Der russische Zar Peter der Große war höchst zufrieden, als er am 28. November 1716 seinen Staatsbesuch beim preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. beendete.
"Der König hat mich großzügig beschenkt: mit einer in Potsdam prachtvoll ausgestatteten Yacht und auch einem Bernsteinkabinett, das wir uns schon lange gewünscht haben."
"Das waren jetzt keine Freundschaftsakte, sondern das hatte eine ganz klare diplomatische Bedeutung." Denn, so die Osteuropahistorikerin Gertrud Pickhan von der FU Berlin, die beiden Monarchen hatten bei diesem Treffen ihre Freundschaft bekräftigt und versprochen, sich im Großen Nordischen Krieg gegen Schweden gegenseitig zu unterstützen, um ihre militärischen Interessen im Ostseeraum zu wahren.
Mehr diplomatischer Akt als freundschaftliches Geschenk
"Man könnte das Bernsteinzimmer als … ein sichtbares Zeichen dieser Verbindung zwischen diesen beiden neuen, aufstrebenden europäischen Großmächten sehen, dass es auch um Allianzen und Bündnisse in dieser letzten Phase des Großen Nordischen Krieges ging, und dass ja mit Peter dem Großen ein neuer Player in diesem europäischen Machtkonzert aufgetaucht war. Preußen ging es um Pommern und Stettin, das vorher in schwedischer Hand war", sagt Gertrud Pickhan.
Als Gegenleistung für dieses wertvolle Präsent versprach der kunstliebende russische Herrscher dem Preußenkönig 55 Soldaten für seine Elitegarde, "die langen Kerls". Die preußische Staats-Yacht, war zwar militärisch bedeutsamer für den Zaren. Doch wurde das Bernsteinzimmer wegen seiner abenteuerlichen Geschichte in den folgenden 300 Jahren zum Mythos und zu einem Symbol für die wechselhaften deutsch-russischen Beziehungen.
Die Fertigstellung dauerte rund drei Jahrzehnte
Friedrich I., der Vater des Soldatenkönigs, hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts bei dem Bildhauer und Architekten Andreas Schlüter den Bau eines Zimmers in Auftrag gegeben, dessen Wände und Einrichtung komplett mit Bernstein verkleidet sein sollten. Der Preußenkönig starb bereits vor der Vollendung dieses barocken Kunstwerkes. Sein Sohn Friedrich Wilhelm I. war mehr an Kriegsführung als an schönen Künsten interessiert. Er ließ das Bernsteinzimmer nicht fertig stellen, sondern lagerte es in der Rüstkammer des Berliner Stadtschlosses. Nachdem er es seinem russischen Amtskollegen geschenkt hatte, wurde es in Kisten verpackt und in eine Sommerresidenz der Zaren nach St. Petersburg transportiert, wo es dann in den kommenden drei Jahrzehnten fertig gestellt wurde.
"Das Bernsteinzimmer im Berliner Schloss war wesentlich kleiner als der Raum, in den das Bernsteinzimmer dann im Katharinenpalast in Zarskoje Selo verbracht wurde…, was dann dazu geführt hat, dass einer der wichtigsten Baumeister St. Petersburgs, der Italiener Rastrelli, damit beauftragt wurde, die fehlenden Teile in diesem großen Raum zu ergänzen", sagt Gertrud Pickhan
Das achte Weltwunder wurde zur Kriegsbeute
Fast zwei Jahrhunderte lang schmückte das sonnenfarbene Meisterwerk aus Gold, Spiegeln und über 200 Figuren und Paneelen aus versteinertem Harz den Katharinenpalast. 1941 raubten deutsche Wehrmachtssoldaten das "achte Weltwunder", wie das Bernsteinzimmer auch genannt wurde, und schafften es als Kriegsbeute nach Deutschland, wo es im Königsberger Schloss wiederaufgestellt wurde.
"Das Ganze fällt in den Kontext des nationalsozialistischen Kunstraubes. Es hängt natürlich mit der NS-Wahrnehmung der Russen und der Slawen als Untermenschen zusammen, die solcher Kunstschätze nicht würdig seien."
Doch es blieb nur vier Jahre in der ostpreußischen Hauptstadt. Als 1945 die Rote Armee vor den Toren Königsbergs, des heutigen Kaliningrads, stand, wurde es erneut in Kisten verstaut, im Keller des Schlosses versteckt und ist seitdem nicht wieder aufgetaucht. Manche Schatzsucher vermuten es immer noch in Kaliningrad, andere in Tschechien, und auch in Afrika und Amerika wurde nach dem honigfarbenen Juwel gefahndet. Die wahrscheinlichste Theorie ist jedoch, dass es während der Bombardierung der Stadt verbrannte. Eine Kopie des Bernsteinzimmers ist seit 2003 im Petersburger Katharinenpalast wieder zu besichtigen.