Am 3. Mai 1977 erhielt die Polizei in Singen am Hohentwiel den entscheidenden Hinweis. Im "Café Hanser" säßen zwei gesuchte Terroristen. Zur Überprüfung der Personalien ging der Polizeibeamte Wolfgang Seliger mit einem Kollegen in das besagte Innenstadtcafé. Die Ausweise lägen im Auto, ließen die Verdächtigen wissen. Seliger im Rückblick:
"Auf unsere Frage hin, wo das Auto steht, hat’s geheißen: ‚Also nicht weit weg, auf einem Parkplatz‘. Und wir sind dann gemeinsam raus aus dem Lokal, nachdem beide Personen bezahlt haben. Also ganz normales Verhalten."
Doch plötzlich war Schluss mit der Normalität. Schüsse fielen. Beide Polizisten wurden verletzt, Seliger schwer. Die Täter flohen. Es kam zu einer wilden Verfolgungsjagd mit Schusswechsel. Die Frau wurde in den Unterschenkel, der Mann in den Hinterkopf getroffen. Ein von Harald Walser geführtes Polizeikommando konnte die beiden überwältigen. Walser machte danach eine aufschlussreiche Entdeckung:
"Im Auto lag noch ein Rucksack mit Kennzeichen, ein Haufen Bargeld und auch die Waffe, mit der der Buback erschossen worden ist."
Es fehlte jede Spur
"Der Buback", das war der Generalbundesanwalt Siegfried Buback, der knappe vier Wochen zuvor zusammen mit seinem Fahrer Wolfgang Göbel und dem Sicherheitsbeamten Georg Wurster von Mitgliedern der "Rote Armee Fraktion" in Karlsruhe ermordet worden war. Fehlte bis zu diesem 3. Mai von den Buback-Mördern jede Spur, war jetzt immerhin die Tatwaffe sichergestellt.
Sie fand sich bei den RAF-Terroristen Verena Becker und Günter Sonnenberg. Wegen versuchten Mordes an sechs Singener Polizisten verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart Becker am 28. Dezember 1977 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Damit war aber nur ein vorläufiger Schlusspunkt unter den Singener Vorfall gesetzt. Unbeantwortet blieb die Frage, ob Verena Becker oder Günter Sonnenberg auch die tödlichen Schüsse auf Generalbundesanwalt Buback abgegeben hatten. Und sie sollte es bleiben, so dass Jahre später der stellvertretende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum konstatierte:
"Das Ermittlungsverfahren gegen Verena Becker wurde im März 1980 eingestellt, weil kein hinreichender Tatverdacht bestand. Es wird aber in der Entscheidung ausgeführt, dass ein gewisser Verdacht bleibt."
Gerüchte und fragwürdige Aussagen
Und der wurde genährt durch allerlei Gerüchte und fragwürdige Aussagen auch aus dem Umfeld ehemaliger RAF-Mitglieder. Aber die reichten für eine weitere Verurteilung nicht aus. Nach zwölfjähriger Haft wurde Verena Becker von Bundespräsident Richard von Weizsäcker begnadigt und kam am 30. November 1989 wieder auf freien Fuß. Vielleicht spielte bei Beckers Begnadigung eine Rolle, dass sie nachweislich seit 1981 Informantin des Verfassungsschutzes war, möglicherweise auch schon früher. In einer aufsehenerregenden Studie suchte der Politologe Wolfgang Kraushaar jedenfalls 2010 auf dem Indizienweg nachzuweisen, dass Becker bereits seit 1972 in den Diensten des Verfassungsschutzes stand. Einen direkten Beleg für diese Annahme konnte er freilich nicht erbringen. Als Beobachter eines neuerlichen Prozesses gegen Becker in Sachen Buback-Mord, der ab dem 30. September 2010 wieder vor dem Oberlandesgericht Stuttgart stattfand, befremdete ihn der schonende Umgang der Bundesanwaltschaft mit der Angeklagten. Kraushaar gewann den Eindruck, der "Staat" verteidige Verena Becker. Ein Eindruck, den andere Prozessbeobachter und ein prominenter Nebenkläger teilten: Michael Buback, der Sohn des Mordopfers Siegfried Buback. Bundesanwalt Griesbaum dementierte:
"Der Vorwurf einer schützenden Hand über Verena Becker ist haltlos. Wir haben alle modernen Ermittlungsmethoden eingesetzt. Wir haben alle Zeugen befragt, die Herr Buback gefunden hat. Und ich sehe keine schützende Hand."
Auch dieser Stuttgarter Prozess brachte kein Licht ins Dunkel des Falles Buback. Der Mörder des Generalbundesanwalts und seiner beiden Begleiter ist bis heute nicht gefunden. Verena Becker wurde zwar am 6. Juli 2012 verurteilt, aber nur wegen Beihilfe zum Mord. Die vier Jahre, die sie hätte absitzen müssen, reduzierten sich am Ende auf vierzehn Monate, und die wurden zur Bewährung ausgesetzt.