"Zusammengefasster, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen. Ich begreife recht gut, wie er - GEGEN die Welt WUNDERLICH stehen muss."
Kurbad Teplitz in Böhmen, Juli 1812: Johann Wolfgang von Goethe begegnet Ludwig van Beethoven und berichtet seiner Ehefrau Christiane. Es erstaunt ihn die stolze Widersetzlichkeit Beethovens. Und dieser missbilligt, so hat er beobachtet, den artigen, ja devoten Umgang Goethes mit Menschen aus dem Adelsstand. Deutlich die Distanz beider. Beethovens Charakter, sein republikanisch freier Geist, der selbst vor fürstlichen Förderern niemals einknickt, strahlt in seine Musik hinein. So sind ihm die stürmischen Ideale der französischen Revolution seit den Jugendtagen lebendig.
Kurbad Teplitz in Böhmen, Juli 1812: Johann Wolfgang von Goethe begegnet Ludwig van Beethoven und berichtet seiner Ehefrau Christiane. Es erstaunt ihn die stolze Widersetzlichkeit Beethovens. Und dieser missbilligt, so hat er beobachtet, den artigen, ja devoten Umgang Goethes mit Menschen aus dem Adelsstand. Deutlich die Distanz beider. Beethovens Charakter, sein republikanisch freier Geist, der selbst vor fürstlichen Förderern niemals einknickt, strahlt in seine Musik hinein. So sind ihm die stürmischen Ideale der französischen Revolution seit den Jugendtagen lebendig.
Pathetisch, provokant, humoristisch, schroff
Nicht immer einfach, Beethoven aus unserer Distanz zu erkennen. Zweieinhalb Jahrhunderte nach dem Tauftag in Bonn, am 17. Dezember 1770, nicht überliefert das Geburtsdatum, sind die Klischees noch in Kraft. Also: für Elise und der Titan, Eroica, Schicksalssymphonie und Freude schöner Götterfunken. Im banalen Pathos droht Beethovens philosophische Kunst, ihre Humanität, unterzugehen. In der achten Symphonie tritt der Humorist Beethoven als Provokateur auf die Bühne, der schroffe Beethoven.
Warum berührt uns der emphatische Charakter der Musik Beethovens? Eines Künstlers, der im galanten 18. Jahrhundert aufwuchs, in Wien noch bei Joseph Haydn studierte und mit genialem Eigensinn das nächste Jahrhundert fesselte. Doch der junge Virtuose am Klavier, der die Wiener verzauberte, er litt schon als Dreißigjähriger an der beginnenden Taubheit. Diese Lebenskatastrophe musste er seinen beiden Brüdern anvertrauen – der Brief ist sein "Heiligenstädter Testament".
"Welche Demütigung, wenn jemand neben mir stund und von weitem eine Flöte hörte und ich nichts hörte, oder jemand den Hirten singen hörte und ich auch nichts hörte. Solche Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung – es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben."
Konversationshefte und Einsamkeit
Beethoven blieb in Wien, Musik schreiben war sein Leben - freilich mit Krankheiten und Alltagsverdruss, zermürbt vom Streit um das Sorgerecht für den schlimmen Neffen. Sich verzehrend für Klavierschülerinnen, die er nicht heiraten durfte. Er träumte von Reisen nach Paris, London – ja, ganz Europa hörte seine Symphonien, Sonaten und Quartette.
Doch die privaten Gespräche des Ertaubten mit Freunden bedurften der verfluchten Konversationshefte. Beethoven wurde einsam, nur seine Musik wirkte jetzt wie befreit - unergründlich, verdichtet in ihrer inneren Welt. Er wusste: "Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie."
Nach der Neunten Symphonie mit ihrem Menschheitsappell der Freude zerbricht Beethoven alle Konventionen. In den späten Musikwerken zertrümmert der wie befreit wirkende Künstler alle noch so gültigen Sonatensatzregeln. Es folgen solche Wunder wie die letzten Klaviersonaten und Streichquartette, die mächtige Missa solemnis, die tollkühnen Diabelli-Variationen und die Große Fuge. Mit alldem findet Beethoven, der am 26. März 1827 stirbt, zu einer Musik der Tiefe und Kraft des Geistes, die erst die Zeitgenossen der Zukunft entziffern.