Es begann mit einem furchtbaren Autounfall im Jahr 1996. Julia Hills Wagen wurde von einem Truck erfasst und fast völlig zerstört. Die junge Frau aus Missouri erlitt schwere Kopfverletzungen. Ein ganzes Jahr brauchte sie, um von den Folgen zu genesen. Sie entschied, noch einmal von vorne zu beginnen und um die Welt zu reisen. Dabei traf sie an der Westküste der USA auf Umweltaktivisten, die jemanden suchten, der für ein paar Tage eine Baumbesetzung übernehmen könnte und damit auf die bedrohliche Lage der Mammutbäume in Kalifornien aufmerksam machen sollte. Es war ein kalter, feuchter 10. Dezember im Winter 1997 als Julia Hill auf den Küstenmammutbaum kletterte, der von den Umweltschützern Luna genannt wurde.
Julia Hill: "Hier oben habe ich nicht nur gelernt, dass ich auf einem Baum überleben kann, sondern,dass ich hier auch aufblühen kann."
"Diese Bäume sind 110 Meter hoch. Es sind die größten Bäume auf diesem Planeten. Und das ist für sich genommen schon etwas ganz Besonderes. Sie haben einen Durchmesser von acht bis zehn Meter und einenn Umfang von 20 bis 30 Metern", erzählt der Naturschützer Stuart Moskowitz. Die Bäume waren akut bedroht, als Julia Hill auf Luna kletterte, die Pacific Lumber Company holzte die uralten Mammutbäume an der Westküste in schwindelerregendem Tempo ab. Ursprünglich an der gesamten Küste Nordkaliforniens heimisch, waren Ende des 20. Jahrhunderts über 90 Prozent der Bestände verschwunden.
738 Tage auf vier Quadratmetern
Der rücksichtslose Raubbau entsetzte viele Umweltschützer, aber erst Julia Hill gab der Bewegung eine Stimme, die gehört wurde, sagt Stuart Moskowitz: Julia unterschied sich von den anderen Baumbesetzern dadurch, dass sie eine extrem wortgewandte junge Frau war. Sie konnte sich sehr gut ausdrücken und gab per Handy vom Baum aus Interviews fürs Radio und empfing Fernsehteams. Ganze Schulklassen hörten ihr zu Dazu Julia Hill: "Ich verstehe, dass für jeden vo uns andere Dinge wertvoll sind und dass ich für viele Menschen einfach nur ein dreckiger, Bäume umarmender Hippie bin. Aber ich kann einfach nicht verstehen, wie man auf so etwas Wunderbares mit einer Kettensäge losgehen kann."
Ein nicht enden wollender PR-Albtraum für die Holzfirma
Julia Hill blieb 738 Tage auf dem Baum. Sie lebte auf zwei je vier Quadratmeter großen Plattformen, mit einer Plastikplane als Regenschutz, überstand zwei Winter mit Eiseskälte, unzählige Stürme sowie Drohgebärden der Holzfirma, die immer wieder versuchte, sie mit gefährlich nah an den Baum heranfliegenden Hubschraubern einzuschüchtern oder ihr den Nachschub an Lebensmitteln abzuschneiden. Für die Verantwortlichen der Pacific Lumber Company wurde sie in diesen zwei Jahren zu einem immer größeren PR-Alptraum. Sie hatten Angst, dass sie herunterfallen und getötet werden könnte. Und so erklärte sich die Pacific Lumber Company kurz vor Julias drittem Winter auf Luna bereit, den Baum nicht zu fällen, wenn sie absteigen würde.
Der damalige Präsident des Holzunternehmens erklärte dazu im Dezember 1999 auf CNN:" Sie wird uns 50.000 US Dollar für den Baum selbst sowie eine 200-Fuß-Pufferzone bezahlen."
Die Abholzung der Wälder geht weiter
Am 18. Dezember 1999 verließ Julia Hill ihre Protestplattform in den Baumwipfeln. Sie gründete die Umweltschutzorganisation "Circle of Life", schrieb mehrere Bücher und hält Vorträge. Um den Baum Luna und die Schutzzone um ihn herum kümmern sich seit der Baumbesetzung Stuart Moskowitz und seine Kollegen vom Sanctuary Forest Land and Water Trust: "Ein Jahr, nachdem Julia wieder am Boden war, ging ein Vandale mit einer Kettensäge auf den Baum los und durchtrennte etwa 60 Prozent des Baumquerschnitts. Wir wissen bis heute nichts über die Motive des Täters. Er wurde nie gefasst."
Biologen, Umweltschützer und Forstwirte setzten alles daran, den Baum zu retten. Luna hat sich von dem Anschlag erholt und gedeiht wieder. Als Folge der Baumbesetzung erwarb die US-Regierung den größten kommerziell genutzten Küstenmammutbaumwald nahe Eureka und stellte ihn unter Schutz. Zusammen mit einigen Nationalparks wird so ein Bruchteil der Baumriesen bewahrt. Die restlichen Wälder in Privatbesitz aber werden bis heute abgeholzt – wenn auch in etwas nachhaltigerer Weise als zu Julia Hills Zeiten.