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Vor 20 Jahren gestorben
Friedensreich Hundertwasser - erfolgreich und umstritten

Bei Architekten erntete der unorthodoxe Künstler Friedensreich Hundertwasser Naserümpfen, die Öffentlichkeit feierte ihn für seine unorthodoxe Formensprache. Am 19. Februar 2000 erlag er auf einem Kreuzfahrtschiff einem Herzinfarkt.

Von Beatrix Novy |
    Der österreichische Maler, Grafiker und Architekt zeigt am 2. April 1992 im Hamburger Einkaufszentrum Hamburger Straße seine Schau "Kreative Architektur". | Verwendung weltweit
    Hundertwasser bei seiner Ausstellung "Kreative Architektur" im Jahr 1992 (picture-alliance / dpa)
    "Seine bunten, jugendstiligen Motive gingen als Poster und Postkarten reißend weg, das quallige 'Hundertwasser-Haus', das er von 1983 an für Wien errichten durfte, wurde ein Touristenmagnet. Der 'Architekturdoktor', wie er sich nannte, behandelte auch Fabriken und Hotelanlagen."
    Lakonisch und nicht übertrieben respektvoll gedachte in der Rubrik "Gestorben" der SPIEGEL des berühmten Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Der hatte am 19. Februar 2000 einen Herzschlag erlitten, auf einem Kreuzfahrtschiff.
    Von Architekten abgelehnt
    Kein unpassender Ort, denn Hundertwasser schien immerzu unterwegs zu sein zwischen seinen Wohnsitzen in Neuseeland und Europa. Seine Kunst, ob auf Leinwand oder Häusern, war enorm erfolgreich, aber auch umstritten - außer bei Architekten. Von denen wurde er unisono abgelehnt.
    "Schau nicht an das Winkelmaß und wohn' in einem Rundhaus,
    Glaub nicht an das Winkelmaß und wohn' in einem Rundhaus."
    Was Arik Brauer, Maler der Wiener Schule des phantastischen Realismus, und früher Weggefährte forderte, das durfte Hundertwasser realisieren.
    Hundertwasserhaus Vienna | Maison Hundertwasser Vienne 16/08/2018 Foto: Jean-Luc Flémal/belga/dpa |
    Das Hundertwasserhaus in Wien (picture alliance / belga / Jean-Luc Flémal)
    Das erste, 1986 fertiggestellte, formenreiche, baumgewachsene Hundertwasserhaus. So bunt, wie die "Natur" es sich nicht einmal im tropischen Regenwald leistet, gehörte es von Anfang an zu den Wiener Touristenattraktionen.
    Eroberung der Nachkriegs-Kunstszene
    Der Welterfolg zog Einiges nach sich, von Neuseeland bis Graz: weitere Hundertwasser-Häuser, von Hundertwasser überarbeitete Toiletten, Energiewerke, Poststationen. Auch den Bahnhof im niedersächsischen Uelzen. Die Begeisterung war groß.
    "Das ist allerfeinste Keramik! Alles getöpfert, das sind ja alles Unikate, keine Säule gleicht der anderen."
    Bildnummer: 52308587 Datum: 24.06.2007 Copyright: imago/imagebroker Toilette von Friedensreich Hundertwasser in Wien , Objekte; 2007, Österreich, Wien, Städte, Toilet of modern art, Toiletten, öffentliche, öffentlich, moderne Kunst; , hoch, Kbdig, Totale, , Reisen, Europa o0 Hundertwasserhaus, o0 Hundertwasser Haus
    Allerfeinste Keramik: Innenansicht des Wiener Hauses (imago / imagebroker)
    Friedrich Stowasser, der seinen Namen später in Friedensreich Hundertwasser übersetzen sollte, wurde 1928 in Wien geboren. Schon mit einem Jahr war er Halbwaise. Die viel größere Tragödie folgte bald. Aber der junge Mensch, der mit seiner jüdischen Mutter geduckt die Nazijahre überlebte, während fast alle ihre Familienangehörigen ermordet wurden, ging nach dem Krieg mit immenser Energie an die Eroberung der Kunstszene, machte Reisen bis nach Afrika, hatte Erfolg als talentierter Maler und Sinn für Publicity.
