Freundinnen und Freunde unserer Grünen Bewegung! Ich begrüße Sie alle im Namen des Bundesvorstandes, zur Delegiertenversammlung der sonstigen politischen Vereinigung Die Grünen, die zugleich die Gründungsversammlung der politischen Partei Die Grünen werden soll.
Herbert Gruhl ist ein konservativer ökologischer Politiker, der sich vorgenommen hat, das zu bekämpfen, was wir heute Globalisierung nennen würden: Die "Vereinheitlichung" der Welt ist ihm ein Graus, ebenso wie der Raubbau an den natürlichen Ressourcen, die er in seinem Bestseller "Der Planet wird geplündert" anprangert. Er sucht neue Wege aus der Krise.
Wenn man feststellt, dass die bisherige Wachstumspolitik aller Industrieländer in Ost und West in die Katastrophe führt, dann hat man wohl das Recht, erst mal gegen etwas zu sein, nämlich gegen diese Katastrophenpolitik. Dass es sehr schwer ist, nun in allen Einzelheiten eine Alternative dagegen zu setzen, das ist uns alles sehr bewusst. Weil wir weder das kommunistische Modell akzeptieren können, weder das kapitalistische, was uns jetzt hier in die Sackgasse führt, wir müssen da was Neues suchen!
Nicht rechts, nicht links, sondern geradeaus!
Auf diesen Slogan bringen die Parteigründer ihren Willen, zusammenzufügen, was beim besten Willen nicht zusammenzupassen scheint: Bunte Listen, Alternative, bereits gegründete grüne Landesverbände, maoistische K-Gruppen, aber auch Sozial- und Christdemokraten, sogar "Öko-Faschisten" genannte Blut-und-Boden-Reaktionäre sind in Karlsruhe dabei. Plötzlich verlangen auch noch 254 so genannte autonome Delegierte Einlass und Stimmrecht - sie müssen vor der Tür bleiben und das Geschehen in einem Kinosaal per Monitor verfolgen. Dort wird zäh und unermüdlich um Präambel und Satzung gerungen. Die Linken wollen das Wort Revolution in der Präambel nicht streichen, die Gemäßigten bestehen auf der Evolution, um die Gesellschaft zu ändern. Die Versammlung zerfällt in Lager, die sich erbitterte Wort- und Abstimmungsschlachten liefert. Beschwörend versucht der ökologische Vordenker und DDR-Dissident Rudolf Bahro, zu retten, was zu retten ist.
Das Schicksal einer grünen Partei zum jetzigen Zeitpunkt wird entscheidend vom Niveau ihrer inneren Kommunikation und Toleranz abhängen. (Applaus) Um vorn heraus zu kommen, muss es gelingen, die ihrer Herkunft nach heterogenen Elemente zusammen zu führen.
Beobachter des Parteitages berichten von einem bisher nie da gewesenen Chaos: Linke und Gemäßigte stritten um die Frage, ob Mitglieder der Grünen sich zusätzlich in anderen Parteien engagieren dürften. Das Verbot der Doppelmitgliedschaft, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, war gegen die K-Gruppen nicht durchzusetzen. Bald zerflatterte die Versammlung in diskutierende Kleingruppen, das Präsidium war überfordert, der Parteitag stand kurz vor dem Scheitern. Die Süddeutsche Zeitung zog ein vernichtendes Resümee:
Wer den Gründungskongress der Grünen erlebt hat, dem muss die Vorstellung, die Entscheidung über eine neue Regierung, ja gar die innen- und außenpolitische Handlungsfähigkeit einer Bundesregierung solle im Zweifel von dieser Organisation abhängen, grelle Alpträume verursachen.
Am Ende entschied der Fahrplan der Bundesbahn. Kurz vor der Abfahrt des letzten Zuges nach Norddeutschland, in der Hektik allgemeinen Aufbruchs, stimmte eine Mehrheit dafür, dass die Landesverbände alle offenen Fragen übergangsweise "autonom" entscheiden. In letzter Minute wurde noch einmal eine Abstimmung improvisiert.
Wer diesem Gründungsbeschluss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen (Stimmen) - Gegenstimmen bitte! - Die Mehrheit ist da! (Jubel, Applaus) Nach diesem Abstimmungsergebnis muss ich feststellen, dass sich die Grünen als Bundespartei gegründet haben. (Bravo!)
Im Durcheinander der letzten Minuten des Karlsruher Kongresses konstituierten sich die Grünen am 13. Januar 1980 als Bundespartei. Die Delegierten fielen sich vor Erleichterung in die Arme und eilten zum Bahnhof. Dass der Partei noch ein Vorstand, ein Programm und eine Wahlmannschaft fehlte, war egal. Die etablierten Politiker belächelten die neue Partei: Man traute ihr bestenfalls zu, der sozialliberalen Koalition bei den Bundestagswahlen die Stimmen wegzunehmen, die dann Franz-Josef Strauß zur Macht verhelfen würden. Man hielt die Grünen für eine Modeerscheinung - die man bald wieder vergessen könnte. Der Baden-Württembergische Ministerpräsident Lothar Späth verwettete sogar sein Gehalt darauf.
Ich hab gesagt, nach vier Jahren ham mer die los, und war bereit, ein Gehalt dafür zu verwenden, ich hab den verloren, ich hab die Wette bezahlt...
Der schlechte Eindruck des Gründungsparteitages mag mitverantwortlich dafür sein, dass die Grünen 1980 nur kümmerliche anderthalb Prozent erreichten. Drei Jahre später aber, 1983, gelang ihnen der Sprung in den Bundestag - mit 5,6 Prozent der Wählerstimmen.
