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Vor 25 Jahren in den Tiroler Alpen
Bergwanderer entdecken die Steinzeit-Mumie "Ötzi"

Ein Mord vor rund 5.300 Jahren in 3.200 Metern Höhe in den Ötztaler Alpen hat sich als Glücksfall für die Wissenschaft erwiesen. Das Eis konservierte den Toten, so dass Forscher erstmals Kleidung, Waffen und Werkzeuge eines Menschen der Jungsteinzeit detailliert untersuchen konnten. Heute vor 25 Jahren wurde "Ötzi" entdeckt.

Von Michael Stang |
    Eine Nachbildung der Ötzi-Mumie steht am 08.11.2013 in Herxheim (Rheinland-Pfalz) im Museum. Vor 5300 Jahren wurde Gletschermann "Ötzi" ermordet.
    Eine Nachbildung der Ötzi-Mumie. Vor 5300 Jahren wurde Gletschermann "Ötzi" ermordet. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Am 19. September 1991 machen sich Erika und Helmut Simon auf den Rückweg von einer Wandertour in den Ötztaler Alpen. Am Tisenjoch, im Grenzgebiet zwischen Österreich und Italien, entdecken sie auf 3.210 Metern Höhe einen männlichen Leichnam. Das deutsche Ehepaar vermutet zunächst, dass es sich um einen verunglückten Bergsteiger handelt. Die Behörden werden informiert.
    "Also, hier sehen wir das erste Foto vom Ötzi, das vom Helmut und von der Erika Simon gemacht wurde. Ich glaube, Ötzi liegt in einem Loch drinnen praktisch und, also in einer Mulde, und es ist eben nicht so leicht, ihn da herauszuziehen. Da man ja nicht wusste, dass das ein archäologischer Fund ist, ist hier natürlich nur der Gerichtsmediziner anwesend und der Bergrettungsdienst."
    Die Gletscherschmelze hatte den Oberkörper des Mannes freigegeben, den die Welt kurze Zeit später als "Ötzi" oder "Mann aus dem Eis" kennenlernen sollte. Vier Tage nach dem Fund wurde der Leichnam geborgen, erzählt Barbara Abrate bei einer Führung durch das Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen.
    "Leider wird die Leiche zu der Zeit eben ziemlich stark beschädigt, weil man eben da drauf schlägt und die linke Hüfte eigentlich fast zur Gänze zerschlägt."
    Ein Arm wurde gebrochen, damit der Körper in den Sarg passte. Schnell wurde klar, dass hier kein verunglückter Bergsteiger gefunden wurde, sondern eine archäologische Sensation zutage kam. Erste Untersuchungen an der Universität Innsbruck zeigten, dass der Mann einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war.
    Ein gerichtsmedizinisch geklärter Fall
    "Das Todesszenario ist ganz klar: Er wurde von einem Pfeil in den Rücken getroffen, so weit ist das gerichtsmedizinisch bewiesen. Der Tod ist durch Blutverlust eingetreten. Ursache ist die Schussverletzung und die Verletzung der Arterie in der Achselhöhle", sagt "Ötzis" langjähriger Chefkonservator Eduard Egarter-Vigl. Auf Röntgenaufnahmen entdeckten die Forscher eine Pfeilspitze, die noch in der Schulter steckte. Datierungen ergaben ein Alter von 5.300 Jahren. Damit ist "Ötzi" nicht nur die älteste Gletschermumie der Welt, sondern auch – Dank des Permafrostes und der hohen Feuchtigkeit - die am besten erhaltene.
    "Ja … und die Mumie liegt da drüben …"
    Mehr als 130.000 Besucher kommen jedes Jahr nach Bozen. Im Museum können sie den gefrorenen Leichnam in einer speziellen Kühlkammer durch ein kleines Sichtfenster anschauen. Die Temperatur der eisigen Grabkammer liegt bei minus sechs Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit bei 99 Prozent.
    "Jetzt … wenn man genau schaut … auf dem rechten Knöchel kann man eine Tätowierung entdecken, und zwar sieht man da drei schwarze Striche, die nebeneinander liegen. Er hat 60 Tätowierungen."
    Weil Ötzi plötzlich aus dem Leben gerissen wurde, konnten Archäologen seine damalige Umwelt rekonstruieren, an die er bestens angepasst war. Er trug einen Grasumhang, einen Mantel aus Ziegenleder, eine Mütze aus Bärenfell und Lederschuhe mit der Fellseite nach Innen. Er besaß ein Kupferbeil und hatte Pfeil und Bogen bei sich. Nicht nur Archäologen lieferte Ötzi neue Einblicke in die Jungsteinzeit, sondern auch Genetikern, sagt Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumien und den Iceman, ein privates Forschungsinstitut der Europäischen Akademie in Bozen, das extra für die Forschungsfragen rund um die Gletschermumie gegründet wurde. Mittlerweile konnte sogar Ötzis Erbgut entschlüsselt werden.
    Erkenntnisse zur Populationsgenetik
    "Die Qualität ist sehr gut, wir haben eigentlich alle Bereiche abgedeckt, also die ganzen wichtigen Chromosomen, und das Y-Chromosom haben wir praktisch auch vollständig erfasst, was für uns sehr wichtig ist, um eben noch einmal eine genauere Aufschlüsselung zu haben über die Populationsgenetik, also über die Entwicklung der Bevölkerung von vor 5.000 Jahren bis in die heutige Zeit hinein."
    Die Mumie gilt als eine der am gründlichsten untersuchten Leichen aller Zeiten. Wissenschaftler wissen nun, dass Ötzi mit rund 46 Jahren starb, er war keine 1,60 Meter groß, wog 50 Kilogramm, hatte Schuhgröße 38, braune Augen und Blutgruppe Null. Er zeigte viele altersbedingte Erkrankungen wie Bandscheibenverschleiß, Gefäßverkalkungen und Arthritis. Er litt unter Borreliose, hatte Flöhe, Würmer und Fußpilz. Seine letzte Mahlzeit, die er rund 20 Minuten vor seinem gewaltsamen Tod eingenommen hatte, bestand aus Steinbockfleisch mit Getreidebrei.
    "Der Mann überlebt uns alle – das ist sicher. Wir müssen halt für die nachfolgenden Wissenschaftsgenerationen versuchen, diesen Körper so zu erhalten, dass Forschungen mit den Möglichkeiten, die in der Zukunft die Naturwissenschaft schaffen wird, er noch einigermaßen in gutem Zustand ist."