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Vor 20 Jahren
Die Himmelsscheibe von Nebra wurde gefunden

Ein sensationeller Fund, eine Übergabe wie im Krimi: Vor 20 Jahren fanden Hobbygräber die Himmelsscheibe von Nebra und verkauften sie an Hehler. Als diese das wertvolle Stück verschiedenen Museen anboten, schlug die Polizei zu – bei einer arrangierten Übergabe im Hotel.

Von Dirk Lorenzen |
    20.09.2018, Berlin: Eine Besucherin betrachtet in der Ausstellung "Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland" die Himmelsscheibe von Nebra, die geschützt in einer Glasvitrine steht. Im Hintergrund Goldhüte aus der Bronzezeit. Gezeigt werden die spektakulärsten Funde der vergangenen 20 Jahre aus ganz Deutschland. Mehr als 1000 Ausstellungsstücke aus allen Bundesländern von der Himmelsscheibe von Nebra bis zur antiken Hafenmauer des römischen Köln werden präsentiert. Foto: Wolfgang Kumm/dpa | Verwendung weltweit
    Die Himmelsscheibe von Nebra wurde am 4. Juli 1999 von zwei Hobbygräbern mit Metalldetektoren entdeckt (Picture Alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Der Mittelberg beim Dörfchen Nebra in Sachsen-Anhalt: Am 4. Juli 1999, einem Sonntag, suchen zwei Männer im Wald nach Gegenständen unter der Erde. Die Metalldetektoren schlagen an, und der feuchte Waldboden gibt eine Scheibe, Beile und Schwerter frei. Die Öffentlichkeit erfährt davon aber erst drei Jahre später. Denn die Schatzgräber verkauften ihren Fund an einen Hehler. Nach einigen Besitzerwechseln wurde er schließlich Museen angeboten. Die Archäologen gingen zum Schein darauf ein, und so kam es 2002 in einem Hotel in Basel zu Kaufverhandlungen.
    "Wie im Krimi: Polizei schlägt im Hotel zu", oder: "Sensationsfund in Sachsen-Anhalt: Himmelsscheibe sichergestellt" – das ebenso schöne wie wissenschaftlich bedeutende Objekt und die bewegte Geschichte seiner Entdeckung sorgten für einige Schlagzeilen. Rahlf Hansen, Experte für Astronomiegeschichte aus Hamburg, erinnert sich gut an seinen ersten Blick auf die Scheibe: "Ich war tatsächlich ziemlich baff, weil so etwas Reales, so konkrete Himmelsobjekte auf einer so alten Darstellung, ja vollkommen ungewöhnlich sind. Erst recht hier in unseren Breiten, aber überhaupt: Normalerweise gibt es immer Götter, aber keine konkreten Darstellungen."
    Die Scheibe hat gut 30 Zentimeter Durchmesser, ist nur wenige Millimeter dick und wiegt mehr als zwei Kilogramm. Die Bronzeplatte ist grün angelaufen, die Ornamente glitzern golden: "Man sieht eine dicke Mondsichel, eine große Scheibe, Vollmond oder Sonne. Dann 32 Sterne, sieben davon zu einer Rosette zusammengefasst, die werden als Plejaden gedeutet. Später kamen dann noch zwei Randbögen hinzu. Einer davon wurde, als man die Scheibe begraben hat, dann abgerissen und noch eine Barke. Außerdem gibt es noch Randlöcher, die wurden auch ganz zum Schluss dort hineingebohrt," sagt Rahlf Hansen.
    "Es gibt eben auch einen Mondkalender"
    Untersuchungen des Materials ergaben, dass die Himmelsscheibe vor gut 3500 Jahren vergraben wurde und damals einige hundert Jahre alt war. Welchem Zweck die Himmelsscheibe von Nebra diente, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Aber die Experten sind überzeugt, dass die goldenen Figuren keine Verzierungen sind.
    Ralhf Hansen erklärt: "Man sieht relativ schnell, es ist keine wirklich konkrete Darstellung des Himmels. Denn Sonne und Mondsichel können so nicht beieinander stehen – egal, wie man das zuordnet. Es kann so nicht beobachtet werden. Es ist also eine symbolische Darstellung. Die Plejaden, eine Mondsichel und die Sonne, und das zusammen ist eine Merkhilfe. Es ist eine Merkhilfe für einen Kalender und zwar für den Ausgleich von Sonnen- und Mondjahreslänge. Wir kennen ja eigentlich nur den Sonnenkalender mit 365 Tagen, der von den Jahreszeiten abhängt. Aber es gibt eben auch einen Mondkalender, wie zum Beispiel im Islam, der ist elf Tage kürzer. Und dann ist das Bestreben bei vielen Kulturen gewesen, dass man die Jahreslänge von Mond und Sonne ausgleicht – dass man also in einem Kalender sowohl die Sonne als auch den Mond nutzen kann."
    Die Hobbygräber verstießen gegen das Denkmalschutzgesetz
    Mit seinem Phasenwechsel ist der Mond der naheliegende Taktgeber am Himmel. Doch Mond- und Sonnenlauf passen nicht perfekt zueinander. Hin und wieder waren Schaltmonate nötig, damit der am Mond orientierte Kalender auch mit Frühling, Sommer, Herbst und Winter in Einklang blieb. Wann diese Schaltmonate einzulegen waren, vermittelte den Stammesfürsten in der Saale-Unstrut-Region vor knapp 4000 Jahren die Symbolik auf der Himmelsscheibe. Dieses einzigartige Dokument des astronomischen Wissens der Vorzeit wäre den Fachleuten beinahe verborgen geblieben – denn nicht Archäologen haben die Scheibe gefunden, sondern Hobbygräber. Die verstießen mit ihrem Verkauf an einen Hehler gegen das Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. "Bewegliche Kulturdenkmale, die so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben," heißt es da.
    Raubgräber und Hehler wurden zu Haftstrafen auf Bewährung sowie Geldauflagen verurteilt. Leider lassen skrupellose Schatzsucher und eigensinnige Besitzer immer wieder bedeutende Funde einfach in Privatsammlungen verschwinden. Der Himmelsscheibe von Nebra ist dieses Schicksal zum Glück erspart geblieben. Sie ist heute ein Prunkstück des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle an der Saale, nur 40 Kilometer entfernt von ihrem Fundort bei Nebra.