    Sein Freund Pierre Restany notierte: "Die Art seiner Kleidung betonte die Aura eines vielversprechenden Talents oder künftigen Genies."
    "Nacktrede" über die fünf Häute des Menschen
    In selbstfabrizierten Schuhen und geschmackvoll designten Wende-Anzügen trug Hundertwasser seine Anliegen sendungsbewusst auf die grauen Straßen der 50er-Jahre. Über sein schönes Gesicht ließ er einen charismatischen Bart wachsen, sein "Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus der Architektur" erregte 1958 Aufsehen.
    Gegen den technokratischen Geist setzte er seine Vorstellung von Natur: "Wir haben einen völlig falschen Begriff von der Schönheit. Das hat sich langsam, ich weiß nicht wie, wahrscheinlich erst in den letzten 100 oder 50 Jahren herangebildet, dass man nicht reglementierte Unregelmäßigkeiten als hässlich empfindet."
    Die österreichischen Künstler Friedensreich Hundertwasser und Ernst Fuchs in der Badewanne im Atelier von Hundertwasser. Spiegelgasse 2. Wien. 1. Februar 1968. Photographie von Nora Schuster. |
    Hundertwasser in der Badewanne seines Wiener Ateliers, rechts der Künstlerkollege Ernst Fuchs (imago / Nora Schuster)
    Seine Idee von den fünf Häuten des Menschen - Epidermis, Kleidung, Behausung, soziale und globale Umwelt - propagierte Hundertwasser in einer spektakulären "Nacktrede", eskortiert von zwei ebenso nackten Mädchen, die keine Rede hielten. Ihr Aussehen ließ an landläufiger Perfektion übrigens nichts zu wünschen übrig.
    Die gerade Linie "ist eine feige Linie"
    Eine Dozentur in Hamburg endete, nachdem Hundertwasser mit Studenten begonnen hatte, eine "unendliche Linie" wacklig über die sauberen Hochschulwände zu ziehen, was den Unmut der Verwaltung erregte.
    "Die gerade Linie ist eine nicht existierende Linie, die hat der Mensch sich ausgedacht mit dem Lineal, und hat nichts mit göttlich zu tun, im Gegenteil, es ist eine feige Linie, die jeder Idiot nachmachen kann. Das ist die einzige Linie, die nicht kreativ ist."
    Tanya Bora (l) und Nora Grimm sowie weitere Studenten der Hochschule für Künste in Bremen ziehen am 18.10.2012 in der Kunsthalle Bremen die "Linie des Lebens". Die fünfzig Stunden währende Kunstaktion ist eine Neuinszenierung der Aktion "Die Linie von Hamburg", die Friedrich Hundertwasser zusammen mit anderen Künstlern im Jahr 1959 durchführte. Die Nonstop gezogene schwarz-rote Linie gehört zum Auftakt der neuen Sonderausstellung "Friedensreich Hundertwasser: Gegen den Strich. Werke 1949 bis 1970" in der Kunsthalle. Die Ausstellung schafft einen Blick auf das Schaffen des österreichischen Künstlers und ist vom 20.10.2012 bis zum 17.02.2013 in der Hansestadt zu sehen. Foto: Ingo Wagner/dpa (Zu dpa 870 vom 18.10.2012) | Verwendung weltweit
    Die "unendliche Linie" brachte Hundertwasser 1959 noch den Rauswurf als Dozent, 2012 stellten Kunststudenten seine Idee nach (dpa)
    Dass er den Farben- und Formenüberfluss seiner Malerei auf die Architektur anwendete, trug Hundertwasser den Vorwurf des bloßen "Behübschens" ein - tatsächlich hatten seine begrünten Bauten mit ökologischem Bauen wenig zu tun, was nicht bedeutete, dass sein Einsatz für nachhaltige Lebensweisen aufgesetzt war; die Humustoiletten, die er propagierte, baute er selber.
    Unter den Zerstörungen einer haltlos verschwenderischen Zivilisation hatte er schon zu einer Zeit öffentlich gelitten, als solche Kritiker noch rundweg für Spinner gehalten wurden.