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Vor 250 Jahren wurde Wang Zhenyi geboren
Eine große Forscherin der Astronomie

In der Geschichte der Astronomie werden vor allem die Männer wahrgenommen: Namen wie Kopernikus, Kepler, Galilei und Newton sind allgemein bekannt. Die Frauen dagegen sind zumeist vergessen. Zu ihnen gehört auch die chinesische Astronomin und Mathematikerin Wang Zhenyi, die vor 250 Jahren geboren wurde.

Von Dirk Lorenzen |
    Morgen früh südlich von Australien: Sonnenuntergang mit Biss
    Wang Zhenyi beschäftigte sich viel mit Sonnen- und Mondfinsternissen, die sie ganz praktisch demonstrierte (Stellarium)
    "Wenn es um das Lernen und die Wissenschaften geht, denken viele Leute nicht an Frauen. Wir Frauen sollen nur kochen und nähen, jedoch keine Fachartikel oder Gedichte schreiben und uns nicht mit Geschichte oder Kalligrafie beschäftigen."
    Die chinesische Mathematikerin und Astronomin Wang Zhenyi kämpfte zeitlebens nicht nur für wissenschaftlichen Fortschritt, sondern auch für gleiche Bildungschancen von Männern und Frauen. Ihre Karriere war Ende des 18. Jahrhunderts in China mindestens so ungewöhnlich wie sie in Europa gewesen wäre.
    "Aber alle Menschen, Männer wie Frauen, haben denselben Antrieb sich zu bilden."
    Sie erklärte Sonnen- und Mondfinsternisse ganz praktisch
    Wang Zhenyi durchbrach die Rollenmuster ihrer Zeit und ging wie selbstverständlich einer wissenschaftlichen Tätigkeit nach. Zhenyi, geboren 1768 in Nanjing, hatte sich schon früh viel mit Astronomie, Mathematik und Poesie beschäftigt, gefördert von Eltern und Großeltern. Auch ohne formales Studium prägte sie die mathematische und astronomische Forschung ihrer Zeit. Für Aufsehen sorgte ihre korrekte Erklärung von Sonnen- und Mondfinsternissen, die sie ganz praktisch demonstriert hatte, wie es ein Zeitzeuge beschrieb:
    "Der große, runde Tisch in ihrem Gartenpavillon stellte die Erde dar. Als Sonne diente die Kristalllampe an der Decke. Und ein kleiner Handspiegel war der Mond. Nun bewegte sie den Spiegel so um den Tisch herum, wie der Mond um die Erde läuft. Mal war der Spiegel im Schatten der Erde, dann kam es zu einer Mondfinsternis. Mal warf der Spiegel selbst seinen Schatten auf die Erde und verursachte so eine Sonnenfinsternis."
    Zwar konnten die Astronomen Chinas schon lange vor Wang Zhenyi viele Vorgänge am Himmel präzise berechnen; dennoch galt der Kosmos meist als etwas eher Mystisches, das man nicht direkt der Naturwissenschaft zurechnete. Das streng rationale Vorgehen der jungen Forscherin war geradezu revolutionär – und sie arbeitete oft bis an den Rand der Erschöpfung.
    "Es gab Zeiten, in denen ich seufzend den Stift beiseite gelegt habe. Aber ich liebe die Wissenschaft so sehr. Ich gebe nicht auf."
    Eine sehr moderne Herangehensweise
    Entdeckte Wang Zhenyi Fehler in alten Werken, so korrigierte sie die Berechnungen oder setzte alles daran, ein noch ungelöstes Problem in den Griff zu bekommen. Binnen weniger Jahre entstand so mehr als ein Dutzend Bücher über Astronomie und Mathematik.
    Der Zeitzeuge: "In ihrem Werk ‚Beobachtungen der Formen und Figuren‘ hat sie die Positionen der Sterne am Himmel und die Stellung der Erde als Teil des Kosmos beschrieben. Für Wang Zhenyi war die Erde eine Kugel im Weltall. Und sie erklärte, welche Folgen die langsame Kreiselbewegung der Erdachse für die Beobachtung des Himmels hat."
    Wang Zhenyi zeichnete sich durch eine sehr moderne Herangehensweise aus. Nüchtern wog sie ab, welche Idee oder welches Modell besser die Phänomene am Firmament beschreiben konnte. So begeisterte sie sich für den westlichen Kalender, der damals in China zwar schon lange bekannt war, aber noch immer bei vielen Gelehrten auf Ablehnung stieß.
    "Bei einem Kalender zählt allein die Nützlichkeit. Es ist egal, ob er chinesisch ist oder nicht! Der westliche Kalender richtet sich nach der Sonne und nicht mehr nach dem Mond. Damit ist er viel präziser, und wir sollten den Kern dieses Kalenders übernehmen!"
    Sie starb im Alter von nur 29 Jahren
    Für ihre Ansichten wurde sie oft belächelt – in der männerdominierten Welt der Naturwissenschaft und Philosophie hatte es eine Frau nicht leicht. Doch Wang Zhenyi wusste diese Attacken selbstbewusst zu kontern:
    "Ich glaube, dass Frauen wie Männer sind. Wer sagt, dass nicht auch Töchter heroisch sein können?"
    Über ihr privates Leben ist wenig bekannt. Überliefert ist, dass sie verheiratet war, die Ehe aber kinderlos blieb. 1797 starb Wang Zhenyi im Alter von nur 29 Jahren. Viele ihrer Werke gingen verloren, und sie selbst geriet fast völlig in Vergessenheit. Im Jahr 1994 hat die Internationale Astronomische Union ihr eine Ehre erwiesen: Denn seitdem heißt auf dem Planeten Venus ein gut 20 Kilometer großer Krater "Wang Zhenyi".