"Sie haben mit so vielen Problemen zu kämpfen, mentale Spannungen, mentales Trauma. Und es geht nicht nur um HIV und AIDS. Sie haben das Gefühl, dass ihr Leben zerstört ist: Die Gesellschaft wird uns nicht mehr akzeptieren. Wie sollen wir überleben?"
Durga Demire betreut in Nepal Mädchen, die in Bordelle nach Indien verkauft wurden. Und Patricia aus Sambia fing mit 15 an, als Prostituierte zu arbeiten:
"Ich habe hier in Sambia viele Mädchen gesehen, die verkauft wurden. Einige starben und kamen nie zurück. Auch nach Deutschland gingen sie. Ich hatte eine Freundin, die nach Deutschland verkauft wurde. Ich erinnere mich, dass wir die Typen in der Alpha-Bar trafen. Sie sagten uns, dass sie sie heiraten wollen. Das haben sie nicht getan. Sie reisten dort hin und brachten sie in ein deutsches Bordell."
Sommer 1996: Am 16. August war in Belgien der Mörder und Kinderschänder Marc Dutroux verhaftet worden, dessen Taten die Welt schockierten. 11 Tage später, am 27. August, begann in Stockholm der erste 'Weltkongress gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern'.
"Die Ereignisse, die in Belgien mit den Mädchen passiert sind, sollten uns klar machen, dass dies überall in der Welt geschieht."
Ron O'Grady hielt die Eröffnungsrede. Der gebürtige Neuseeländer war Gründer und Vorsitzender von ECPAT, einem internationalen Netzwerk, das sich den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung auf die Fahnen geschrieben hatte. Die Organisation hatte den Anstoß zu diesem Kongress gegeben. Zum ersten Mal befasste sich eine Weltkonferenz ausschließlich mit dem Thema.
"In unserer Nachbarschaft sind diese Männer, die unsere Kinder sexuell missbrauchen, mit Gewalt und auch vor Mord nicht zurückschrecken. Wir müssen dies in einer gemeinsamen Anstrengung verhindern. Das ist es, was die Regierungen diese Woche in Schweden angehen müssen. Sie müssen Maßnahmen beschließen, die das alles beenden."
1.300 Teilnehmer aus 122 Staaten waren nach Stockholm gereist: Minister und Sozialarbeiter, Polizisten und Psychologen, Staatsanwälte und Vertreter von Hilfsorganisationen - fünf Tage lang diskutierten sie alle gleichberechtigt. Für Deutschland nahm auch Außenminister Klaus Kinkel teil:
"Wir müssen zunächst dafür sorgen, dass die sexuelle Ausbeutung von Kindern weltweit und ausnahmslos unter Strafe gestellt wird. Und zwar unter möglichst hohe Strafen. Wir brauchen eine länderübergreifende Strafverfolgung, die leichter möglich gemacht werden muss als das im Augenblick der Fall ist."
Sensibilisieren durch intensive Informationsarbeit
Tatsächlich flossen diese beiden Punkte - konsequente Kriminalisierung und internationale Kooperation - in den sogenannten Aktionsplan ein, auf den sich alle Teilnehmer einigten. Außerdem sollte fortan eine intensive Informationsarbeit die Bevölkerungen sensibilisieren.
"Wir müssen den sexuellen Missbrauch von Kindern aus der Tabuzone rausholen. Wir müssen ihn ächten, wir müssen diejenigen, die so was Schreckliches tun, so anprangern, dass sie es in Zukunft hoffentlich lassen."
Vier Millionen Opfer jährlich
Auf den zwei Nachfolgekongressen von Stockholm - 2001 in Japan und 2008 in Brasilien - konnte man durchaus Erfolge feiern: Zwischenzeitlich war die Zahl der Staaten, die Gesetze gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern verabschieden, stetig gewachsen.
Und dennoch: 1996 gingen Schätzungen der Vereinten Nationen davon aus, dass jährlich zwei Millionen Kinder sexuell ausgebeutet werden. Heute sind es fast vier Millionen. Mechthild Maurer, die Vorsitzende von ECPAT Deutschland:
"Wir haben Kinder, die aus Rumänien, Bulgarien oder auch Nigeria, Zentralasien nach Deutschland verbracht werden. Aber nicht in den normalen Rotlicht-Milieu-Strukturen, sondern geschlossen, weg davon, auch für ein anderes Zielpublikum."
Wachsender Internetmarkt trotz schärferer Gesetze
Täglich entstehen 100 neue Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt. Allein in Deutschland gibt es 50.000 entsprechende Nutzer. Das Internet hat Dimensionen und Vermarktungswege ermöglicht, die vor 20 Jahren in Stockholm noch gar nicht abzusehen waren.