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Vor 300 Jahren starb Madame de Maintenon
Die heimliche Fädenzieherin Ludwig XIV.

Sie war als „Gouvernante Frankreichs“ verschrien und galt unter Zeitgenossen als heimliche Fädenzieherin: Madame de Maintenon, zuerst die Mätresse und später die inoffizielle Ehefrau Ludwig XIV. Sie hielt es am längsten mit dem sprunghaften Sonnenkönig aus.

Von Maike Albath |
    Françoise d'Aubigné, Marquise de Maintenon (1635-1719). Found in the collection of Musée de l'Histoire de France, Château de Versailles.
    Françoise d'Aubigné, Marquise de Maintenon (1635-1719) Artist: Mignard, Pierre (1612-1695) (picture alliance/ Fine Art Images)
    Mit ihren ebenmäßigen Gesichtszügen, ihrer hellen Haut und den dunklen Augen ist Françoise D’Aubigné, die spätere Madame de Maintenon, schon als Elfjährige eine Schönheit. 1649 übernimmt ihre Großtante Madame de Neuillant, bigott, lieblos und geizig, die Erziehung der Halbwaisen aus hugenottischer Familie. Es gilt, sie vor dem Protestantismus zu bewahren.
    "Im Haus trug ich stets Holzpantinen, Schuhe gaben sie mir nur, wenn jemand zu Besuch kam. Ich erinnere mich noch, dass meine Cousine und ich, wir waren gleichaltrig, einen Teil des Tages damit zubrachten, auf die Truthähne der Tante aufzupassen."
    Im Gefängnis von Niort geboren
    Immerhin lernt Françoise die Gepflogenheiten in einem vornehmen Haushalt kennen und gelangt durch Madame de Neuillant auch nach Paris. Das begabte Mädchen weiß längst, dass es sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss.
    "Reichtümer galten mir absolut nichts. Was ich wollte, war die Ehre."
    Françoise D’Aubigné war im November 1635 im Gefängnis von Niort geboren worden. Dort verbüßte ihr Vater in Gesellschaft der Mutter eine Strafe, weil er gegen Kardinal Richelieu konspiriert hatte. Er war als Mörder, Betrüger und Fälscher verrufen, während Françoises Großvater Agrippa D’Aubigné ein geschätzter General, Vertrauter des Königs und bedeutender Schriftsteller gewesen war.
    In den Pariser Salons, wo man die Kunst der Galanterie pflegt, stellt die charmante Sechzehnjährige die Familienehre wieder her. Als ihr der gelähmte Libertin und Komödiendichter Paul Scarron einen Heiratsantrag macht, erkennt sie ihre Chance. Denn bei dem cholerischen, aber äußerst geistreichen Mann verkehren die klügsten Köpfe der Stadt. Chevalier de Méré, unangefochtene Autorität in Fragen der Eleganz, lässt verlauten:
    "Françoise ist nicht nur sehr schön, und zwar von einer Schönheit, die nicht ermüdet. Sie ist auch sanft, dankbar, zurückhaltend, treu, bescheiden und intelligent, und als Krönung ihrer Anmut benutzt sie ihren Geist nur, um zu unterhalten oder um liebenswert zu sein."
    Der König stellt fest: "Sie weiß zu lieben"
    1660 stirbt Scarron, und Françoise, gerade Mitte 20, schützt sich durch innigen Katholizismus, bleibt gesellig und gewinnt einflussreiche Freundinnen: die Marquise de Sévigné, Madame de La Fayette und schließlich Madame de Montespan, eine Mätresse Ludwig XIV. Mit der Erlaubnis ihres Beichtvaters übernimmt Françoise 1670 die Erziehung der Kinder des Königs und der anderweitig verheirateten Madame de Montespan, und bezieht mit ihren Schützlingen ein Haus am Stadtrand. Der König stellt fest:
    "Sie weiß zu lieben; es dürfte angenehm sein, von ihr geliebt zu werden."
    Françoise ist nicht nur scharfsinnig, sondern besitzt eine wohltuende Ruhe, was sie von den kapriziösen Hofdamen unterscheidet. Sich den Wünschen des Königs zu widersetzen, der bald offen um sie wirbt, fällt ihr schwer. 1673 erkennt Ludwig seine Kinder an und holt sie nach Versailles, wohin nun auch Françoise übersiedelt. Es entbrennt ein Kampf mit Madame de Montespan, die eifersüchtig über ihren Geliebten wacht. Ludwig verschafft Françoise durch Schenkungen wirtschaftliche Unabhängigkeit und verleiht ihr einen höheren Rang. Aus Françoise Scarron wird die Marquise de Maintenon. Auch als eine weitere Mätresse ins Spiel kommt, bleibt sie die engste Vertraute des Königs, der seine Minister in ihren Gemächern empfängt. Doch als 1683 die Königin stirbt, wird es für Françoise gefährlich. Zum Entsetzen seines Ministers Louvois fällt Ludwig eine Entscheidung.
    "Oh Sire! Der größte, ruhmreichste König der Welt heiratet die Witwe Scarron! Wollt Ihr Euch entehren?"
    Der Erzbischof von Paris schlägt eine morganatische Ehe vor: eine Trauung ohne Rechtsfolgen. Madame de Maintenon behält ihren Einfluss auf den König, ist aber zugleich auf sein Wohlwollen angewiesen. Er unterstützt ihre Gründung einer fortschrittlichen Mädchenschule in Saint-Cyr, die bald durch Theateraufführungen unter der Leitung von Racine berühmt wird. Ihre Frömmigkeit nimmt weiter zu; auch das Internat wird sittenstrenger. Nach Ludwigs Tod 1715 geht Françoise de Maintenon nach Saint-Cyr, wo sie drei Jahre später am 15. April 1719 stirbt. Die Einrichtung der ersten staatlichen Bildungsstätte für Mädchen ist zukunftsweisend.