"Ich wusste von Chagall den Namen und erbärmlich wenig. Und dann bekomm' ich zwei Bücher in die Hand. Das eine Buch brachte Reproduktionen seiner Fenster in Jerusalem, das andere Reproduktionen seiner Fenster im Frauenmünster in Zürich. Ich hatte da noch keines gesehen. Und die Reproduktionen haben mir völlig genügt."
Als Klaus Mayer, der ehemalige Pfarrer der katholischen Sankt-Stephan-Kirche in der Mainzer Oberstadt, Anfang der 70er-Jahre die Kirchenfenster Marc Chagalls kennenlernt, hat er nur einen Wunsch: den Künstler dafür zu gewinnen, eine Glaskomposition auch für sein Gotteshaus zu gestalten. Die bereits im Jahr 990 erbaute Pfarrkirche wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und braucht dringend neue Fenster.
Als Klaus Mayer, der ehemalige Pfarrer der katholischen Sankt-Stephan-Kirche in der Mainzer Oberstadt, Anfang der 70er-Jahre die Kirchenfenster Marc Chagalls kennenlernt, hat er nur einen Wunsch: den Künstler dafür zu gewinnen, eine Glaskomposition auch für sein Gotteshaus zu gestalten. Die bereits im Jahr 990 erbaute Pfarrkirche wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und braucht dringend neue Fenster.
Doch Chagall, der in Südfrankreich lebt, hat ein distanziertes Verhältnis zu Deutschland. Die Nazis haben seine Werke als "entartet" bezeichnet und einige von ihnen konfisziert. Klaus Mayer wendet sich in einem persönlichen Brief an den international renommierten Maler. Dieser lehnt seine Bitte nicht ab, sagt aber auch nicht eindeutig zu. Doch der Geistliche lässt sich nicht beirren. Er pflegt eine regelmäßige Korrespondenz, dreht auf Wunsch Chagalls einen Film über die Stephanskirche und wird schließlich vom Künstler und seiner Frau Vava eingeladen:
"Er war immer freundlich und interessiert, aber immer unverbindlich. Ich bekam kein Ja, und ich musste lernen - das war nicht ganz so einfach - dass man von Chagall erst ein Ja bekommt, wenn er das Bild in sich schaut."
"Er war immer freundlich und interessiert, aber immer unverbindlich. Ich bekam kein Ja, und ich musste lernen - das war nicht ganz so einfach - dass man von Chagall erst ein Ja bekommt, wenn er das Bild in sich schaut."
Ausdruck theologischer Paradoxien
1976 schreibt Vava an Klaus Mayer, dass ihr Mann an dem Entwurf eines Fensters für Sankt Stephan arbeite. Zwei Jahre später, am 23. September 1978, wird das erste von Marc Chagall gestaltete Fenster offiziell der Mainzer Kirchengemeinde übergeben.
Es ist das Mittelfenster im Chor mit der großen Vision des Gottes der Väter. Dargestellt werden theologische Paradoxien, nämlich die Erscheinungen des eigentlich unsichtbaren Gottes – ausgedrückt in den Bildern der hebräischen Bibel: In Stammvater Abraham, den die drei Engel in Mamre aufsuchen; in Jakob, der von der Himmelsleiter träumt; und in Mose, der auf dem Sinai die Gesetzestafeln empfängt. Gehalten ist das Glaskunstwerk in einem außergewöhnlichen und tiefen Blau:
"Unter den vielen Blautönen, die im Lauf der Jahrhunderte und der letzten Jahrzehnte in Glas entwickelt worden sind, hat es diesen Blauton zuvor noch in keinem anderen Chagall-Fenster der Welt gegeben. Er musste eigens für dieses Fenster in der Glashütte neu entwickelt werden, weil der Entwurf das verlangte."
Als Marc Chagall das zentrale Mittelfenster von der großen Vision der Väter fertiggestellt hat, ist er bereits 90 Jahre alt, und niemand in Mainz verschwendet einen Gedanken daran, dass weitere Glasbilder aus seiner Hand an den Rhein kommen könnten.
