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Vor 20 Jahren in Nigeria
Erhobenen Hauptes zum Galgen

Der nigerianische Schriftsteller Ken Saro Wiwa hatte 1989 die Organisation "Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes" gegründet. Zum Verhängnis wurde ihm sein unerschrockener Einsatz als Bürgerrechtler gegen Ölmultis wie Shell. Vor 20 Jahren wurde er zum Tode verurteilt.

Von Birgit Morgenrath |
    "Großartiges Ogoni. Land der Ehre, Großes Ogoni, Land des Wohlstands. Ich warne das Volk der Ogoni: Wir werden nicht mit Macheten kämpfen, unser Kampf gründet sich auf Verstand und Frieden. Es soll kein Blut vergossen werden."
    Eine kleine Gruppe von Aktivisten lauscht heimlich in einer dunklen Hütte der letzten Botschaft ihres langjährigen Anführers Ken Saro-Wiwa.
    "Die Welt hat gesehen, wie sich die Ogoni aufgelehnt haben. Sie hat gesehen, dass die Regierung uns betrogen hat und Shell uns vernichtet."
    Im Morgengrauen des 10. November 1995 wurden der nigerianische Menschenrechtler Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter durch den Strang erhängt.
    Augenzeugen zufolge soll der kleine, stämmige Mann erhobenen Hauptes zum Galgen geschritten sein, die Hymne seines Volkes auf den Lippen. Der ehemalige Regierungsbeamte, wohlhabende TV-Produzent und Schriftsteller wurde 54 Jahre alt. Am 31. Oktober 1995 hatte ein vom Regime ernanntes Militärtribunal in einem makabren Schauprozess Ken Saro-Wiwa und die "Ogoni-Acht" wegen angeblicher Anstiftung zum Mord an vier Ältesten zum Tode verurteilt. Trotz mannigfacher internationaler Proteste, trotz stiller Diplomatie internationaler Organisationen, auch der EU. Und trotz des Alternativen Nobelpreises.
    Ölmultis angeprangert
    Das Verbrechen des Intellektuellen: Er hatte an der Spitze der MOSOP, der "Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes" den "ökologischen Krieg der Ölmultis", allen voran Shell im Nigerdelta angeprangert.
    Seit 1958 hatten die Ölkonzerne das ehemalige "Paradies" - so Ken Saro-Wiwa -, das fruchtbare Land der Ogoni in eine schwarze Mondlandschaft verwandelt. Öl aus verrotteten Pipelines und Förderanlagen zerstörten den Boden. Rücksichtslose Rohstoff-Ausbeutung trieb das Bauernvolk in Armut und Krankheit.
    Die MOSOP protestierte lautstark und forderte, die geschädigten Gebiete zu sanieren und die Bevölkerung an den Ölprofiten zu beteiligen. Die machen bis heute rund 90 Prozent der Staatseinnahmen aus, mit denen sich die verschiedenen Militär-Regime und ihre korrupten Eliten ihr Luxusleben finanzierten.
    "Das Unrecht geht im Land um wie ein Tiger auf Beutejagd."
    Schreibt Ken Saro-Wiwa in seinem posthum erschienenen Gefängnis-Tagebuch.
    Internationale Proteste ausgelöst
    Als am 4. Januar 1993, am sogenannten Ogoni-Tag, 300.000 Menschen demonstrierten, reagierte das Regime des Militärdiktators Sani Abacha mit brutaler Gewalt und der Besetzung des Ogoni-Gebietes. 13 Jahre später tauchte das Memo eines Majors auf. Danach war die Niederschlagung des Aufstands auch im Interesse der Ölfirmen. Ken Saro-Wiwas Bruder Owens traf in der Zeit des Prozesses privat den Chef von Shell Nigeria, Brian Anderson:
    "Und ich fragte ihn nach meinem Bruder und den anderen Gefangenen, und er sagte, es sei schwierig, wenn nicht unmöglich, sie frei zu bekommen. Er brauche etwas guten Willen der MOSOP, damit das geschehe. Ich fragte, was "guter Wille" bedeute, und er sagte, wir sollten die internationale Shell-Kampagne abbrechen."
    "Good evening. Nigerias military leaders provoked a storm of international outrage today when they went ahead with the executions of nine human rights activists including the playrighter Ken Saro-Wiwa. They were hanged this morning in a prison in Port Hartcourt in the Southeast of the country."
    Die Hinrichtung der Angeklagten löste international heftige Proteste aus. Aber ein Ölembargo der USA und der europäischen Staaten blieb aus. Nigeria wurde für vier Jahre aus dem Commonwealth of Nations ausgeschlossen. Shell verließ Ogoniland.
    Aber erst 15 Jahre nach seinem Tod verglich sich der Konzern außergerichtlich mit den Hinterbliebenen von Ken Saro-Wiwa und den Ogoni-Acht, um damit einer Klage wegen Menschenrechtsverletzungen zu entgehen.
    Das Ökodesaster im Niger-Delta hält bis heute an. Laut UNO wird es mindestens 30 Jahre dauern, um die entstandenen Umweltschäden zu beseitigen.