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Vor 40 Jahren gestorben
Regisseur Willi Forst, bekannt für den Skandalfilm "Die Sünderin"

Willi Forst drehte Unterhaltungsfilme, die auch heute noch sehenswert sind. Seine Karriere war durch die Nazi-Zeit erschwert, Propagandafilmen erteilte er Absagen. Mit "Die Sünderin" gelang ihm 1951 ein großer Hit, auch weil das Werk von der FSK skandalisiert wurde.

Von Beatrix Novy |
    Regisseur Willi Forst und die Hauptdarsteller Hildegard Knef und Gustav Fröhlich bei der Premiere von "Der Sünderin"
    Willi Forst (l.) mit den Schauspielern Hildegard Knef und Gustav Fröhlich bei der Premiere seines größten Films (picture alliance / dpa)
    "Und wie ein Schauer durchlief es mich. Ja, auch ich liebte, zum ersten Mal in meinem Leben."
    1951 erzitterte die Bundesrepublik unter einem Skandal: In Willi Forsts Film "Die Sünderin" ging es offen um Prostitution und Sterbehilfe. Außerdem zeigte eine pathetisch monologisierende Hildegard Knef etwas nackte Haut.
    Knef mit Filmpartner Robert Meyn in "Die Sünderin"
    Knef mit Filmpartner Robert Meyn in "Die Sünderin" (picture alliance / Keystone)
    Kardinäle warnten, Lehrer rieten ihren Schülern ab, die sich angeregt auf den Weg ins Kino machten. Dankbar zeigte sich auch der Regisseur, Willi Forst, gegenüber der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK): "Ich hatte durch ihr Verbot eine Reklame und eine Propaganda, für die man in Amerika wahrscheinlich einige hunderttausend Dollar bezahlen würde."
    Aber die ambitionierte "Sünderin" blieb Forsts letzter Publikumsrenner. Mit Wiederauflagen seiner heiteren Vorkriegserfolge hatte er kein Glück.
    "Mein Stil hat jetzt Pause. Ich warte ab." Doch bei der "Pause" blieb es, 23 Jahre lang, bis zum Tod des 77-Jährigen am 11. August 1980.
    Erste Filme in Wien
    "Geht's und verkauft's mei G'wand, i bin im Himmel." Sein "Stil" war das Wienerisch-Leichte, was er gern mit seiner Herkunft aus der Wiener Vorstadt begründete, damals, als die Coupletgesänge in den Heurigengärten angeblich noch nicht im Schmalztopf ersoffen waren. Ein Foto mit fünf jungen Burschen zeigt den 13-jährigen Willi als Zweiten von links, ungezwungen und mit dem gewinnendsten Lächeln: Der Junge gehörte auf die Bühne. Und da kam er hin. Opernstatist, zweiter jugendlicher Liebhaber in der böhmischen Provinz, Theater in Wien und Berlin, zwei Städte, die für Künstler nie näher beisammen lagen als in den Zwanzigerjahren.
    Seine ersten Filme drehte der Kinofan Forst noch in Wien, mit bekannten Bühnenkollegen wie Adele Sandrock und Gustav Fröhlich, oder ganz unbekannten, zum Beispiel Marlene Dietrich. 1929 bekam er zusammen mit Fritz Kortner in England eine Rolle im Tonfilm "Atlantic". Der spielt auf der sinkenden Titanic, und in einer tränenreichen Szene sang sich Willi Forst mit dem melancholischsten aller Wienerlieder zum Ruhm.
    Willi Forst, der schmale Dunkelhaarige mit Geheimratsecken und feingeschwungenen Lippen, reüssierte als musikalischer Herzensbrecher zum Star. "Zwei Herzen im Dreivierteltakt", "Peter Voss der Millionendieb", Regisseure wie Robert Siodmak, Drehbuchautoren wie Alfred Polgar oder Billy Wilder – später: Wilder –, Schauspieler wie Gustav Gründgens und Adolf Wohlbrück, Komponisten wie Robert Stolz gaben dem leichten Metier ihr Können und Qualität. Viele von ihnen gingen nach 1933 ins Exil – was den langfristigen Niedergang des deutschsprachigen Films einleitete –, einige ins noch freie Österreich, wo Willi Forst begann, eigene leichte Filme zu machen. Auf das Niveau populärer Albernheiten aus der Ufa-Ablenkungsindustrie sanken sie nie.
    Politisch entlastet durch Carl Zuckmayer
    Kurz vor Kriegsende ließ der emigrierte Carl Zuckmayer die Amerikaner in seinem Geheimreport über die deutsche Künstlerszene wissen: "Forst ist kein bedeutender Kopf und kein großer Künstler, aber er hat eine natürliche, fast biologische Schauspielerbegabung und einen brillianten Sinn für künstlerische Wirkung."
    Auch politisch entlastete Zuckmayer Willi Forst, der sich und seine Filme gegen den ideologischen Druck von deutscher Seite sauber zu halten suchte. Er schützte verfemte Kollegen. Er lehnte Veit Harlans Angebot, den "Jud Süß" zu spielen, so rundweg ab, dass man sich fragt, wie Harlan auf die Idee gekommen war. Aber auch nach dem "Anschluss" ans Deutsche Reich 1938 und bis in die letzten Kriegsjahre entstanden Forsts fröhliche Filme, "Operette", "Wiener Blut", "Wiener Mädeln".
    Der Filmregisseur Veit Harlan filmt 1954 auf dem Münchner Flughafen mit einer Schmalfilm-Kamera.
    1949 - NS-Filmregisseur Veit Harlan freigesprochen
    Er war der bestbezahlte Regisseur der Nazi-Zeit, drehte Filme für das Regime. Als er nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ins Geschäft einsteigen wollte, gab es Protest. 1949 musste er sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten.
    "Meine österreichischsten Filme machte ich in einer Zeit, als Österreich zu existieren aufgehört hatte."
    Weil Österreich zur "deutschen Ostmark" geworden war, konnten Künstler es sich als Subversion anrechnen, explizit Österreichisches in ihren Werken zu feiern. Die perfekten, rauschenden Massenszenen der letzten Forst-Filme müssen ebenso als Durchhaltevergnügen angesehen werden: Anders als ambivalent konnte auch Willi Forst das Dritte Reich nicht überstehen.