Salzburg, Sommer 1989. Die Festspiele eröffnen mit Giuseppe Verdis Oper "Un ballo in maschera". Die Proben am Dirigentenpult leitet der gebürtige Salzburger Herbert von Karajan - im Großen Festspielhaus, das er 1960 eröffnet hatte. Der 81-Jährige ist von zerbrechlicher Gesundheit. Gleichwohl hat er Verdis tragischen "Maskenball" schon für die CD produziert. Es folgt das Bestürzende: Herbert von Karajan stirbt, kurz vor der Salzburger Premiere, am 16. Juli 1989 in Anif bei Salzburg. Ein Dirigentenleben endet, wie es so einschneidend, so spektakulär kaum eines gegeben hatte.
Die Vermutung liegt nahe, dass Karajans plötzlicher Tod und das Zerwürfnis mit den Berliner Philharmonikern in Verbindung stehen, mit jenem Orchester, das der Dirigent in dreieinhalb Jahrzehnten als künstlerischer Leiter zum Welterfolg geführt hatte. Die schwere Krise eines Gleichklangs schwelte seit langem. Am Ende war es Karajan selbst, der den Schlussstrich zog, drei Monate vor seinem Tod.
Von den Nazis gefördert
"Herbert von Karajan ist noch immer ein unversöhnlich umstrittener Dirigent": Die Karajan-Biografie von Peter Uehling beginnt mit dem Befund eines Zwiespalts: hier der Klangästhet vollendeter Orchesterkultur, dort der seine Medienmacht und seinen Ruhm inszenierende Manager der Musik. Die Karriere des am 5. April 1908 Geborenen ist in der Tat von polarisierender Effektivität – mit Kapellmeisterstationen in Ulm und in Aachen, mit dem kometenhaften frühen Aufstieg in Berlin, wo ihn die Nazis, deren Partei er beitrat, gegen den regime-störrischen Wilhelm Furtwängler aufs Podest hoben. Ein Rezensent schwärmte da vom "Wunder Karajan". Nach dem Krieg die Serie von Triumphen – in London und Wien, in Berlin und Mailand, in Luzern und in Salzburg. Karajan war für viele der Musikdirektor Europas.
Kein Fan der Moderne
Im Zentrum von Karajans Weltbild: Ludwig van Beethoven. Vier Mal hat er alle neun Symphonien den Schallplatten anvertraut, traditionell in opulenter Klangfülle. Sein Repertoire umfasste den Kanon der deutsch-österreichischen, der russischen und der französischen Sinfonik. Reserviert seine Neigung zur Moderne. In der Oper, in Wien oder bei seinen Salzburger Osterfestspielen dirigierte er am liebsten Mozart und Verdi, Wagner und Richard Strauss. Wie ehrgeizig, furios Karajan mit den Berliner Philharmonikern an der Verfeinerung der Klangbilder arbeiten konnte, zeigen seine Orchesterproben.
Technische Perfektion - und mehr Ausdruck im Alter
Wolfgang Stresemann, bei den Berliner Philharmonikern zwanzig Jahre der Intendant, glaubte an Karajan als einen Künstler,
"... der ein Dirigiergenie, aber nicht unbedingt ein tiefschürfender Musiker war. Der Maestro, der von der technischen Perfektion ausging, gewann in höherem Alter spürbar an Ausdruckskraft wie auch an einer gewissen Innerlichkeit."
Davon zeugt Karajans spätes Neujahrskonzert mit den Wiener Philharmonikern 1987. Ein ganzes Leben konnte da Revue passieren, eine Wienerische Melancholie fernab von Berlin musste den betagten Dirigenten ergreifen mit dem Walzercharme des Johann Strauss.
Davon zeugt Karajans spätes Neujahrskonzert mit den Wiener Philharmonikern 1987. Ein ganzes Leben konnte da Revue passieren, eine Wienerische Melancholie fernab von Berlin musste den betagten Dirigenten ergreifen mit dem Walzercharme des Johann Strauss.