Herbert Gruhl ist ein konservativer ökologischer Politiker, der sich vorgenommen hat, das zu bekämpfen, was wir heute Globalisierung nennen würden: Die "Vereinheitlichung" der Welt ist ihm ein Graus, ebenso wie der Raubbau an den natürlichen Ressourcen, die er in seinem Bestseller "Der Planet wird geplündert" anprangert. Er sucht neue Wege aus der Krise.
Wenn man feststellt, dass die bisherige Wachstumspolitik aller Industrieländer in Ost und West in die Katastrophe führt, dann hat man wohl das Recht, erst mal gegen etwas zu sein, nämlich gegen diese Katastrophenpolitik. Dass es sehr schwer ist, nun in allen Einzelheiten eine Alternative dagegen zu setzen, das ist uns alles sehr bewusst. Weil wir weder das kommunistische Modell akzeptieren können, weder das kapitalistische, was uns jetzt hier in die Sackgasse führt, wir müssen da was Neues suchen!
Nicht rechts, nicht links, sondern geradeaus!
Auf diesen Slogan bringen die Parteigründer ihren Willen, zusammenzufügen, was beim besten Willen nicht zusammenzupassen scheint: Bunte Listen, Alternative, bereits gegründete grüne Landesverbände, maoistische K-Gruppen, aber auch Sozial- und Christdemokraten, sogar "Öko-Faschisten" genannte Blut-und-Boden-Reaktionäre sind in Karlsruhe dabei. Plötzlich verlangen auch noch 254 so genannte autonome Delegierte Einlass und Stimmrecht - sie müssen vor der Tür bleiben und das Geschehen in einem Kinosaal per Monitor verfolgen. Dort wird zäh und unermüdlich um Präambel und Satzung gerungen. Die Linken wollen das Wort Revolution in der Präambel nicht streichen, die Gemäßigten bestehen auf der Evolution, um die Gesellschaft zu ändern. Die Versammlung zerfällt in Lager, die sich erbitterte Wort- und Abstimmungsschlachten liefert. Beschwörend versucht der ökologische Vordenker und DDR-Dissident Rudolf Bahro, zu retten, was zu retten ist.
Das Schicksal einer grünen Partei zum jetzigen Zeitpunkt wird entscheidend vom Niveau ihrer inneren Kommunikation und Toleranz abhängen. (Applaus) Um vorn heraus zu kommen, muss es gelingen, die ihrer Herkunft nach heterogenen Elemente zusammen zu führen.
Beobachter des Parteitages berichten von einem bisher nie da gewesenen Chaos: Linke und Gemäßigte stritten um die Frage, ob Mitglieder der Grünen sich zusätzlich in anderen Parteien engagieren dürften. Das Verbot der Doppelmitgliedschaft, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, war gegen die K-Gruppen nicht durchzusetzen. Bald zerflatterte die Versammlung in diskutierende Kleingruppen, das Präsidium war überfordert, der Parteitag stand kurz vor dem Scheitern. Die Süddeutsche Zeitung zog ein vernichtendes Resümee:
Wer den Gründungskongress der Grünen erlebt hat, dem muss die Vorstellung, die Entscheidung über eine neue Regierung, ja gar die innen- und außenpolitische Handlungsfähigkeit einer Bundesregierung solle im Zweifel von dieser Organisation abhängen, grelle Alpträume verursachen.
Am Ende entschied der Fahrplan der Bundesbahn. Kurz vor der Abfahrt des letzten Zuges nach Norddeutschland, in der Hektik allgemeinen Aufbruchs, stimmte eine Mehrheit dafür, dass die Landesverbände alle offenen Fragen übergangsweise "autonom" entscheiden. In letzter Minute wurde noch einmal eine Abstimmung improvisiert.
Wer diesem Gründungsbeschluss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen (Stimmen) - Gegenstimmen bitte! - Die Mehrheit ist da! (Jubel, Applaus) Nach diesem Abstimmungsergebnis muss ich feststellen, dass sich die Grünen als Bundespartei gegründet haben. (Bravo!)
Im Durcheinander der letzten Minuten des Karlsruher Kongresses konstituierten sich die Grünen am 13. Januar 1980 als Bundespartei. Die Delegierten fielen sich vor Erleichterung in die Arme und eilten zum Bahnhof. Dass der Partei noch ein Vorstand, ein Programm und eine Wahlmannschaft fehlte, war egal. Die etablierten Politiker belächelten die neue Partei: Man traute ihr bestenfalls zu, der sozialliberalen Koalition bei den Bundestagswahlen die Stimmen wegzunehmen, die dann Franz-Josef Strauß zur Macht verhelfen würden. Man hielt die Grünen für eine Modeerscheinung - die man bald wieder vergessen könnte. Der Baden-Württembergische Ministerpräsident Lothar Späth verwettete sogar sein Gehalt darauf.
Ich hab gesagt, nach vier Jahren ham mer die los, und war bereit, ein Gehalt dafür zu verwenden, ich hab den verloren, ich hab die Wette bezahlt...
Der schlechte Eindruck des Gründungsparteitages mag mitverantwortlich dafür sein, dass die Grünen 1980 nur kümmerliche anderthalb Prozent erreichten. Drei Jahre später aber, 1983, gelang ihnen der Sprung in den Bundestag - mit 5,6 Prozent der Wählerstimmen.