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Vor 20 Jahren in Lima
Als die Untergrundbewegung Túpac Amaru Geiseln nahm

Die linksradikale peruanische Gruppierung Túpac Amaru besetzte vor 20 Jahren vier Monate lang die japanische Botschaft in Lima. Ihr Ziel: inhaftierte Mitglieder freipressen. Der umstrittene Präsident Perus wurde damals für die Befreiung der Geiseln, bei der alle Rebellen umkamen, als Held gefeiert, heute sitzt er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gefängnis.

Von Victoria Eglau |
    Polizeibeamte nehmen am Mittwoch (18.12.96) vor der Residenz des japanischen Botschafters in Lima einen mutmaßlichen Terroristen fest. Zuvor hatten etwa 15 bis 20 Guerrillas die Botschaft überfallen und rund 200 Geiseln genommen. dpa |
    Am 18.12.1996 nahmen Polizeibeamte vor der Residenz des japanischen Botschafters in Lima einen mutmaßlichen Terroristen fest. (picture alliance / dpa / Carlos Lezama)
    17. Dezember 1996: In der Residenz des japanischen Botschafters in Perus Hauptstadt Lima nehmen rund 800 Diplomaten und Politiker an einem festlichen Empfang teil.
    Um kurz nach 20 Uhr sind plötzlich Schüsse zu hören. Ein Kommando der peruanischen Guerilla-Gruppe Movimiento Revolucionario Túpac Amaru, kurz MRTA, hat die Veranstaltung gestürmt. Augenzeugen zufolge hatten die Terroristen ein Loch in die hohe Gartenmauer gesprengt und waren so auf das Gelände vorgedrungen.
    "Als da eben Personen mit schwarz bemalten Gesichtern, in Militäruniformen, mit Handgranaten und Maschinenpistolen ausgerüstet, plötzlich uns auf den Boden zwangen und uns dann wie das liebe Vieh ins Haus trieben, da wurd es einem mulmig", erinnerte sich später einer der Anwesenden, der damalige stellvertretende deutsche Botschafter Jürgen Steinkrüger.
    Inhaftierte MRTA-Mitglieder sollten freigepresst werden
    Das 14-köpfige MRTA-Kommando nahm zunächst alle Gäste als Geiseln, ließ aber am ersten Tag rund 200 von ihnen, überwiegend Frauen, frei. Eine Stunde nach dem Überfall formulierte der Anführer der Geiselnehmer, Nestor Cerpa, telefonisch deren Forderungen:
    "Wir fordern die Freilassung unserer Kameraden, die im Gefängnis sitzen. Außerdem ein Gespräch mit dem Präsidenten Fujimori. Wenn er nicht kommt, werden wir anfangen, die Geiseln zu töten."
    Trotz dieser Drohung brachte das Kommando keine Geisel um. Die Revolutionäre Bewegung Túpac Amaru war eine linksradikale Gruppierung, die mehrfach Politiker und Unternehmer entführt hatte, aber anders als die Terrorgruppe Leuchtender Pfad nicht für grausame Massaker verantwortlich war. Knapp 500 in ganz Peru inhaftierte Mitglieder wollte das MRTA durch die Geiselnahme freipressen.
    An Heiligabend wurden 224 Geisel freigelassen - mehr als 300 blieben
    Die Aktion war ein Rückschlag für den japanisch-stämmigen Präsidenten Fujimori, dessen diktatorische Regierung in den Jahren zuvor mit harter Hand den Terrorismus bekämpft hatte. In einer Fernsehansprache zeigte er sich unerbittlich:
    "Die Regierung wird nicht akzeptieren, dass ein terroristisches Kommando mit Gewalt einem Volk von 23 Millionen Menschen seinen Willen aufzwingt. Die Freilassung von Gefangenen kommt nicht infrage. Ein solcher Schritt ist unvereinbar mit dem Gesetz und mit nationalen Sicherheitsinteressen."
    Weihnachten 1996 sangen Angehörige der Geiseln vor der weitläufig abgesperrten Botschafts-Residenz. Kurz vor Heiligabend: eine Geste der Guerilleros. 225 Menschen ließen sie frei, auch die deutschen Diplomaten. Doch mehr als 100 Personen verblieben in der Gewalt des MRTA – am Ende waren es noch 71.
    War die gewaltsame Befreiung notwendig?
    Ein Geistlicher wurde zum Symbol für die Bemühungen um eine friedliche Lösung: Erzbischof Juan Luis Cipriani redete immer wieder persönlich mit den Rebellen. Dann aber brachen die Geiselnehmer die Gespräche ab. Sie hatten unter der Residenz Geräusche gehört und vermuteten, dass die Militärs einen Tunnel bauten und eine gewaltsame Befreiung planten. Vermittler Cipriani:
    "Wir hatten kein einziges Indiz für eine Militäraktion. Aber auf der anderen Seite kann man nicht sagen, dass der Sturmangriff auf die Residenz völlig unerwartet kam. Ich glaube, die MRTA-Leute wussten das besser als jeder andere. Denn sie hatten ja die Geräusche gehört. Insofern fragt man sich: Warum musste das alles sein, wenn es doch zu verhindern war? Warum?"
    Alle 14 Rebellen starben - mindestens drei wurden hingerichtet
    Am 22. April 1997 stürmten 140 peruanische Elitesoldaten die Residenz. Bis auf einen Mann, der bei dem Militäreinsatz starb, kamen alle Geiseln frei. Zwei Soldaten wurden getötet – und alle 14 Túpac-Amaru-Rebellen. Präsident Fujimori, der wegen der Geiselbefreiung als Held gefeiert wurde, lobte die Operation als besonders sauber.
    Doch die Leichen der Geiselnehmer wurden unter Verschluss gehalten und heimlich beerdigt. 2001, nach ihrer Exhumierung, kam heraus, dass mindestens drei Guerilleros hingerichtet worden waren. Alberto Fujimori sitzt heute wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gefängnis.