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Vor 380 Jahren
Als ein Kugelblitz die Kirche von Widecombe-in-the-Moor zerstörte

Experten sind sich heute sicher: Es war ein Kugelblitz, der vor 380 Jahren die St Pancras-Kirche in Widecombe-in-the-Moor im Südwesten Englands zerstörte und vier Menschen das Leben kostete. Es gibt aber auch die Theorie, der Teufel habe seine Hand im Spiel gehabt.

Von Ruth Rach |
    Symbolhafte Demonstration eines Kugelblitzes
    Im 17. Jahrhundert zerstörte vermutlich ein Kugelblitz die St Pancras-Kirche im südenglischen Widecombe-in-the-Moor (imago/biky)
    Widecombe-in-the-Moor, im Herzen des Dartmoor, einer wilden Moor- und Heidelandschaft im Südwesten Englands. Rund 200 Haushalte, zwei Cafés, zwei Pubs, ein paar Souvenirläden. Und St Pancras, eine riesige spätgotische Kirche aus Granit, viel zu groß für den kleinen Ort. Im Volksmund heißt sie "Die Kathedrale des Moores". Allein der Turm ist 37 Meter hoch.
    Heute ist Widecombe in erster Linie wegen seines Jahrmarktes bekannt, ein fröhliches, traditionsreiches Ereignis, das jeden Herbst hunderte von Besuchern anlockt. Aber es gibt noch eine andere Begebenheit, die Widecombe-in-the-Moor berühmt gemacht hat.
    Wir schreiben Sonntag, den 21. Oktober 1638. Es ist Spätnachmittag. Rund 300 Gläubige haben sich in der St Pancras-Kirche in Widecombe-in-the-Moor zum Gottesdienst versammelt. Plötzlich verdunkelt sich der Himmel. In der Kirche wird es pechschwarz. Ein flammender Blitz zerreißt das Dach, schießt kreuz und quer durch den Raum und verursacht ungeheuerlichen Schaden. Vier Menschen sterben, 60 werden verletzt. Auf schauerliche Weise, heißt es in diesem Bericht, der sich auf die Augenzeugen Masters Wykes und Rothwell stützt:
    "Einige Menschen hatten verbrannte Kleider, aber keinerlei Verbrennungen am Körper. Andere wiederum erlitten schwere Brandwunden, aber ihre Kleidung war makellos. Einige Kirchenstühle standen Kopf, doch den Menschen, die darauf gesessen hatten, war kein Haar gekrümmt worden. Und ein Mann, der gerade ins Freie wollte, sah, wie ein Hund, der vor ihm durch die Tür sprang, in die Luft gewirbelt wurde und tot auf den Boden fiel. Daraufhin tat er einen Schritt zurück und wurde von Gott gerettet.
    Manche Steine wurden so weit vom Turm geschleudert, dass es hundert Mann bedurft hätte, um sie zu bewegen. Und etliche waren so groß und so schwer, dass sie sogar den Kräften eines Riesen widerstanden hätten."
    Der Teufel hatte seine Hand im Spiel
    Hier hatte der Teufel seine Hand im Spiel, schlussfolgerten die Bewohner von Widecombe-in-the-Moor. Wieder einmal, denn laut den örtlichen Legenden war er ein regelmäßiger Gast auf dem Dartmoor, um arme Sünder zu verfolgen, die ihm ihre Seele verkauft hatten. Auch Jan Reynolds, ein junger Trunkenbold und Schürzenjäger, hatte sich auf ein Geschäft mit dem Satan eingelassen, wie eine Legende erzählt.
    "An einem Sonntagmorgen beschlossen ein paar Dörfler, den Gottesdienst in Widecombe zu überspringen und sich lieber im Tavistock Pub in Poundsgate an ein paar Pints zu laben. Plötzlich hörten sie laute Hufe klappern, und ein großer dunkler Reiter trat herein. Er nahm jeden Einzelnen ins Visier. Dann leerte er seinen Bierkrug und die Wirtin hörte, wie dabei ein lautes Zischen aus seiner Kehle kam.
    Wenig später ritt er nach Widecombe weiter. Auch der junge Jan Reynolds hatte sich nach Widecombe aufgemacht, allerdings nicht mit der Absicht, im Haus Gottes zu beten, sondern dort einer unschuldigen Dienstmagd nachzustellen. Mitten in der Predigt schlief er ein. Und wachte erst auf, als der Satan mit einem lauten Knall in die Kirche hinabfuhr und ihn unter Rauch und Flammen in die brennenden Lüfte hochriss."
    Ein Bild der Zerstörung
    Die St Pancras-Kirche bot ein Bild der Zerstörung. Inzwischen ist sie längst wieder restauriert. Aber die Legende hat sich hartnäckig gehalten. Was genau an diesem Spätnachmittag im Oktober 1638 passierte, ist bis heute ein Rätsel. Experten nehmen inzwischen an, es habe sich um einen Kugelblitz gehandelt. Kugelblitze sind glühende Lichtbälle von unterschiedlicher Größe, die ungeheuer beweglich sind und in Sekundenschnelle ihre Richtung ändern. Sie durchqueren Hindernisse, hüpfen durch die Lüfte, rollen Straßen entlang.
    Manchmal hinterlassen sie keinerlei Spuren, dann wieder zerstören sie alles, was ihnen in den Weg kommt. Ein äußerst seltenes Phänomen, das von Wissenschaftlern lange als Sinnestäuschung abgetan wurde und bis heute nicht eindeutig erklärt werden kann. Nicht weiter verwunderlich, dass Menschen des 17. Jahrhunderts an eine satanische Intervention glaubten. Und selbst heute noch schwören so manche Besucher, ihnen seien auf dem Weg nach Widecombe-in-the-Moor die schauerlichsten Geister begegnet.