"DNA is in fact the software of life." Das Erbmolekül DNA ist die Software des Lebens. So lautet das oft wiederholte Mantra des Biochemikers Craig Venter. Anfang der 1990er Jahre wurde aus dem Angestellten der staatlichen US-Gesundheitsinstituts ein führender Biotechnologie-Unternehmer. Er machte den Schritt aus der Hölle der Bürokratie in den Himmel der Wissenschaft. So formulierte er es später in seiner Autobiografie. Craig Venter gründete ein eigenes Unternehmen. Er wollte das menschliche Erbgut schneller entziffern als die weltweite Gemeinschaft der Forschungsinstitute, die sich zum Human-Genom-Projekt zusammengeschlossen hatten – zu einem Biologie-Projekt bislang unbekannter Größe.
Mit Schrotschuß-Verfahren zum schnellen Erfolg
Hundert Jahre würde es dauern, die Information im menschlichen Genom vorzulesen. Das bedeutet: Wir brauchen neue Werkzeige, neue Computer, neue Stufen der Interpretation.
Craig Venter setzte auf eine Technik namens Schrotschussverfahren. Seine Mitarbeiter zerlegten das Erbmaterial des Menschen in kleine Bruchstücke und entzifferten sie. Drei Milliarden genetische Buchstaben, die sogenannte Sequenz aus den Buchstaben A, T, G und C. Kreuz und quer gemischt, ein großes Durcheinander. Nachher halfen schnelle Computer die Puzzlesteine zu einem großen Ganzen zusammenzusetzen. Was im Human-Genom-Projekt Jahre dauerte, gelang Craig Venter in wenigen Wochen.
Craig Venter sprach von einer gewaltigen Bedeutung für die Entwicklung neuer Therapien, und Antworten auf die Fragen, wer wir sind und wie wir als Art entstanden sind. Große Worte, an denen Jon Beckwith von der Harvard Medical School, ein anderer Pionier der Genforschung, bald Zweifel äußerte: "Eine Überfülle an Informationen und kaum jemand ist interessiert, daraus Nutzen zu ziehen. Das ist Information, um der Information willen."
Noch ein langer Weg zur medizinischen Anwendungen
Das Genom des Menschen wäre auch ohne Craig Venter entziffert worden, aber er und seine Technik haben den Prozess enorm beschleunigt. Doch nach der Begeisterung folgte Enttäuschung, erinnert sich Hans-Jörg Rheinberger, Direktor Emeritus am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.
"Generell hat mit der Genomik, der Genom-Sequenzierung eine gewisse Ernüchterung insofern eingesetzt, als man herausgefunden hat, dass das menschliche Genom etwa nur ein Fünftel so viel Gene hat wie man zunächst vermutete, sodass sich die Frage stellte: Wie erklären wir jetzt die ganze Komplexität eines Organismus?"
An den Antworten tüfteln Wissenschaftler bis heute. Wie werden Gene reguliert? Welche Informationen stecken zwischen den Genen? Was zunächst als Datenmüll oder Junk bezeichnet wurde, gilt heute als zusätzliche Informationsebene. Während ständig neue Interpretationen erdacht wurden und werden, liefern die Automaten in den Genom-Zentren Berge genetischer Information.
Jeder Mensch soll sein persönliches Genom kennen
Die Biologin Sylke Winkler vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologe und Genetik in Dresden betritt einen Raum, der für Uniklinik, Universität und Max-Planck-Institut längst unverzichtbar geworden ist.
"Im Prinzip sehen Sie hier die eigentlichen DNA-Sequenzierer - also die Geräte, in die wir unser Material als Grundlage hineinsetzen, und die dann die Sequenzierung vornehmen und uns die Daten ausspucken. Die großen Sequenziergeräte hier kosten ungefähr vierhunderttausend Euro."
Das persönliche Erbgut eines Menschen können die Apparate heute in wenigen Stunden entziffern. Ein Virus-Genom wie das des Coronavirus SARS-CoV 2 ist eine Sache von Minuten. So konnten Tests, die das Erbgut der Corona-Viren aufspüren und nachweisen, in wenigen Tagen entwickelt werden. Ein Team des Craig-Venter-Instituts analysierte den Bauplan der Viren und präsentierte Schwachstellen des Virus, an denen die Impfstoffentwickler ansetzen konnten.
Ein Impfstoff in wenigen Monaten – unvorstellbar ohne die Technik der Genom-Sequenzierung. Aber Craig Venter will noch mehr: Jeder Mensch soll sein persönliches Genom kennen. Aus der Datenfülle sollen Computer persönliche Therapien entwickeln. Craig Venter nennt das: "Kontrolle über das eigene Leben".