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Vor 30 Jahren
Uwe Barschels Tod als Zäsur für Schleswig-Holstein

In einer Hotel-Badewanne in Genf wurde vor 30 Jahren der CDU-Politiker Uwe Barschel tot aufgefunden. Die Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt. Sicher ist aber, dass der Name Barschel bis heute für einen der größten politischen Skandale der Bundesrepublik steht.

Von Johannes Kulms |
    Der CDU-Politiker und frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel, im September 1987 bei einer Präsidiumssitzung der CDU in Bonn
    Der CDU-Politiker und frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel, im September 1987 bei einer Präsidiumssitzung der CDU in Bonn (imago/Dieter Bauer)
    Raum 115 im ersten Stock des Kieler Landeshauses wirkt ein wenig rummelig: Eine rote Couch, zwei blaue Sessel. Dazu mehrere Schreibtische mit einem halben Dutzend Computerbildschirmen.
    Mittendrin sitzt Emma Broockmann. Die 14-jährige Schülerin macht gerade ein zweiwöchiges Praktikum bei der Grünen-Landtagsfraktion. Gefragt nach dem Namen 'Uwe Barschel' hält die Teenagerin kurz inne und denkt nach:
    Broockmann: "Gehört ja, ich weiß jetzt aber nichts über ihn …, dass er irgendwie tot ist oder ermordet wurde oder irgendwie sowas – mal gehört, nie gemerkt."
    Heute hat die Grünen-Landtagsfraktion in dem Eckturmzimmer mit Blick auf die Kieler Förde das Sagen. Im August 2006 war das noch ganz anders: Bis damals war dieser Raum 115 Sitz des Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten.
    Nicht nur die Grenzen zwischen Legislative und Exekutive waren fließend, wie die Barschel-Affäre zeigte. Auch die zwischen Partei und Land sowie zwischen Politik und Medien.
    "Starke Verschmelzung zwischen Parlament, Regierung und Journalisten"
    Karl-Martin Hentschel saß für die Grünen von 1996 bis 2009 im Kieler Landtag, war viele Jahre Fraktionschef:
    "In diesem Haus saß oben auch die Presse. Die aßen zusammen in der Kantine, die trafen sich auf dem Flur. Es war sozusagen eine so starke Verschmelzung zwischen Parlament, Regierung und Journalisten, wie man das sonst überhaupt nicht kennt."
    Heute regieren die Grünen im Kieler Landeshaus mit FDP und CDU zusammen, unter der Führung von Ministerpräsident Daniel Günther. Für Hentschel endgültiger Beweis, dass die Barschel-Affäre vieles verändert hat im Land zwischen den Meeren:
    "Also, 30 Jahre nach Barschel ist die CDU mit Günther wahrscheinlich endlich da angekommen, dass sie – also nicht nur der Ministerpräsident, sondern auch zumindest Teile der Partei – begriffen haben, dass ihnen dieses Land nicht gehört. Sondern dass sie eine Partei unter mehreren sind."
    SPD-Herausforderer Björn Engholm sollte mit üblen Tricks zu Fall gebracht werden
    Rückblick: Im September 1987 berichtet das Magazin 'Der Spiegel', dass aus der Staatskanzlei heraus versucht wurde, den SPD-Herausforderer Björn Engholm im Landtagswahlkampf mit üblen Tricks zu Fall zu bringen. Engholm sei bespitzelt worden, gefälschte Unterlagen über den SPD-Politiker seien an die Steuerfahndung gereicht worden, zudem sollte Engholm als homosexuell geoutet werden, so der Spiegel.
    Der damalige Ministerpräsident Uwe Barschel wies die Vorwürfe, dass er persönlich verstrickt sei, zurück. Die Worte sind auch bundesweit im Gedächtnis geblieben:
    "Mein Ehrenwort – ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort."
    Uwe Barschel weist bei einer Pressekonferenz am 18. September 1987 mit einem "Ehrenwort" alle Beschuldigungen zurück. - Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) wird nach den neuesten Erkenntnissen aus dem "Schubladenausschuss" über die Kieler Affäre von 1987 "posthum" zum Teil entlastet. Danach kann nicht bewiesen werden, dass Barschel 1987 den Auftrag für die von seinem Referenten Reiner Pfeiffer im Wahlkampf gegen Björn Engholm (SPD) organisierten Aktionen gab. Selbst eine bloße Mitwisserschaft Barschels an der Bespitzelung des damaligen Oppositionsführers sei nicht belegt.
    Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel weist bei einer Pressekonferenz am 18. September 1987 mit einem "Ehrenwort" alle Beschuldigungen zurück. (dpa)
    Ein zweiter Untersuchungsausschuss stellte 1993 fest: Es lässt sich nicht beweisen, dass Barschel Urheber der Aktionen war. Allerdings hatte der CDU-Politiker seine Mitarbeiter zu Falschaussagen gedrängt und von der Steueranzeige gegen Engholm gewusst.
    Es sei schwierig, Parallelen zwischen der heutigen CDU und jener Partei in den Barschel-Jahren zu ziehen, sagt Daniel Günther. Seit dreieinhalb Monaten ist der 44-Jährige nun Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Auch er sieht einen veränderten Umgang zwischen den Parteien.
    "Da wundern sich manche, wie kollegial wir hier miteinander arbeiten"
    Erst vor wenigen Wochen hat der Landtag mit großer Mehrheit dafür gestimmt, den Familiennachzug für anerkannte Flüchtlinge zu erleichtern. Bis auf die AfD stimmte auch die Opposition mit.
    Günther: "Ich weiß es von vielen, die hierherkommen und uns auch beobachten, wie wir im Landesparlament miteinander umgehen, da wundern sich manche, wie kollegial wir hier miteinander arbeiten. Ich find' das auch absolut positiv. Und ich glaube, dass das auch eine der Lehren ist, die wir aus der damaligen Zeit gezogen haben. Denn die Hürden zwischen den Parteien waren ja aus dieser Zeit heraus aber auch aus der Zeit davor viel höher als in anderen Bundesländern."
    Ähnlich sieht es auch Ralf Stegner. Vor 1987 sei es anders gewesen:
    "… wo man eigentlich als Sozialdemokrat nicht mal Schulleiter werden konnte in Schleswig-Holstein, weil man nicht der Machtpartei angehört hat. Solche Formen von Machtmissbrauch gibt es heute erfreuerlicherweise nicht mehr."
    Gleichzeitig sieht der SPD-Fraktions- und Landeschef die Gefahr, dass sich der Umgang zwischen den Parteien im Parlament nach dem Einzug der AfD verändern könnte.
    Stegner: "Die Gefahr besteht durchaus. Zumal die ja fast in allen Parlamenten sind und im Bund ja auch. Und teilweise ja mit Leuten aus der Führung, die sich einer Nazi-Sprache bedienen und solche Dinge tun. Das kann schon das Klima vergiften, aber es liegt an den demokratischen Parteien, dass wir solche Dinge nicht zulassen."