"Unter den vielen Blautönen, die im Lauf der Jahrhunderte und der letzten Jahrzehnte in Glas entwickelt worden sind, hat es diesen Blauton zuvor noch in keinem anderen Chagall-Fenster der Welt gegeben. Er musste eigens für dieses Fenster in der Glashütte neu entwickelt werden, weil der Entwurf das verlangte."
Als Marc Chagall das zentrale Mittelfenster von der großen Vision der Väter fertiggestellt hat, ist er bereits 90 Jahre alt, und niemand in Mainz verschwendet einen Gedanken daran, dass weitere Glasbilder aus seiner Hand an den Rhein kommen könnten.
Doch der Künstler weitet sein Werk aus: 1979 kommen die beiden flankierenden Mittelfenster, in denen Chagall die "Vision der Väter" zu einer "Vision der Heilsgeschichte" erweitert. 1981 entstehen die drei seitlichen Chorfenster mit dem Thema "Lob der Schöpfung". Und selbst dies ist noch nicht der Schlusspunkt:
"Dann kam ja die große Überraschung, dass der Künstler sich dann im 96. Lebensjahr noch einmal an die Arbeit begab. Und er schuf die Entwürfe zu den drei großen dreibahnigen Fenstern im Querhaus. Und im 98. Lebensjahr hat er die Querhausfenster vollendet. Wenige Monate vor seinem Tod am 28. März 1985."
"Dann kam ja die große Überraschung, dass der Künstler sich dann im 96. Lebensjahr noch einmal an die Arbeit begab. Und er schuf die Entwürfe zu den drei großen dreibahnigen Fenstern im Querhaus. Und im 98. Lebensjahr hat er die Querhausfenster vollendet. Wenige Monate vor seinem Tod am 28. März 1985."
Nicht nur in Glas gefasste Theologie
Die neun Mainzer Chagall-Fenster sind nicht nur in Glas gefasste Theologie. Sie stehen auch zeichenhaft für die jüdisch-christliche Verbundenheit, die Völkerverständigung und die französisch-deutsche Freundschaft. Denn all diese Aspekte – so sagt Mayer – werden verkörpert in der Person Marc Chagalls, des aus Russland stammenden Juden, der in Frankreich lebte und arbeitete.
Mittlerweile steht Mayer, der Sohn eines jüdischen Kaufmanns ist, selbst im 96. Lebensjahr. Und noch immer führt er mit großer Freude Besucher durch die Stephans-Kirche und spricht über die Chagall-Fenster - eine Geschichte, die in Mainz, so der Bischof Karl Lehmann 2013 rückblickend, niemand für möglich gehalten hätte:
"Wir haben ihn eigentlich für verrückt gehalten. Denn man wusste, dass Chagall nicht nach Deutschland reist und dass er eigentlich durch die ganzen erschütternden Ereignisse des Holocausts mit Deutschland gebrochen hatte. Das zeigt, dass diese leidenschaftliche Überzeugung, dass er diese Fenster nach Mainz bringen kann, das Geheimnis dieses Erfolges ist."
Und von einem Erfolg kann man durchaus sprechen. Denn jedes Jahr kommen 200.000 Besucher in die Mainzer Stephans-Kirche, um die einzigen Kirchenfenster Chagalls in Deutschland zu sehen.
"Wir haben ihn eigentlich für verrückt gehalten. Denn man wusste, dass Chagall nicht nach Deutschland reist und dass er eigentlich durch die ganzen erschütternden Ereignisse des Holocausts mit Deutschland gebrochen hatte. Das zeigt, dass diese leidenschaftliche Überzeugung, dass er diese Fenster nach Mainz bringen kann, das Geheimnis dieses Erfolges ist."
Und von einem Erfolg kann man durchaus sprechen. Denn jedes Jahr kommen 200.000 Besucher in die Mainzer Stephans-Kirche, um die einzigen Kirchenfenster Chagalls in Deutschland zu sehen.