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Vor 225 Jahren
Olympe de Gouges tritt für die Rechte der Frauen ein

Am 14. September 1791 forderte die Feministin Olympe de Gouges die Gleichstellung von Mann und Frau. Ihre Deklaration "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" war zwar revolutionär, ihr wurde aber nur wenig Beachtung geschenkt. Erst 1970, mit Beginn der modernen Frauenbewegung, gewann sie an Bedeutung zurück.

Von Ruth Jung |
    Das Gemälde "Le petit diner" zeigt die französische Frauenrechtlerin Olympe de Gouges (1748-1793) mit einer Freundin.
    Das Gemälde "Le petit diner" zeigt die französische Frauenrechtlerin Olympe de Gouges (1748-1793) mit einer Freundin. (Imago)
    "Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete, ich eröffne diese Debatte über die Parität in einem Gefühl tiefer Bewegung. Heute spreche ich nicht nur als Justizministerin zu Ihnen mit dem Auftrag, Ihnen eine Verfassungsänderung vorzuschlagen. Heute spreche ich als Frau zu Ihnen, als Ministerin der Justiz, der die Ehre zuteil wurde, als erste Frau in Frankreich dieses Amt übernommen zu haben."
    Eine mutige Frauenrechtlerin zur Zeit der Französischen Revolution
    Vor der französischen Nationalversammlung plädierte Justizministerin Elisabeth Guigou 1998 mit Erfolg dafür, die paritätische Besetzung politischer Ämter in der Verfassung festzuschreiben. Mit einer Verspätung von über 200 Jahren würdigte die damalige Justizministerin zugleich eine radikale Vorkämpferin für die politischen Rechte der Frau: Olympe de Gouges.
    "Die Frau hat das Recht das Schafott zu besteigen, also muss sie auch das Recht haben, die Rednertribüne zu besteigen," so lautete de Gouges’ Credo.
    Als Marie Gouze wurde sie 1748 im südfranzösischen Montauban geboren. Früh verwitwet, zog es die junge Frau nach Paris, wo sie sich als Schriftstellerin etablieren wollte. 1789 wurde ihr erstes Theaterstück "Zamor und Mirza" an der Comédie Française aufgeführt. Das Stück, eine Anklage gegen die Sklaverei in den Kolonien, fiel beim Publikum durch.
    Olympe de Gouges aber hatte ihr Thema gefunden: War nicht auch die Frau wie eine Sklavin der Willkür des Mannes unterworfen? Nach dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 verfasste sie zahlreiche politische Pamphlete. Viele Frauen beteiligten sich an der Revolution. Das Prinzip der Égalité, wie es die im August 1789 verkündete "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" festhielt, reklamierten sie auch für sich. Zwei Jahre später jedoch musste Olympe de Gouges feststellen, dass die Revolution wohl den Despotismus der Feudalherren beseitigt habe, nicht aber die Herrschaft des Mannes über die Frau:
    "Mann, bist du fähig gerecht zu sein? Eine Frau stellt dir diese Frage (…) Sag an, wer hat dir diese selbstherrliche Macht verliehen, mein Geschlecht zu unterdrücken (…) Blind und aufgeblasen (…) fällt der Mann in diesem Jahrhundert der Aufklärung und Vernunft in gröbste Unwissenheit zurück und glaubt, despotisch über ein Geschlecht verfügen zu können, das alle intellektuellen Fähigkeiten besitzt", klagte de Gouges und veröffentlichte am 14. September 1791 ihre Déclaration des droits de la femme et de la Citoyenne, die "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin".
    "Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich an Rechten"
    Zwei Wochen zuvor war die Verfassung der konstitutionellen Monarchie proklamiert worden, mit der "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" als Präambel. Das nahm De Gouges zum Anlass für eine notwendige Korrektur:
    "Wir, Mütter, Töchter, Schwestern, Vertreterinnen der Nation, verlangen, in die Nationalversammlung aufgenommen zu werden. In Anbetracht der Tatsache, dass Unwissenheit (…) oder Missachtung der Rechte der Frauen die alleinigen Ursachen des öffentlichen Elends und der Korruptheit der Regierung sind, haben wir uns entschlossen, in einer feierlichen Erklärung die natürlichen, unveräußerlichen und heiligen Rechte der Frau darzulegen."
    "Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich an Rechten", lautet Artikel Eins ihrer Deklaration. In 17 Artikeln orientiert sich de Gouges an der Menschenrechtserklärung von 1789. Ihr geht es um die Gleichstellung von Frau und Mann, aber auch um frauenspezifische Anliegen, wie zum Beispiel das Recht, vom Mann die Anerkennung der Vaterschaft seiner unehelichen Kinder zu fordern. Mit diesem Text habe de Gouges ein eigenständiges Dokument geschaffen, urteilt die Rechtshistorikerin Ute Gerhard:
    "Weil sie Herrschaft und Gewalt gerade auch im Privaten, den Beziehungen zwischen Männern und Frauen angreift und damit einen Grundwiderspruch der bürgerlichen Gesellschaft aufdeckt."
    Ein unwürdiges Ende
    Erst die Frauenbewegung der 1970er-Jahre entdeckte dieses Dokument wieder. Die Rednertribüne durfte Olympe de Gouges nicht besteigen, wohl aber das Schafott: Am 3. November 1793 wurde die mutige Vordenkerin der Rechte der Frau von den jakobinischen Machthabern guillotiniert – sie habe vergessen, was sich für ihr Geschlecht ziemt, hieß es.