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Vor 275 Jahren
Geburtsstunde des Gewürzhändlers Pierre Poivre

Am 5. Februar 1745 geriet der junge Franzose Pierre Poivre in der Nähe des heutigen Sumatra in eine Seeschlacht. Sie veränderte sein Leben – aus dem Missionar wurde ein Botaniker und Gewürzschmuggler, der das weltweite Handelsmonopol der Niederländer auf Muskatnüsse und Nelken brach.

Von Maike Rademaker |
    Porträt eines unbekannten Künstlers des Botanikers und Gewürzhändlers Pierre Poivre, Druck in "Magasin Pittoresque" aus dem Jahr 1872
    Vom Missionar zum Gewürzhändler: Pierre Poivre (Mary Evans Picture Library)
    Als Pierre Poivre Mitte Januar 1745 mit der "Dauphin" in See stach, um zurück in sein Heimatland Frankreich zu fahren, war offen, wie es in seinem Leben weitergehen würde. Poivre, 1719 in Lyon geboren, war in Frankreich als Missionar ausgebildet worden und hatte gerade in China und Vietnam seine ersten Erfahrungen gesammelt. Aber das Missionieren gefiel ihm nicht, und er gefiel den Missionaren nicht: sie verbannten ihn aus ihrem Orden. Poivre wollte zurück nach Europa. Doch am 5. Februar 1745 geriet sein Schiff in eine Seeschlacht mit den Engländern - und sein Leben nahm eine entscheidende Wende.
    "Als ich mich allein auf der Galerie und mit nichts als einer Pistole in der Hand dem vollen Feuer eines Kriegsschiffes von sechsundsechzig Kanonen ausgesetzt fand, zog ich mich auf das Vorderschiff zurück. Nachdem ich von dort einige Schüsse auf das andere feindliche Kriegsschiff abgegeben hatte, riss mir eine Kanonenkugel, die von Steuerbord durch die Kapitänskajüte gekommen war, den rechten Arm ab."
    Dies schrieb er in seinen Reisenotizen. Mit dieser schweren Verletzung war Poivre nicht transportierbar. Man ließ ihn als Gefangenen in der nahe gelegenen niederländischen Kolonie und Handelsmetropole Batavia. Das konnte kein Zufall sein, meinte Poivre später:
    "Der Unfall, in den ich geriet, scheint ein unmissverständliches Zeichen Gottes zu sein, dass ich dieser ersten Berufung nicht folgen soll."
    Gefangenschaft als Wende in Poivres Leben
    Denn in der Gefangenschaft entdeckte er sein Lebensthema: die Aufzucht und den Anbau von Gewürzen. In den Monaten seiner Genesung wollte er herausfinden, wie die Niederlande ihren Handel mit den wertvollen Muskatnüssen und Nelken organisierten. Beide Gewürze waren in Europa überaus beliebt und sehr teuer.
    Die Niederländer organisierten diesen Handel äußerst effizient: Um den Verkaufspreis hoch zu halten, waren Anbau und Handel streng reglementiert, Gewinnmargen von über tausend Prozent garantiert. Nur auf zwei Inseln - auf Ambon und Ai - wurde gepflanzt, nicht genehmigte Plantagen abgebrannt und Händler, die an Fremde verkauften, bestraft. Aber es gab eine Lücke im System: Die Gewürze wuchsen auch auf anderen Inseln der Molukken:
    "Man könnte sie ganz einfach und ohne Risiko mit einem guten Schiff holen und zu den verschiedenen Kolonien transportieren, die wir in den heißen Zonen haben. Ich habe letztlich gelernt, dass dieser Reichtum an Gewürzen, der die Machtbasis der Holländer in Indien ist, nur auf der Ignoranz und der Feigheit der anderen Handelsnationen in Europa beruht."
    Forscher und Gewürzeschmuggler
    Die Idee, Gewürzpflanzen zu schmuggeln, war nicht neu. Niemand aber verfolgte sie so beharrlich wie Poivre nach seiner Freilassung. Als er 1766 zum Verwalter der französischen Kolonien Ile de France und Bourbon - heute Mauritius und La Réunion - ernannt wurde, brach er immer wieder zu den Molukken auf, um nach Setzlingen von Muskatnuss- und Gewürznelkenbäumen zu suchen. Bei manchen Reisen schaffte er es, einzelne Pflanzen nach Mauritius zu bringen - aber ihr Anbau schlug fehl, weil die Gärtner sie schlecht pflegten:
    "Ich glaube, dass die Pflanzen nur dann gedeihen werden, wenn ich sie auf meine Kosten, mit meinen Kenntnissen, unter meinen Augen kultivieren kann, auf einem Gelände, das mir gehört und wo ich bestimme, wer mit mir arbeitet."
    Die meisten seiner Reisen blieben erfolglos: Immer wieder fehlte Geld für die teuren Exkursionen, stoppten Stürme seine Schiffe oder behinderten Kritiker eine erneute Ausfahrt. Erst am 25. Juni 1770 erreichte Poivre sein Ziel: Schwer beladen lief die von ihm über ein Jahr zuvor entsandte "Etoile du Matin" in den Hafen von Port Louis auf Mauritius ein. An Bord seien 450 junge Muskatnusspflanzen, alle sehr grün und mit Knospen, sowie 10 000 Muskatnüsse, größtenteils gekeimt, und 70 Nelkenpflanzen, stellte ein königlicher Beamter fest. Das Gewürzmonopol der Niederländer war gebrochen.
    Bis Ludwig XVI. die erste französische Muskatnuss erhielt, vergingen noch Jahre - Muskatnussbäume tragen spät Früchte. Pierre Poivre lebte da bereits wieder in Lyon. Er starb, hochgeachtet, 1786.