"Von den Flöten, die heute gespielt werden, sind sicherlich 99,9 Prozent 'Böhmflöten', alles andere hat sich nicht durchsetzen können, es hat sich nur das System von Theobald Böhm durchgesetzt."
Christoph Siewers, Holzblasinstrumentenmacher in Köln, hat sich auf die Fertigung moderner Querflöten spezialisiert - den Flötentyp, den der Erfinder und Komponist Theobald Böhm im 19. Jahrhundert entwickelt hat. Während seiner Lehrzeit in München hatte Siewers Gelegenheit, die Originalinstrumente aus der Werkstatt des Flötenbauers ausführlich zu studieren:
"Das hat man jahrelang oder Jahrzehnte nachher nie wieder gefunden, dass jemand so wirklich schöne Flöten gebaut hat. Das ist einfach ästhetisch, sie sind handwerklich sehr perfekt gebaut, die Proportionen der Klappen stimmen, die Materialien sind gut eingesetzt, er hat auch schöne Gravuren gemacht, das ist einfach sehr stimmig."
Erster Flötist des königlichen Isartortheaters
Theobald Böhm wurde am 9. April 1794 in München als Kind eines Goldschmieds geboren. Als ältestes von elf Geschwistern arbeitete er früh im väterlichen Betrieb mit. Hier erwarb er das technische Geschick, das ihm auch beim Flötenbau behilflich war. Denn der musikalisch hochtalentierte Junge begann schon bald, sich seine eigenen Instrumente zu bauen. Bereits mit 18 wurde er erster Flötist des königlichen Isartortheaters, sechs Jahre später wechselte er in die königliche Hofkapelle. Den Flötenbau gab er dabei nicht auf: 1828 eröffnete Böhm seine eigene Werkstatt.
Im Laufe der Jahre entwickelte er ein Instrument, das sich durch einen kräftigen Klang und ein ausgewogenes Klangbild von der viel leiseren Traversflöte unterschied: Fachleute nennen sie die 'Böhmflöte'. Neu daran war auch eine ausgefeilte Klappenmechanik, dank derer sich das Instrument virtuoser spielen ließ.
Mit seiner Neukonstruktion zog Böhm, der als einer der besten Flötisten Deutschlands galt, durch die Lande: Konzertreisen führten den "Paganini der Flöte" nach Wien, Prag, Dresden, Zürich, Venedig, London und Paris.
Nicht nur mit seinem Spiel, auch mit seinen eigenen Kompositionen konnte er die Vorzüge seines Instruments präsentieren, viele davon sind virtuose Variationen bekannter Melodien.
Böhm erhielt zahlreiche Anerkennungen
Dennoch stieß seine Erfindung zunächst auf Widerstand, denn die Musiker mussten ein neues Griffsystem erlernen. Und auch einige Dirigenten und Komponisten lehnten die moderne Flöte ab:
"Eine wahre Gewaltröhre" nannte sie etwa Richard Wagner entsetzt. "Am Anfang hat sich dieses System gerade in Deutschland überhaupt nicht durchgesetzt, es wurden bis zu den 50er Jahren in Deutschland auch noch in führenden Orchestern Flöten anderer Systeme, Schwedler und Meyer, gespielt, in Frankreich, England und Amerika hat sich das Böhm-System wesentlich schneller verbreitet. … In den anderen Ländern gab es nicht so eine lange Flötenbautradition, und ich glaube, die Flötenbaumeister in den anderen Ländern waren auch etwas innovationsfreudiger als die deutschen Flötenbauer. "
In seinen Fünfzigern, Mitte des 19. Jahrhunderts, erhielt Böhm zahlreiche Anerkennungen - bei den Industrie- und Weltausstellungen in München, Leipzig, London und Paris wurden seine Flöten mit Gold- bzw. Silbermedaillen ausgezeichnet. Neben dem Flötenbau machte Böhm weitere bedeutende Erfindungen, er entwickelte neue Ideen für Spieldosen und den Klavierbau ebenso wie ein Fernrohr zur Brandlokalisierung und ein chemisches Verfahren zur Eisenverhüttung.
Arbeit voller Hingabe
Als bescheiden und zurückhaltend, hilfsbereit und höflich beschrieben ihn viele Zeitgenossen. Bis in seine letzten Lebensjahre arbeitete er voller Hingabe an seinen Flöten, wie man seinen Briefen entnehmen kann:
"Sie sehen, dass ich, obwohl ich fast 75 Jahre alt bin, nicht in meinen Bemühungen nachgelassen habe, mein Instrument so perfekt wie möglich zu machen."
Am 25. November 1881 starb Theobald Böhm im Alter von 87 Jahren in seinem Geburtshaus in München.
"Das war wirklich ganz toll, dass jemand die Flöte völlig neu gedacht hat, dass nicht jemand versucht hat, die alten Flöten ein bisschen zu verbessern, sondern dass das wirklich eine komplette Neuentwicklung war, das hat es im Instrumentenbau nur ganz, ganz selten gegeben."