Der Auslöser war ein Verkehrsunfall: Am 8. Dezember 1987 war ein israelischer Lastwagen im Gazastreifen mit zwei Autos zusammengestoßen und hatte vier Palästinenser getötet. Als sich das Gerücht verbreitete, der Unfall sei die Rache für einen kurz zuvor erstochenen Israeli gewesen, schmissen Jugendliche Steine gegen die Armee, diese reagierte mit Tränengas. Die Situation eskalierte, im ganzen Gazastreifen entlud sich die Wut auf die seit 20 Jahren bestehende israelische Besatzung. Bald tauchten Flugblätter auf, die den Aufstand, die Intifada, unterstützten. Es war die Geburtsstunde der Hamas, so die Nahost-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Muriel Asseburg.
"In der Regel wird das auf den 14. Dezember 1987, an diesem Datum festgemacht, dass das nicht das erste Flugblatt, sondern, soweit ich weiß, das zweite Flugblatt war, das die Hamas rausgebracht hat, in der sie aber unter dem Namen Hamas tatsächlich operiert hat."
Hamas ist ein Akronym für "islamische Widerstandsbewegung" und zugleich arabisch für "Eifer". Die Gründungsväter der Organisation wie Scheich Ahmed Yassin gehörten der Muslimbruderschaft an. Diese war 1928 in Ägypten ins Leben gerufen worden – mit dem Ziel, die Kolonialmächte im Nahen Osten mit Hilfe des Islam zu vertreiben.
"Das war die Grundidee: man muss zu den Wurzeln der Religion zurückkehren, man muss eine Gesellschaft, die tatsächlich religiös und dadurch stark ist, begründen und erst auf dieser Basis kann man erfolgreich gegen Fremdherrschaft vorgehen."
Eine Organisation, die eine ganz andere Richtung haben sollte
Seit Mitte der 40er Jahre hatte die Muslimbruderschaft in den palästinensischen Gebieten Moscheen errichtet und sich um Kranke und Arme gekümmert.
"Die 1. Intifada war tatsächlich der Anlass für die Leute um Ahmad Yassin in der Muslimbruderschaft herum, zu sagen, wir machen jetzt eine neue Organisation, die eine ganz andere Richtung haben soll, nämlich politische Arbeit und den bewaffneten Kampf."
Wenige Monate später erschien die Charta der Hamas, die das Selbstverständnis der Bewegung formulierte: "Die Islamische Widerstandsbewegung glaubt, dass Palästina allen Generationen der Muslime bis zum Tag des Jüngsten Gerichts als islamisches Land vermacht ist. Palästina darf weder als Ganzes noch in Teilen aufgegeben werden."
Ein Anspruch, den Hamas-Chef Ismail Haniyeh bei einer Kundgebung in Gaza-Stadt vor acht Jahren noch einmal bestätigte: "Wir sagen heute im Namen unseres palästinensischen Volkes in der Heimat, im Asyl und in der Diaspora: Die Hamas-Bewegung wird sich weiterhin niemals von der Linie des Widerstands und des Dschihads zurückziehen, bis sie für unser Volk das verwirklicht: seine Freiheit, seine Rückkehr und seine Unabhängigkeit im Namen Gottes."
Ein Anspruch, den Hamas-Chef Ismail Haniyeh bei einer Kundgebung in Gaza-Stadt vor acht Jahren noch einmal bestätigte: "Wir sagen heute im Namen unseres palästinensischen Volkes in der Heimat, im Asyl und in der Diaspora: Die Hamas-Bewegung wird sich weiterhin niemals von der Linie des Widerstands und des Dschihads zurückziehen, bis sie für unser Volk das verwirklicht: seine Freiheit, seine Rückkehr und seine Unabhängigkeit im Namen Gottes."
Als Terrororganisation eingestuft und boykottiert
Es sind diese Worte und zahlreiche Anschläge in Israel, die dazu führten, dass die Hamas von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft und boykottiert wird. Doch der alleinige Fokus auf den Terror verstellt den Blick darauf, warum die Palästinenser bei den Wahlen 2006 mehrheitlich für die Hamas und damit gegen den Friedensprozess mit Israel stimmten.
"Ganz essentiell war, dass viele Palästinenser den Ansatz der Fatah als gescheitert ansehen, Israel anzuerkennen, den Ansatz, sich auf Verhandlungen zu beschränken und nicht auf Gewalt, weil die Palästinenser sehen, das hat ihnen kein Ende der Besatzung gebracht, und das hat sie überhaupt nicht ihrem Ziel eines unabhängigen Staates näher gebracht, es hat nicht mal dazu geführt, dass sich die konkreten Lebensverhältnisse vor Ort nachhaltig verbessert haben."
Außerdem, so Asseburg, habe sich die Hamas seit ihrer Gründung verändert. Obwohl sich die Organisation nach wie vor weigere, Israel anzuerkennen, gebe es auch Stimmen für eine Zwei-Staaten-Lösung. Statt jeglichen Kontakt mit der Hamas abzulehnen, müsse man mit ihr reden, so die Nahost-Expertin.
"Es wäre sinnvoll gewesen, von Anfang an zu versuchen, Kontakte aufrechtzuerhalten, und jetzt ist es umso mehr der Fall, weil es darum geht, die Elemente in der Hamas, die moderate Positionen vertreten, die die Organisation hin auf einen Pfad führen, der tatsächlich bereit ist zu langfristiger friedlicher Koexistenz, zu unterstützen."
Oder wie es die liberale israelische Tageszeitung Haaretz nach dem Wahlsieg der Hamas formulierte: "Es gibt keinen anderen Weg, die Infrastruktur des Hasses abzubauen als das ständige Suchen nach Dialog, wer immer der Partner sein möge."