Beethovens einzige Oper ist ein Musik-Tatort, zugleich: Ideendrama, Hymne auf Leidenschaft und Treue. Das Stück über eine Häftlingsbefreiung erzählt die Leidensgeschichte einer Frau, die um ihre Liebe kämpft und dafür ihr Leben aufs Spiel setzt. Selbst der Komponist musste kämpfen. Vier Mal hat Beethoven angesetzt, um allein die richtige Ouvertüre zur Oper zu finden. Mehrere Fassungen des Stücks, das zuerst "Leonore" hieß, hat er ausprobiert, bevor die endgültige, die dritte Version in Wien am 23. Mai 1814 im Theater an der Wien erstmals aufgeführt wurde - nun mit dem Titel "Fidelio".
Beethoven hat mehrere Fassungen ausprobiert
Ein Kriminalfall beherrscht die Opernbühne. In Männerkleidern begibt sich eine Frau in das Staatsgefängnis von Sevilla, wild entschlossen, unter dem Decknamen Fidelio, im Alleingang, einen politischen Häftling zu befreien - ihren Ehemann, Florestan. Sein Erzfeind, der gewalttätige Gouverneur Don Pizzarro, will Florestan in seinem Verließ eigenhändig ermorden. Es kommt zum Showdown: Als der Gouverneur den Dolch zückt, gibt sich Fidelio als Frau zu erkennen und wirft sich gellend dazwischen: "Töt' erst sein Weib!" Es gibt keinen dramatischeren Augenblick in der an Erregungen wahrlich nicht armen Operngeschichte. Ein Trompetensignal von oben verkündet die Rettung.
"Fidelio" als Utopie für das 20. Jahrhundert
Die Uraufführungskritik in der Wiener Theater-Zeitung vom Mai 1814 huldigt freimütig dem Genie Beethoven.
"Die Musik zu dieser Oper ist ein tief gedachtes, rein empfundenes Gebilde der schöpferischsten Fantasie - der lautersten Originalität, des göttlichsten Aufschwungs des Irdischen in das unbegreifliche Himmlische."
Der Philosoph Ernst Bloch glaubt fest an Beethovens "Fidelio" als Utopie für das 20. Jahrhundert.
"Nirgends brennen wir genauer. Leid, wirre Hoffnung, Magie einer Treue ohnegleichen."
Opernregisseure heute zeigen noch immer gern den politisch-philosophischen Freiheitstraum Ludwig van Beethovens, der den Idealen der Französischen Revolution anhing. Der Spanier Calixto Bieito hat Beethovens "Fidelio" an der Bayerischen Staatsoper vor ein paar Jahren in eine zeitlose Bildmetapher der Kunstgeschichte gegossen, das Bild der Verworrenheit, Entfremdung, Ausweglosigkeit.
"Das Stück wollte ich nicht in einem Gefängnis stattfinden lassen, das hat uns heute nicht viel zu sagen. Ich lasse es in einem mentalen, philosophischen Gefängnis spielen, mit einem universellen Element, dem Labyrinth. Das Labyrinth führt mich direkt zu zwei Autoren, die das 21. Jahrhundert hervorragend reflektieren: Borges und Kafka."
Befreiung von Gewalt und Unterdrückung
Beethovens "Fidelio" ist ein Problemstück geblieben, an dem sich Generationen von Dirigenten und Regisseuren die Zähne ausgebissen haben. Das stilistische Problem lautet: Beethoven lässt seine Oper als Singspiel beginnen, aber vom Auftritt des düsteren Gefangenenchors an führt er das Stück ins Hochdramatische. Im Finale aber siegt das Pathos eines Oratoriums. Die unerhörte Tat der Liebe, die Befreiung von Gewalt und Unterdrückung, wird als Menschheitsutopie bejubelt.