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Vor 225 Jahren geboren
Ignaz Bösendorfer: Ein Leben fürs Klavier

Die Entwicklung vom Cembalo bis zum Konzertflügel war ein langer Weg, beschritten von Klavierbauern, die oft mit den großen Pianisten ihrer Epoche in Austausch standen. Einer von ihnen war Ignaz Bösendorfer, dessen Firma noch heute existiert und wie keine andere für die Tradition des Wiener Klavierbaus steht.

Von Beatrix Novy |
    Logo der Boesendorfer Piano-Manufaktur auf einem Piano in Wien.
    Ein Flügel der Wiener Klavierfabrik Bösendorfer. Ihr Gründer, Ignaz Bösendorfer, wurde zu einem Wiener Mythos. (picture-alliance / dpa / epa apa Fohringer)
    Wenn Franz Liszt seine Kompositionen spielte, fiel es ihm gar nicht ein, das Instrument zu schonen, das er gerade bearbeitete. Mit der Selbstvergessenheit des gefeierten Genies hämmerte er es zu Bruch - ein Pete Townshend des 19. Jahrhunderts. Und ein Förderer des Klavierbaus. Eine Firma profitierte besonders von den Eigenheiten des so begehrten wie gefürchteten Pianisten: Nur ein Bösendorfer-Flügel, hieß es damals, könne der Lisztschen Spielweise standhalten.
    Bösendorfer - einer der ganz wenigen Namen aus der großen Zeit des Klavierbaus, die bis heute Bestand haben. Und ein Wiener Mythos - begründet von Ignaz Bösendorfer. Geboren am 27. Juli 1794, war dieser Sohn eines Tischlers wie etliche andere auf den Gedanken gekommen, sein ererbtes Handwerk im florierenden Klaviersektor auszubauen. Allein in Wien hatte er um die 200 Konkurrenten.
    Alle profitierten sie von der enorm reichen Musikkultur Wiens. Dass hier die berühmtesten Komponisten lebten, gab dem Instrumentenbau Auftrieb, sagt Ferdinand Bräu, Chefkonstrukteur bei Bösendorfer:
    "Als Beispiel nur sei Beethoven genannt, der Musikstücke komponiert hat, wo dieser Tastenumfang noch gar nicht existiert hat, das heißt, er hat die Klavierbauer vor sich hergetrieben, Instrumente mit größerem Umfang zu bauen. Und in diese Szene sozusagen ist der Ignaz Bösendorfer hineingefallen."
    Er reiste fleißig ins Ausland, um anderer Länder Klaviere zu studieren; ins Ausland lieferte er seine eignen , an Kunden in Großbritannien, Ägypten, sogar Brasilien. Das Wiener Biedermeier, das in den repressiven Metternich-Jahren nach innen gerichtete unpolitische Familienleben mit Klavier, hatte die Branche beflügelt ; jetzt begann ihr internationaler Siegeszug. Überall in den Salons des aufstrebenden Bürgertums führten heiratsfähige Töchter mehr oder minder talentiert das Instrument vor, ohne das kein auf Ansehen bedachter Haushalt auskam. Heinrich Heine schätzte es nicht besonders:
    "Jenes Pianoforte, dem man jetzt nirgends mehr ausweichen kann, das man in allen Häusern erklingen hört, in jeder Gesellschaft, Tag und Nacht.
    "Damals hat sich eigentlich erst der richtige Konzertflügel entwickelt"
    Was Heine bedauerte, war der häusliche Abglanz einer boomenden Branche, die immer neue und bessere Tasteninstrumente hervorbrachte. Die Tafel- und Hammerklaviere der Epoche Beethovens mit ihren dünnen Saiten wurden abgelöst von stärkeren Instrumenten, fähig, immer größere Konzertsäle zu beschallen.
    "Damals, muss man sagen, hat sich eigentlich erst der richtige Konzertflügel entwickelt. Um die Instrumente mit mehr Dynamik auszustatten, hat man die Saitenzugkräfte erhöht, d.h. man hat auch dickere Saiten verwendet. Ca. 1840 hat man dann den Gussrahmen erfunden, wo man diese gewaltigen Zugkräfte ins Instrument einbauen konnte", sagt Ferdinand Bräu.
    Im 20. Jahrhundert endeten die Höhenflüge für die meisten Klavierbaufirmen. Zur selben Zeit, in der Ignaz Bösendorfer in Wien Karriere machte, wuchs in Deutschland ein mächtiger Konkurrent heran. Heinrich Engelhard Steinweg und seine Söhne gründeten mit demselben immensen Bürgerfleiß, aber auch mit besonders viel Sinn für Marketing das Unternehmen, das später Steinway hieß und es im globalen Wettbewerb an die Spitze brachte. Der kleinere Player Bösendorfer, heute unter dem Dach der Firma Yamaha, behielt sein Ansehen, den österreichischen Standort, seine Fans unter den großen Pianisten - und den legendären Bösendorfer-Klang. Und wie klingt der?
    "Das Besondere ist, dass man das sehr schwer beschreiben kann", so Bräu.
    Er ist warm, singend, zum Gesang einladend, nuancenreich und ein bißchen dunkler als ein internationaler Klang, sagt Ferdinand Bräu. Eben der Wiener Klang. Und der kann ja nur aus Wien kommen.