"Mein Name ist Tegtmeier. Mit der Familie fünf Mann hoch, die Oma auch noch mit bei, dann die zwei Kleine, die Susanne geht ja noch inner Schule, und die Elvira geht mit ein Gastarbeiter."
Die schwarze Schirmmütze, der Schnauzbart und ein breiter Ruhrpottslang waren sein Markenzeichen. Der Kumpel aus Gelsenkirchen trug sein Herz auf der Zunge, er verhedderte sich in seinen eigenen Sätzen, die er selten vollendete und schwadronierte fröhlich über die großen und kleinen Dinge des Lebens. Mit Adolf Tegtmeier hatte der Schauspieler Jürgen von Manger eine sympathische Kunstfigur erschaffen, die in den 1960er Jahren als Stimme des Kohlenpotts galt. Die Leute im Ruhrgebiet mochten ihn, denn Tegtmeier war einer von ihnen.
"Man muss im Leben Mensch bleiben, alles andere ist Kokolores."
Schon als Schuljunge auf der Bühne
Dabei stammte Jürgen von Manger weder aus dem Ruhrgebiet, noch aus der Arbeiterschicht. 1923 wurde er in Koblenz als Sohn eines Staatsanwaltes geboren und kam als Zehnjähriger nach Hagen. Schon in der Schule hatte er seinen ersten Auftritt in einer Wilhelm-Tell-Aufführung. Mit einem Notabitur und dem Werk des Satirikers Ludwig Thoma in der Tasche, musste er als Soldat an die Ostfront. Nach dem Krieg entschied er sich für eine Schauspiel- und Gesangssausbildung und stand bald in Hagen, Bochum und Gelsenkirchen auf der Bühne.
"Vom Theater aus machte man viele bunte Abende, und bei so 'ner Gelegenheit hab ich zum ersten Mal das Ruhrdeutsch gesprochen. Damals machten die Parteien so Hausfrauen-Nachmittage, ich glaube, es war anno '45 oder Anfang '46, und als ich in diesen Saal kam, hab ich mich plötzlich so geniert als junger Schauspieler, dass ich nicht mehr als Manger hochdeutsch redete, sondern so wie die Leute. Und die Frauen haben sich so gefreut, und damit war das geboren."
Jürgen von Manger lebte gerne im Ruhrgebiet, weil er die Freundlichkeit und Direktheit der Menschen dort mochte. Genauso sollte seine Bühnenfigur sein.
"Ich bin irgendwann auf Tegtmeier gekommen, weil es ein völlig durchschnittlicher Name ist. Wenn ich ihn, was weiß ich, Waschmaschinkowski genannt hätte, dann wäre es eine Pointenreiterei."
Erster deutschlandweit populärer Ruhrgebietskabarettist
Die Tegtmeier-Geschichten, erzählte Manger oft, müsse er gar nicht erfinden, die lägen auf der Straße, man müsse nur hinhören.
"Neulich sagte mir eine Nachbarin, die rühmte ein Hochzeitsmenü, also wat dat für'n Essen gab, vorweg so ne wunderbare Delegiertensuppe. Das kann man gar nicht erfinden."
Jürgen von Manger wurde der erste deutschlandweit populäre Ruhrgebietskabarettist. Wohlwollende Kritiker verglichen ihn mit Karl Valentin oder Kurt Tucholsky. Andere bezeichneten seinen Humor als zu trivial und seinen eigenwilligen Umgang mit der deutschen Grammatik sogar als beleidigend für die Bevölkerung der Ruhrregion. Doch die Leute kauften gut 150 000 Exemplare seiner "Stehgreifgeschichten" und 1966 erhielt Manger die erste Goldene Schallplatte. Sein makabrer Sketch vom "Schwiegermuttermörder" wurde zum Kabarett-Klassiker.
"Dann hab ich sie in den Keller getragen, und dann hab ich sie gesägt." – "Was haben Sie?" – "Weil unser Bollerwagen, da machte ich die Feststellung, dass sie noch nicht so schön drauf-passte. Und ich hatte ja denn drei Fuhren. Und dann hab ich sie im Rhein-Herne-Kanal, und da war se weg."
Serien wie "Tegtmeier klärt auf", "Mensch bleiben" und "Tegtmeiers Reisen" machten Jürgen von Manger zum Fernsehstar.
Stimme von Gollum in "Herr der Ringe"-Hörspiel
Außerdem wirkte er in mehr als 20 Hörspielproduktionen mit. Meistens spielte er in heute längst vergessenen Komödien. 1980 lieh der Komödiant dem goldgierigen Gnom Gollum in Tolkiens Fantasyroman "Der Kleine Hobbit" seine Stimme.
"Vielleicht setzt er sich dazu und schwatzt ein bisschen, mein Schatz! Dann fressen wir es, ja mein Schatz! Köstlich!"
Nachdem ein Schlaganfall sein Sprachzentrum gelähmt hatte, zog sich Jürgen von Manger aus der Öffentlichkeit zurück. Am 15. März 1994 starb er im Alter von 71 Jahren in Herne. Dort findet seit 1997 ihm zu Ehren der Satire-Wettbewerb für Bühnenoriginale "Tegtmeiers Erben" statt. Denn Jürgen von Manger gilt als der Vater der heutigen Ruhrgebiets-Kabarettszene.