„Wir, die Nachkommen der edlen und klugen Völker von Hellas, wir, die wir Zeitgenossen der aufgeklärten und zivilisierten Völker Europas sind, wir können um unserer Selbstachtung willen nicht länger das Joch der ottomanischen Macht ertragen, die uns seit mehr als 400 Jahren bedrückt.“
Mit diesen Worten wandte sich die griechische Nationalversammlung im Januar 1822 an die Völker Europas. Der bewaffnete Aufstand gegen die Osmanen dauerte damals schon zehn Monate. Initiiert hatte ihn die Filiki Eteria, die „Gesellschaft der Freunde“. In diesem Geheimbund griechischer Patrioten, der im russischen Odessa gegründet worden war, trafen sich Handwerker, Lehrer und vor allem Kaufleute, die in der prosperierenden Handelsschifffahrt eine wichtige Rolle spielten. Sie alle kränkte, dass sie als Christen im islamisch verfassten Osmanischen Reich den Muslimen untergeordnet waren. Dem hielten sie das Ideal eines liberalen griechischen Nationalstaats entgegen. Die militärischen Erfolge der schlecht ausgebildeten Kämpfer waren zunächst bescheiden. Aber da der Sultan mit anderen Konfliktherden beschäftigt war, breitete sich der Aufstand langsam aus.
Selbst-Vergewisserung als "Hellenen"
„Besonders wichtig ist aber, dass im Verlauf des Krieges dieser Bezug auf die Antike als Selbstentwurf auch für die einfachen Leute, für die Krieger, die sich anfingen, Hellenen zu nennen, eine immer größere Bedeutung bekam. Man kann auch sagen, dass überhaupt die Bewährung im Krieg die Leute überzeugte, dass sie imstande sind, diesen Namen zu führen", sagt der Historiker Nicolas Pissis von der Freien Universität Berlin.
Am Ende des ersten Kriegsjahres, befand sich ein Großteil der Peloponnes in den Händen der Revolutionäre, die nun klarmachten, dass es für sie zur Unabhängigkeit keine Alternative mehr gab. Am
20. Dezember 1821 trat im antiken Epidauros die erste griechische Nationalversammlung zusammen. Wobei: Eigentlich traf man sich im benachbarten Dorf Piada. "Aber", so Nicolas Pissis:
20. Dezember 1821 trat im antiken Epidauros die erste griechische Nationalversammlung zusammen. Wobei: Eigentlich traf man sich im benachbarten Dorf Piada. "Aber", so Nicolas Pissis:
„Für die öffentlichen Deklamationen der Versammlung, insbesondere, was das Ausland anging, wurde von Anfang an der Ort Epidauros aufgrund des antiken Gewichts vorgezogen. Das heißt, die Abgeordneten tagten im Freien, auf dem Platz dieses kleinen Dorfes, aber suggeriert wurde, dass hier die Institutionen des antiken Griechenlands, die demokratischen Institutionen, wieder ins Leben gerufen wurden.“
Internationale Solidarität für die griechischen Freiheitskämpfer
Dieses Bild fiel auch im Ausland auf fruchtbaren Boden, und das keineswegs nur bei den Philhellenen, für die die griechische Antike die Wurzel der europäischen Zivilisation war, so Nicolas Pissis:
„Für viele, sowohl der Freiwilligen, die nach Griechenland reisten und an der Seite der Griechen kämpften, als auch für diejenigen, die vor Ort zuhause zur Unterstützung der griechischen Sache aufriefen, war vielmehr die Bedeutung dieser Solidarität als ein Ventil für die politische Partizipation an sich zu verstehen. Das heißt, in diesem Kampf sah man die Möglichkeit, für diejenigen Ziele und Rechte zu kämpfen, die man für das eigene Land wünschte.“
Warum der griechische Freiheitskampf zu einer bayrischen Monarchie führte
Doch alle Unterstützung war nicht stark genug, um die Truppen des Sultans zu besiegen. Und als der Gouverneur der Osmanischen Provinz Ägypten, Mehmed Ali Pascha, eine Flotte zur Peleponnes schickte, schien die Niederlage der Revolution nur eine Frage der Zeit. Doch die europäischen Großmächte Russland, Frankreich und Großbritannien wollten die Herrschaft Mehmed Alis über Griechenland verhindern. In der Schlacht von Navarino wurde die Flotte des Paschas 1827 vernichtend geschlagen. Die Sieger beschlossen die Schaffung eines griechischen Staates – allerdings keiner Republik. Keine der Großmächte wollte eine Revolution unterstützen, die im Rest Europas Nachahmer finden könnte. So blieb nur eine Alternative: ein König musste her. Dazu Nicolas Pissis:
„Es war von Anfang an mehr oder weniger vorgesehen, dass ein ausländischer Prinz den griechischen Thron besetzen würde. Dass es Otto von Wittelsbach wurde, hatte zum einen damit zu tun, dass das bayerische Königshaus neutral war, das heißt nicht Frankreich, Großbritannien und Russland näherstehend, und dass es auch schwach genug war, keine imperialen Ambitionen mit dieser Wahl zu verbinden.“
Im März 1832 wurde der damals 16-jährige Otto von Bayern von der Nationalversammlung zum König von Griechenland gewählt. Zunächst herrschte er „von Gottes Gnaden“, doch elf Jahre später musste er dem Druck von Militär und Straße nachgeben und eine Verfassung akzeptieren. Erst 1973 wurde die Monarchie in Griechenland abgeschafft.