"Seine bunten, jugendstiligen Motive gingen als Poster und Postkarten reißend weg, das quallige 'Hundertwasser-Haus', das er von 1983 an für Wien errichten durfte, wurde ein Touristenmagnet. Der 'Architekturdoktor', wie er sich nannte, behandelte auch Fabriken und Hotelanlagen."
Lakonisch und nicht übertrieben respektvoll gedachte in der Rubrik "Gestorben" der SPIEGEL des berühmten Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Der hatte am 19. Februar 2000 einen Herzschlag erlitten, auf einem Kreuzfahrtschiff.
Von Architekten abgelehnt
Kein unpassender Ort, denn Hundertwasser schien immerzu unterwegs zu sein zwischen seinen Wohnsitzen in Neuseeland und Europa. Seine Kunst, ob auf Leinwand oder Häusern, war enorm erfolgreich, aber auch umstritten - außer bei Architekten. Von denen wurde er unisono abgelehnt.
"Schau nicht an das Winkelmaß und wohn' in einem Rundhaus,
Glaub nicht an das Winkelmaß und wohn' in einem Rundhaus."
Glaub nicht an das Winkelmaß und wohn' in einem Rundhaus."
Was Arik Brauer, Maler der Wiener Schule des phantastischen Realismus, und früher Weggefährte forderte, das durfte Hundertwasser realisieren.
Das erste, 1986 fertiggestellte, formenreiche, baumgewachsene Hundertwasserhaus. So bunt, wie die "Natur" es sich nicht einmal im tropischen Regenwald leistet, gehörte es von Anfang an zu den Wiener Touristenattraktionen.
Eroberung der Nachkriegs-Kunstszene
Der Welterfolg zog Einiges nach sich, von Neuseeland bis Graz: weitere Hundertwasser-Häuser, von Hundertwasser überarbeitete Toiletten, Energiewerke, Poststationen. Auch den Bahnhof im niedersächsischen Uelzen. Die Begeisterung war groß.
"Das ist allerfeinste Keramik! Alles getöpfert, das sind ja alles Unikate, keine Säule gleicht der anderen."
Friedrich Stowasser, der seinen Namen später in Friedensreich Hundertwasser übersetzen sollte, wurde 1928 in Wien geboren. Schon mit einem Jahr war er Halbwaise. Die viel größere Tragödie folgte bald. Aber der junge Mensch, der mit seiner jüdischen Mutter geduckt die Nazijahre überlebte, während fast alle ihre Familienangehörigen ermordet wurden, ging nach dem Krieg mit immenser Energie an die Eroberung der Kunstszene, machte Reisen bis nach Afrika, hatte Erfolg als talentierter Maler und Sinn für Publicity.
Sein Freund Pierre Restany notierte: "Die Art seiner Kleidung betonte die Aura eines vielversprechenden Talents oder künftigen Genies."
"Nacktrede" über die fünf Häute des Menschen
In selbstfabrizierten Schuhen und geschmackvoll designten Wende-Anzügen trug Hundertwasser seine Anliegen sendungsbewusst auf die grauen Straßen der 50er-Jahre. Über sein schönes Gesicht ließ er einen charismatischen Bart wachsen, sein "Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus der Architektur" erregte 1958 Aufsehen.
Gegen den technokratischen Geist setzte er seine Vorstellung von Natur: "Wir haben einen völlig falschen Begriff von der Schönheit. Das hat sich langsam, ich weiß nicht wie, wahrscheinlich erst in den letzten 100 oder 50 Jahren herangebildet, dass man nicht reglementierte Unregelmäßigkeiten als hässlich empfindet."
Seine Idee von den fünf Häuten des Menschen - Epidermis, Kleidung, Behausung, soziale und globale Umwelt - propagierte Hundertwasser in einer spektakulären "Nacktrede", eskortiert von zwei ebenso nackten Mädchen, die keine Rede hielten. Ihr Aussehen ließ an landläufiger Perfektion übrigens nichts zu wünschen übrig.
Die gerade Linie "ist eine feige Linie"
Eine Dozentur in Hamburg endete, nachdem Hundertwasser mit Studenten begonnen hatte, eine "unendliche Linie" wacklig über die sauberen Hochschulwände zu ziehen, was den Unmut der Verwaltung erregte.
"Die gerade Linie ist eine nicht existierende Linie, die hat der Mensch sich ausgedacht mit dem Lineal, und hat nichts mit göttlich zu tun, im Gegenteil, es ist eine feige Linie, die jeder Idiot nachmachen kann. Das ist die einzige Linie, die nicht kreativ ist."
Dass er den Farben- und Formenüberfluss seiner Malerei auf die Architektur anwendete, trug Hundertwasser den Vorwurf des bloßen "Behübschens" ein - tatsächlich hatten seine begrünten Bauten mit ökologischem Bauen wenig zu tun, was nicht bedeutete, dass sein Einsatz für nachhaltige Lebensweisen aufgesetzt war; die Humustoiletten, die er propagierte, baute er selber.
Unter den Zerstörungen einer haltlos verschwenderischen Zivilisation hatte er schon zu einer Zeit öffentlich gelitten, als solche Kritiker noch rundweg für Spinner gehalten wurden.