, beides illegal und hochgefährlich. Er hatte Warnschilder von den Dosen entfernen lassen und sich geweigert, einen seiner Arbeiter, der sich schwer vergiftet hatte, ins Krankenhaus bringen zu lassen. Sein Sohn Stefan aber habe zwei linke Hände und würde gar nicht in die Ställe vorgelassen. Wann immer er konnte, verwies Anton Pohlmann auf das, was er für sein Lebenswerk hielt:
"Ich habe in Niedersachsen 500 Millionen Mark investiert und eintausend Arbeitsplätze geschaffen. Aber in Deutschland lässt man uns Hühnerhalter ganz allein."
Schwere Vorwürfe
Die Vorwürfe an Pohlmann waren haarsträubend, nicht alle konnten bewiesen werden. Seine Hühner vegetierten in hoffnungslos überbelegten Käfigen vor sich hin, starben im Gedränge, verdursteten, wurden mit Medikamenten und Ungeziefervernichtern vergiftet. In einem Fall soll Pohlmann einer erkrankten Hühnerpopulation einfach Luft und Wasser abgedreht, sogar Abgase eingeleitet haben. Dokumentarfilmer brachen in die Ställe ein und filmten Kreaturen, die in tiefer Dunkelheit lebten, mit Kot und Blut beschmiert, die grausam an den Verletzungen starben, die ihnen ihre Artgenossen zugefügt hatten. Pohlmann hielt dagegen, seine Hühner fraßen und tranken, legten Eier und gackerten, kurzum: Es ginge ihnen gut.
"Im Grunde habe ich Tierschutz betrieben, weil ich die Hühner von den Milben befreit habe. Die Käfige sind blitzblanksauber. Die Hühner leben sauberer als viele Menschen in ihrer Behausung. Und ich behaupte, dass alle Hühnerhalter zu verbotenen Mitteln greifen müssen."
Nicht alles, was Pohlmann ins Feld führte, war gänzlich von der Hand zu weisen. Der Preisdruck, der auf Eierproduzenten lastete, war mörderisch. Pohlmann hatte einen Weg gefunden, den Markt zu bedienen. Insbesondere von Discountern wie Aldi, die niedrige Preise gefordert hatten, seine Eier jetzt aber verbannten, fühlte er sich verraten. Deutschlands Tierschutzpräsident Wolfgang Apel, unter den Demonstranten vorm Gerichtsgebäude, forderte dennoch, ihn hart zu bestrafen.
"Durch die Nikotinsulfat-Chemikalie haben die Tiere erhebliche Schmerzen und Leiden hinnehmen müssen. Diese Straftatbestände reichen meiner Meinung nach aus, dass dieser Mann ohne Bewährung zwei Jahre Gefängnis bekommt, das sieht das Tierschutzgesetz vor."
Verhältnisse am Pranger
Vor Gericht stand deshalb auch ein ganzes System. Die skandalösen Verhältnisse in der Käfighaltung, der Zwang, immer billiger zu produzieren, die katastrophale Qualität von Lebensmitteln aus dem Discounter - all dies wurde mit einem Mal publik. Anton Pohlmann wurde am 11. Juni 1996 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Er musste 3,1 Millionen Mark zahlen und durfte lebenslang in Deutschland keine Hühner mehr halten.
"Die ganze Familie ist eine Hühnermafia. Das ist gar keine Frage, das fängt bei der Ehefrau an, wenn man mal die Strafregister sieht, und die Bußgeldverfahren sieht, dann war jeder schon betroffen. Und insofern ist Anton Pohlmann natürlich als Familienoberhaupt der, der am gerissensten war, nur stellvertretend für seine ganze Familie hier vor Gericht."
Anton Pohlmanns Sohn Stefan trat in die Fußstapfen des Vaters. Im August 2015 wurde bekannt, dass der mittlerweile 44-Jährige in Untersuchungshaft genommen worden war. Der Vorwurf: Körperverletzung in 78 Fällen, eine davon mit Todesfolge. Das Unternehmen Bayern-Ei, dessen Geschäftsführer Stefan Pohlmann war, stand in dringendem Verdacht, mit Salmonellen verseuchte Eier verkauft zu haben.