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Vor 40 Jahren
Kosmonaut Sigmund Jähn Rückkehr zur Erde

Derzeit kreist Alexander Gerst in der Internationalen Raumstation um die Erde. Er ist der elfte Deutsche im All. Den Anfang hat Sigmund Jähn gemacht - bis heute der "Kosmonaut der Herzen". Die Mission des bescheidenen Raumfahrers aus der DDR ging heute vor vierzig Jahren zu Ende.

Von Dirk Lorenzen |
    Sigmund Jähn 1978, vor seinem Start ins All
    Sigmund Jähn 1978, vor seinem Start ins All (DLR)
    "3. September 1978, 12.40 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Der erste Forschungskosmonaut der DDR, Oberst Sigmund Jähn, und sein sowjetischer Kommandant, Oberst Doktor Waleri Bykowski, landen mit dem Raumschiff Soyuz-29 in der Steppe von Kasachstan."

    Knapp acht Tage lang war Sigmund Jähn im Weltraum und führte auf der sowjetischen Raumstation Saljut 6 wissenschaftliche Experimente durch. Sein Flug bedeutete für die DDR einen enormen Prestigegewinn, wie auch diese Ausschnitte aus einem Film der Nationalen Volksarmee deutlich machen.
    "Dieser gemeinsame Weltraumflug UdSSR-DDR erfolgte im Rahmen des Interkosmos-Programms, dem zehn sozialistische Länder angehören."
    Geheimhaltung bis zum Tag des Abflugs
    Die Sowjetunion hatte 1978 begonnen, nach und nach Kosmonauten befreundeter Staaten mit ins All zu nehmen. Gerhard Kowalski, Raumfahrtexperte und Buchautor, war damals als Korrespondent der Nachrichtenagentur ADN dabei:
    "Der Flug war geheim bis zu dem Tag, an dem er gestartet ist. Da war keine Vorankündigung, wie sonst üblich. Kein Mensch hat das begriffen. Denn jeder wusste ja, dass, nachdem im März schon der Tscheche geflogen war und im Juni der Pole, dass irgendwann die DDR an der Reihe sein würde. Und dann ist die DDR-Bevölkerung aufgeschreckt worden. Da gab es also am Sonntag eine Zeitung, da stand dann drüber: Der erste Deutsche im All, ein Bürger der DDR. Die DDR-Bürger haben sich gewundert, wir durften ja nicht als Deutsche bezeichnet werden, wir waren keine Deutschen, wir waren DDR-Bürger."
    Bescheidener Vogtländer
    Die Weltraumfahrt hatte bis dahin in der DDR keine große Rolle gespielt - auch wenn Astronomie dort traditionell ein eigenes Schulfach war. Den ersten Deutschen im All, Sigmund Jähn, hatte man als Jagdflieger ausgewählt. Doch der bescheidene Vogtländer taugte kaum zum strahlenden Propaganda-Helden - die ganzen Ehrungen nach dem Flug hat er mehr erduldet als genossen. Im All war er vor allem damit beschäftigt, mit der Zeiss-Multispektralkamera MKF-6 Bilder der Erdoberfläche aufzunehmen:
    "Sie war damals der große Schlager für uns, für die DDR. Die Zeiss-Leute haben sie entwickelt: Sie hat hervorragend funktioniert. Ich habe ein Bild, wo ich filmbeladen - heute ist das alles Geschichte - durch die Station fliege und die so ein bisschen dirigiere. Das war für mich ein Höhepunkt. Sie arbeiten mit dieser Kamera - und auch ein gewisser Stolz für unser Land."
    Zeiss-Kamera der DDR im Militärprogramm der UdSSR verschwunden
    Die Kamera lieferte äußerst detailreiche Farbfotos der Erde und galt damals als weltweit bestes Instrument dieser Art. Die MKF-6 war der Preis, den die DDR für den Mitflug Sigmund Jähns zahlen musste. Und die Sowjetunion nutzte die Kamera schnell nicht mehr nur für rein wissenschaftliche Zwecke, erklärt Gerhard Kowalski:
    "Man kann von oben ja nicht nur Felder und Wälder, Wiesen und Seen fotografieren. Man kann auch andere Dinge fotografieren. Und die DDR war natürlich stolz, dass sie diese Kamera abgeliefert hatte, und sie wollte sie vermarkten. Dann hat die sowjetische Seite gesagt 'Njet'. Die durften also nicht vermarkten. Die Kamera hat dann doch wahrscheinlich für die sowjetische Seite eine riesen strategische Bedeutung gehabt. Von der wurde später auch nicht mehr gesprochen."
    So verschwand das Meisterstück aus Jena nach dem Flug Sigmund Jähns im Militärprogramm der UdSSR.
    Jähn populär in Ost und West
    Der Kosmonaut selber nutzte seine Aufnahmen aus dem All noch für eine Doktorarbeit. Nach der Wende beriet er die Europäische Weltraumorganisation ESA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt bei der Zusammenarbeit mit Russland - und wurde populär in Ost und West.
    "Als ich 80 wurde, kam der Briefträger an mit solchen Stapeln - ungelogen - von Briefen aus dem Osten und aus dem Westen. Und ich bin echt unter Druck geraten und bin es eigentlich noch, weil ich es nicht geschafft habe, auch nur die Hälfte wenigstens mit einem Dank ordentlich zu beantworten. Natürlich bewegt einen das."
    Bis heute stehen Sigmund Jähn in Moskau und Baikonur alle Türen offen, zuletzt begleitete er im Juni dieses Jahres den Start von Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation. Gerst mag der Popstar unter den Astronauten sein und Ulf Merbold mit drei Raumflügen der erfahrenste deutsche Raumfahrer - aber der "Kosmonaut der Herzen" ist der inzwischen einundachtzigjährige Sigmund Jähn.