Schon als Kind muss der 1908 im schweizerischen Winterthur geborene Max Bill recht eigensinnig gewesen sein: Die Eltern geben ihn in ein Erziehungsheim - wo der Sohn eines Eisenbahnbeamten kreatives Talent beweist. Aber "Künstler" kommt als Berufsziel nicht in Frage, der Vater besteht auf einer soliden handwerklichen Ausbildung als Silberschmied. Dort fällt Bill durch eigenwillige Arbeiten auf, die ihm - noch als Lehrling - eine Einladung zur legendären Internationalen Kunstgewerbemesse 1925 in Paris einbringen. Zurück in Zürich stößt der 17-Jährige auf eine Zeitschrift über das Bauhaus in Dessau: "Das Bauhaus hat natürlich besondere Attraktivität bekommen, weil ans Bauhaus Leute von überallher hingekommen sind."
Schlemmer, Klee, Kandinsky, Moholy-Nagy prägen Bill
Die Internationalität zieht den jungen Schweizer an - und eine enge Zusammenarbeit von bildenden Künstlern mit Handwerkern: Die Bauhaus-Gemeinschaft der Maler, Bildhauer, Architekten wird den Studenten von Oskar Schlemmer, Paul Klee, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy prägen. Ihre Vielfalt der Genres und Disziplinen findet sich im künstlerischen Lebenswerk - von Farbkompositionen der Ölgemälde, die auf musikalischen Harmonien beruhen, bis hin zur Skulptur, die eine mathematische Abstraktion wie das Möbiusband aufnimmt. In Dessau aber lernt der Tausendsassa vor allem, sein individuelles Talent in den Dienst einer gemeinsamen Sache zu stellen:
"Wenn man Bauhaus richtig versteht, nicht nur unter dem Siegel von ein paar Künstlern, die dort zufällig Lehrer geworden sind. Das Bauhaus ist natürlich immer noch irgendetwas, wo man sagt: Ja, die haben mal so etwas machen wollen – aber eigentlich erreicht hat man es ja zu jener Zeit nicht. Es wurde abgebrochen im Moment, wo es eigentlich vielleicht erst zum Tragen gekommen wäre."
Bill stellt in Paris mit Mondrian und Arp aus
Von diesem abrupten, 1933 durch die Nazi-Diktatur erzwungenen Ende des Bauhauses erfährt Max Bill in Paris, wo er zusammen mit berühmten Künstlern wie Piet Mondrian oder Jean Arp ausstellt. Zurückgekehrt in die Schweiz, setzt er sich für die deutschen Emigranten ein. Dieses politische Engagement hält Max Bill davon ab, nach Ende des Zweiten Weltkriegs seinem Freund und Lehrer Moholy-Nagy als Gründer des "New Bauhaus" in die USA zu folgen:
"Als er mich dann fragte, war es so, dass ich eigentlich den Eindruck hatte, es sei falsch nach Amerika zu gehen. Wir hätten genügend anderes zu tun hier in Deutschland. Und wegen diesem Anlauf ist dann auch diese Idee der Hochschule für Gestaltung in Ulm entstanden."
Architekt und Gründer der Ulmer Hochschule für Gestaltung
Als offenen, demokratischen Campus konzipiert Max Bill ab 1950 in Ulm die legendäre Hochschule für Gestaltung. Er ist nicht nur Gründungsdirektor, sondern auch Architekt der 1955 eröffneten Anlage. Das weitläufige Gelände mit Aula, Cafeteria, Vorlesungssälen und Werkstätten ist ein Ort der Begegnung von Professoren und Studenten, der Verzahnung von Theorie und Praxis. Dort sollen vielseitige Designer ausgebildet werden, die mehr im Sinn haben als nur den schönen Schein:
"Es braucht nicht Leute, die einfach einen Gegenstand frisieren, dass der ein bisschen hübscher aussieht, dass alle diese Dinge - auch die völlig unnötigen Dinge - verkauft werden."
Erster Lehrstuhl für Umweltgestaltung in Hamburg
Diese Absage an eine ausschließlich kommerzielle "Warenästhetik" stempelt Max Bill im Wirtschaftswunderland zum Außenseiter. Er kehrt in die Schweiz zurück, kommt aber 1967 zurück nach Deutschland und übernimmt in Hamburg den ersten Lehrstuhl für Umweltgestaltung.
"Sei es in Bezug auf Verkehr, sei es in Bezug auf Abfallverwertung, in Bezug auf Essgeschirr und auf Kochgeschirr und auf alles. Jeder einzelne Gegenstand, den wir der Umwelt zufügen, neu zufügen, und die ganze Produktion, die dahintersteht, die müsste man im Prinzip in den Griff bekommen."
Deshalb wird sein ausgeklügelt schlichter "Ulmer Hocker" aus Fichtenholz gefertigt, er dient als Sitzgelegenheit, Beistelltisch, Bücherregal, Rednerpult oder Leiterersatz. Für solche Weiterentwicklungen der Bauhaus-Tradition setzt sich Max Bill weltweit ein. Auf einer dieser Reisen bricht der Vorsitzende des Bauhaus-Archivs am 9. Dezember 1994 auf dem Berliner Flughafen zusammen und stirbt auf dem Transport ins Krankenhaus.