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Vor 20 Jahren
Ottawa-Abkommen zur Ächtung von Landminen

Alltäglichkeiten wie Wasserholen, Feldarbeit oder Versteckspielen werden durch Landminen zur tödlichen Gefahr. Heute vor 20 Jahren wurde die Ottawa-Konvention unterzeichnet, die Antipersonenminen ächtete. Eingesetzt werden sie trotzdem bis heute. Und die Zahl der Minenopfer steigt wieder.

Von Monika Köpcke |
    Der kanadische Diplomat William Bowden (l.) überreicht dem kambodschanischen Minenopfer Tun Channareth 3.12.1997 in Ottawa eine Ausfertigung des Anti-Minen-Abkommens (Global Ban on Landmines Treaty) Abgesandte von 125 Staaten verabschiedeten tags darauf ebendort den Vertrag , der Produktion, Anwendung und Weitergabe der Minen verbietet. Die größten Minenproduzenten China, Russland, USA und Indien traten dem Abkommen nicht bei.
    Am 3. Dezember 1997 unterzeichneten 125 Staatsvertreter das Abkommen. Unter ihnen war auch der kanadische Diplomat William Bowden (l.), hier mit einem Minenopfer aus Kambodscha. (B2800_epa_AFP)
    "Es wird der Minenkörper aus dem Minentopf herausgeschleudert in eine Höhe von ungefähr 1,50 Meter. Sobald diese Höhe erreicht ist, kommt die Mine zur Wirkung, das heißt, sie explodiert und verstreut Splitter in einem Umkreis bis zu 50 Meter ohne toten Winkel umher."
    Claymore heißt das Modell, das der Bundeswehr-Hauptmann Igor Potocnik 1995 erläuterte: "Wir haben eine ähnliche Mine auch, kann auch mit Stolperdraht ausgelöst werden."
    Bis in die 90er nur halbherzige Beschränkungen
    Zu dieser Zeit lauerten an die 100 Millionen Minen in über 70 Ländern auf Feldern, Wegen oder in Wüsten. Auch als Hinterlassenschaften von Kriegen, die schon seit Jahrzehnten vorbei sind." Da, wo der Unfall passiert ist, war nichts markiert. Ich wusste nicht, dass es da Minen gibt. Sie werden durch den Sand bedeckt und wandern mit der Zeit. Aber wir Bauern müssen uns ja mit unserer Herde durch die Wüste bewegen." Dieser Mann verlor den linken Fuß an eine Mine, die italienische, britische oder deutsche Truppen während des Zweiten Weltkriegs im Nordwesten von Ägypten ausgelegt hatten.
    Ein Tretmine liegt auf dem Gelände des Kabuler Internationalen Airports. Das mit scharfen Munitionsresten übersäte Gebiet wird wegen seiner Gefährlichkeit auch "böses Land" genannt.
    Ein Tretmine auf dem Gelände des Kabuler Internationalen Airports. Das mit scharfen Munitionsresten übersäte Gebiet wird wegen seiner Gefährlichkeit auch "böses Land" genannt (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    1992 schlossen sich sechs Menschenrechtsgruppen zur 'Kampagne zum Verbot von Landminen' zusammen. Sie kannten das Elend der Minenopfer aus ihrer täglichen Arbeit. Über die Vereinten Nationen wollten sie das Ende dieser perfiden Waffe durchsetzen. Doch es kamen nur halbherzige Einschränkungen zustande, die zudem nur von wenigen Staaten unterzeichnet wurden:
    "Militärs sagten dann, ach, haha, ja, die haben uns also lächerlich gemacht und sind uns voller Hohn begegnet."
    "Politiker haben abgewunken: Das schafft ihr doch nie"
    Thomas Gebauer von der Gruppe Medico International gehörte zu den Mitbegründern der Anti-Minen-Kampagne: "Dann gab es Politiker, die genervt abgewunken haben und sagten: Das kommt doch überhaupt nicht in Frage, das schafft ihr doch nie. Und wir haben's dann doch gewagt."
    Die Kampagne mobilisierte die Öffentlichkeit, und das im großen Stil: Weltweit engagierten sich Hunderte NGOs und Millionen Bürger. Sie unterschrieben Petitionen, demonstrierten, gingen in die Schulen oder initiierten symbolische Aktionen wie kilometerlange Wäscheleinen mit einbeinigen Hosen oder riesige Pyramiden aus Schuhen.
    Schon bald machten sich auch einzelne Regierungen für die Kampagne stark. Auf Konferenzen in Wien, Bonn, Brüssel oder Oslo formierte sich eine wachsende Koalition. Jenseits der Genfer Abrüstungskonferenz, also an den Großmächten vorbei, wollte man das Minenverbot durchsetzen.
    Die Großmächte sind bis heute nicht dabei
    Am 4. Dezember 1997 war es so weit: 121 Länder unterzeichneten in Ottawa die Konvention zur Ächtung von Antipersonenminen. Der Botschafter Rüdiger Hartmann war für die deutsche Delegation dabei:
    "Für mich ist dieses Abkommen von Ottawa das erste, in dem der Ruf vom Volke ausgegangen ist." Das Abkommen verbietet den Einsatz, die Produktion, die Lagerung und die Weitergabe von Landminen. Die großen Militärmächte - die USA, Russland, China oder Indien - waren in Ottawa allerdings nicht dabei - und sind es bis heute nicht.
    Doch von den Unterzeichnerstaaten gingen viele mit gutem Beispiel voran und zerstörten ihren Minenbestand - noch bevor das Abkommen 1999 gültig wurde. Dazu Rüdiger Hartmann:
    "Dieses Abkommen von Ottawa hat den circulus vitiosus unterbrochen, der bisher bestand darin, dass mindestens genauso viele Minen, die geräumt wurden, gleichzeitig woanders wieder gelegt wurden. Inzwischen sind die Minen stigmatisiert."
    Vor allem Rebellengruppen setzen Minen weiter ein
    Nicht nur die Räumung, auch die Nachsorge für Minenopfer ist mit dem Vertrag von Ottawa eine internationale Aufgabe geworden. Und das Abkommen wirkte: Bis 2013 ging die Zahl der jährlichen Minenopfer um mehr als die Hälfte zurück.
    Eine Landmine im Jemen explodiert, eine Rauchwolke steigt auf, im Vordergrund ducken sich Menschen.
    Allen Ächtungen zum Trotz: Im Jemen sind durch Landminen in den letzten Jahren viele Menschen getötet worden. (SALEH AL-OBEIDI / AFP)
    Doch mit der gestiegenen Zahl der gewalttätigen Konflikte ist dieser Trend seitdem wieder rückläufig. Vor sechs Monaten sagte der afghanische Minister für Katastrophenschutz: "Die Zahl der Menschen, die Landminen zum Opfer fallen, ist immer noch sehr hoch: Rund 140 Menschen jeden Monat; über 60 Prozent davon sind Frauen und Kinder."
    Seit Jahren schon ist Afghanistan das Land mit den meisten Minenopfern. Dicht gefolgt von Libyen, Syrien, der Ukraine und dem Jemen. Vor allem Rebellengruppen setzen weiterhin auf diese heimtückische Waffe.