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Vor 25 Jahren starb Bernhard Heiliger
Vom Breker-Schüler zum Bonner Staatskünstler

Mit einem radikal modernen Gestus, abstrakt und figurativ zugleich, traf der Bildhauer Bernhard Heiliger einen Nerv im Nachriegsdeutschland - und wurde zu einer Art Staatskünstler der jungen Bundesrepublik. Den Beginn seiner Künstlerlaufbahn ließ er aber gern unter den Tisch fallen.

Von Jochen Stöckmann |
    Eine schwarzweiß Fotogrfie zeigt den Bildhauer Bernd Heiliger vor Skulpturen in seinem Atelier.
    Der Bildhauer Bernhard Heiliger um 1961 in seinem Atelier in Berlin-Dahlem, zuvor das Atelier Arno Brekers (IMAGNO)
    "In der Zeit – ’50/’51 – auf meinem weiteren Weg zur Selbstfindung dachte ich, man sollte doch auch noch mal mit dem Kopf etwas probieren. Und dann habe ich den Hofer, da war ich gerade mit ihm im Gespräch, gesagt: Hofer, ich mache einen Kopf von Ihnen. Der schlug wie eine Bombe ein. Schon bald danach wollten viele Museen den Kopf haben."
    So erinnert sich Bernhard Heiliger. Die Büste Karl Hofers erweist sich 1951 als Meilenstein für den Bildhauer, 1915 in Stettin geboren, hat er als frisch berufener Professor in Berlin den Direktor der Hochschule für bildende Künste nicht einfach realistisch abgebildet, sondern aus stark reduzierten Grundformen ein archetypisches, gerade deshalb auf den ersten Blick wiedererkennbares Porträt geschaffen. Mit diesem Balanceakt versöhnt Heiliger die durch Propagandakunst der Nazis desavouierte figurative Ausdrucksweise mit der Abstraktion der westlichen Moderne. Das kommt gut an in der jungen, ästhetisch wie kulturpolitisch noch unsicheren Bundesrepublik.
    Plötzlich, erinnert sich Heiliger, "kamen auch Leute aus der Wirtschaft und wollten von mir so einen Kopf haben. Ich habe dann noch zwei gemacht, den Nordhoff – und Theodor Heuss. Das konnte ich gar nicht ablehnen. Aber damit war schon mein Bedarf gedeckt, da hatte mich schon längst etwas ganz anderes interessiert."
    Mit der Büste des VW-Generaldirektors Heinrich Nordhoff illustriert der "Spiegel" 1959 eine Titelgeschichte. Aber während seine Porträts zum idealen Ausdruck und Aushängeschild des Wirtschaftswunders avancieren, widmet sich der umtriebige Bildhauer abstrakten, zunehmend technoid wirkenden Großplastiken.
    Schwarzweiß Fotografie von Bern Heiliger  vor seiner Skulptur 
"Mensch und Fortschritt" die er  im Auftrag der Bundesregierung geschaffen hat und die vor dem deutschen Pavillon installiert wurde. Am 17. April 1958 wurde in der belgischen Hauptstadt Brüssel die erste Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet. 
    "Mensch und Fortschritt" : Bernd Heiligers Skulptur für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel (dpa)
    Die sanft kugeligen und krallenförmig-aggressiven, in den Himmel gereckten oder am Boden dahingestreckten Gebilde erobern den öffentlichen Raum von Berlin und Bonn, in Hannover, Bremen oder Stuttgart. Namen – und damit auch Interpretationen – seiner Arbeit findet Heiliger erst nachträglich: Mit "Phönix", "Echo", "Flamme" oder "Figurenbaum" können sich viele identifizieren, vom Technikpropheten bis hin zum Umweltschützer.
    Bauhaus-Ideen im Schatten des NS
    Dazu Bernhard Heiliger: "Diese Symbiose zwischen Natur und Technik, wenn man das schafft, dass man die Naturabläufe vom Menschen, Baum bis hin zum Mikro- und Makrokosmos, wenn man das in einen Griff kriegt, nur da kann überhaupt eine Aussage gefunden werden, für uns heute."
    Studium bei Arno Breker
    Diese konsequent moderne Haltung überrascht bei einem Künstler, der seine Ausbildung 1933, mit der Machtergreifung der Nazis, begonnen hat. Heiliger beruft sich auf Kurt Schwerdtfeger, der ihm als Lehrer an der Werkschule in Stettin fortschrittliche Bauhaus-Ideen nahegebracht hat, gegen alle Zensur und Zwangsmaßnahmen.
    Doch es gibt einen anderen Künstler, dessen Namen Bernhard Heiliger zeitlebens, bis zu seinem Tod am 25. Oktober 1995, ausblendet: 1938 in Berlin hat er sich als Kunststudent bei Professor Arno Breker eingeschrieben, dem von Hitler persönlich privilegierten NS-Staatskünstler. Breker sorgt dafür, dass Heiliger 1942 vom Kriegsdienst befreit wird, um ihm als Assistent zuzuarbeiten. Diese Episode streicht der Bildhauer aus dem Gedächtnis, für ihn beginnt seine Künstlerlaufbahn erst in der "Stunde Null", 1945 mit der Befreiung Berlins durch die Alliierten, erinnert sich Heiliger:
    "Bereits ’47/’48 bildeten sich die ersten Galerien hier. Und vor allen Dingen, man lernte die anderen Mitkünstler kennen: Werner Heldt, Karl Hartung, Uhlmann, Trökes. Man traf sich ja fast alle paar Tage bei den Amerikanern, die alle ihre schönen Häuser hatten, hier in Dahlem, und die uns tatsächlich auch früh schon gekauft haben."
    Nazikunst - Schreddern und einschmelzen! Das ist keine Kunst!
    Nachdem mehrere Helden-Skulpturen von Nazi-Künstlern gefunden wurden, streiten Juristen, Kunstkenner und Politiker was damit geschehen soll. Einschmelzen und Spielgeräte für Kinder daraus bauen, meint unser Kommentator Stefan Koldehoff.
    Im Villenviertel Dahlem nimmt der junge Bildhauer 1949 sein eigenes Domizil in Beschlag, es ist das ehemalige, vom NS-Staat aufwendig ausgebaute Atelier seines früheren Lehrers Arno Breker. Wenige Jahre später gilt Bernhard Heiliger ebenfalls als Staatskünstler, allerdings nur inoffiziell. Denn in einer Demokratie, so meint Heiliger, ergibt sich das ganz ohne Zutun der Politik:
    "Aufträge in dem Sinne habe ich wenig gemacht. Die Dinge, die ich jetzt mache und schon seit langem mache, die mache ich für mich – und die kann man dann in den öffentlichen Raum stellen, wo immer sie passen. Und das passt eigentlich fast immer."