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Vor 200 Jahren geboren
Elias Howe - Erfinder der Nähmaschine

Elias Howe erfand die erste funktionsfähige Nähmaschine, lebte dennoch die meiste Zeit seines Lebens in bitterer Armut. Der Tüftler aus Massachusetts kämpfte lange gegen andere Hersteller, die seine Pläne abgekupfert hatten - am Ende behielt er im Patentstreit die Oberhand.

Von Irene Meichsner |
    Porträtaufnahme des amerikanischen Erfinders Elias Howe (1819-67)
    Genialer Erfinder, aber miserabler Geschäftsmann: Elias Howe (picture alliance / Glasshouse Images)
    "Er war ein grübelnder Kopf, dieser Elias Howe ... Er schlenderte bei den Schneidern umher und sah wieder und immer wieder der Procedur des Nähens mit einer Aufmerksamkeit zu, daß die Leute an seinem Verstande zu zweifeln begannen. Sie lachten laut auf, wenn er seufzend die Haufen zugeschnittener Tuchstreifen betrachtete, die sämmtlich eines und desselben Stiches bedurften, um sich zu Kleidern zusammenzufügen, und klagte, daß eine so einfache, so wenig Kraftaufwand erfordernde Manipulation nicht mittels einer Maschine bewerkstelligt werden könnte."
    Fünf Jahre lang hat Elias Howe, dessen Leben und Leiden ein Artikel in der "Gartenlaube" so anschaulich beschrieb, von seiner Nähmaschine geträumt, von der er hoffte, dass sie ihn aus seinem Elend würde befreien können.
    Menschliche Hand als Vorbild
    Howe, der am 9. Juli 1819 in Spencer in Massachusetts geboren wurde, hatte sich schon als Kind für Technik interessiert. Er hatte eine Ausbildung zum Mechaniker in einer Baumwollfabrik begonnen, war infolge einer landesweiten Wirtschaftskrise arbeitslos geworden und schließlich bei einem Hersteller von Präzisionsinstrumenten in Boston gelandet, wo er zufällig mit anhörte, wie ein Kunde zu seinem Chef sagte: "Wer eine Maschine erfände, die nähen kann, der wäre ein gemachter Mann!"
    Seitdem musste Howe unablässig an diese Maschine denken, von der er zunächst annahm, dass sie die Bewegung der menschlichen Hand nachahmen müsste.
    "Nachdem er sich Hunderte von Stunden fruchtlos mit dieser Idee beschäftigt hatte, kam ihm plötzlich der Gedanke, ob denn nicht ein anderer Stich möglich sei."
    Erste Konstruktion einer Doppelstich-Maschine
    1844 bastelte sich Howe, inzwischen als selbständiger Mechaniker niedergelassen, sein erstes Gerät, das die wesentlichen Merkmale einer modernen Nähmaschine besaß und, anders als bei früheren Versuchen mit solchen Apparaten, auch tatsächlich nähte. Es hatte einen Ober- und einen Unterfaden, die mit Hilfe eines "Schiffchens", wie man es von Webstühlen kannte, umeinander geschlungen wurden. Der so genannte Doppelstich ermöglichte eine "abgeschlossene Naht", erklärt Karin Hein vom Nähmaschinenmuseum im brandenburgischen Sommerfeld, das auch zwei Nähmaschinen aus der Werkstatt von Elias Howe beherbergt.
    "Eine abgeschlossene Naht ist eine Naht, die sich nicht wieder aufräufelt. Heute haben wir Spulen, kein Schiffchen mehr. Aber im Prinzip ist das immer noch die gleiche Verfahrensweise."
    Aufnahme einer Doppelsteppstich-Nähmaschine des amerikanischen Mechanikers Elias Howe aus dem Jahr 1845
    Nähmaschine von Elias Howe aus dem Jahr 1845 (akg / picture alliance)
    1846 bekam Howe ein Patent auf seine Nähmaschine. Sie schaffte 250 Stiche pro Minute - viel mehr als bei der Arbeit von Menschenhand. Trotzdem gelang es Howe nicht, die Schneider vom Nutzen seiner Erfindung zu überzeugen.
    "Die edlen Ritter von der Nadel erblickten in der Nähmaschine nur den sicheren Ruin ihres Gewerbes."
    Howe beschloss, sein Glück in England zu versuchen. Dort wurde er von einem Koffer-, Regenschirm-, Korsett- und Schuhfabrikanten übers Ohr gehauen, der ein Vermögen mit der Nähmaschine machte - während Howe leer ausging. Karin Hein:
    "Er war ein grandioser Konstrukteur, aber ein miserabler Geschäftsmann."
    Patentkrieg mit Singer
    Als Howe 1849 nach Amerika zurückkehrte, musste er feststellen, dass sich die Nähmaschine dort inzwischen großer Beliebtheit erfreute. Andere hatten seine Pläne abgekupfert, aber das wollte Howe nun doch nicht auf sich sitzen lassen.
    "Sofort begann er den Rechtsstreit gegen die Usurpatoren."
    Der Streit mit seinem mächtigsten Gegner, dem späteren "Nähmaschinenkönig" Isaac Merritt Singer, wuchs sich zu einem regelrechten "Patentkrieg" aus, der nicht nur vor Gericht, sondern auch in der Presse ausgefochten wurde.
    Am Ende siegte Howe. Singer musste ihm fortan Lizenzgebühren zahlen. Wie Pilze schossen Nähmaschinenfabriken damals aus dem Boden. Die Geräte waren teuer, doch viele Firmen boten Ratenzahlungen an, so dass sich auch Menschen, die ins soziale Abseits geraten waren, eine Nähmaschine leisten konnten. Zu denen, die davon besonders profitierten, gehörten Mütter unehelicher Kinder. Karin Hein:
    "Die Mütter hatten Arbeit, die konnten zu Hause nähen. ... Und dann haben die halt Tag und Nacht gearbeitet, bis sie ihre Nähmaschine eben bezahlt hatten und davon auch leben konnten! ... Und - da ziehe ich wirklich den Hut davor."
    Elias Howe konnte zufrieden sein. Viel Zeit blieb ihm allerdings nicht mehr, um den Wohlstand zu genießen, zu dem er schließlich doch noch gelangt war. Howe starb am 3. Oktober 1867 in Brooklyn im Alter von nur 48 Jahren.