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Vor 400 Jahren gegründet
"Fruchtbringende Gesellschaft" für den Erhalt der Deutschen Sprache

Sie sollte die Deutsche Sprache erhalten und die Dichtkunst fördern - und so eine nationale Identität schaffen: Am 24. August 1617 gründete Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen in Weimar die "Fruchtbringende Gesellschaft".

Von Christoph Schmitz-Scholemann |
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    Die Fruchtbringende Gesellschaft förderte die Deutsche Sprache und Dichtkunst. (imago stock&people)
    Es ist ein wirklich schönes Kapitel der deutschen Geistesgeschichte, das am 24. August 1617 im thüringischen Weimar aufgeschlagen wurde, als eine Gruppe "fürstlicher und adeliger Personen" die "Fruchtbringende Gesellschaft" gründete.
    "Deren Zweck ist darauf gerichtet, dass man die hochdeutsche Sprache in ihrem rechten Wesen und Stande ohne Einmischung fremder ausländischer Worte aufs möglichste und tunlichst erhalte und sich sowohl der besten Aussprache im Reden als der reinsten Art im Schreiben und Reime dichten befleißige."
    Oberhaupt der Fruchtbringer war Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen. Die Begeisterung für die Dichtkunst und den Gedanken, statt des in den besseren Kreisen Europas damals üblichen Latein oder Französisch die eigene Landessprache zu fördern, hatte er aus Florenz mitgebracht.
    Die Sprachwissenschaftlerin Uta Seewald-Heeg aus Köthen über Fürst Ludwig: "Er war in seiner Jugend vielfach auf Bildungsreisen und die führten ihn nach Italien. In Italien war nämlich Ende des 16. Jahrhunderts die erste europäische Sprachakademie gegründet worden und er selbst wurde Mitglied in dieser Gesellschaft."
    Sprachprogramm als Friedensprogramm
    Als Emblem wählte sich die Gesellschaft eine sprießende Kokospalme, weshalb sie den Beinamen Palmorden trug. Im Gründungsjahr des Ordens stand Deutschland am Vorabend des 30-jährigen Krieges: Es war zerrissen von religiösem Fanatismus und wurde bald zum Schlachtfeld der europäischen Mächte. Man könnte meinen, in so harten Zeiten gäbe es Wichtigeres als Literatur-Förderung. Die Fruchtbringer sahen das genau umgekehrt. Sie waren überwiegend protestantisch.
    "Aber: Die Fruchtbringende Gesellschaft war ja eine Sprachgesellschaft, die dann in ihrem Sprachprogramm durchaus auch ein Friedensprogramm sah, eine Möglichkeit, Identität zu schaffen."
    Mit der Kraft des Geistes die "Tränen des Vaterlandes" trocknen - zu diesem Zweck korrespondierte der Landesfürst Ludwig mit Dichtern über Fragen des Versbaus und der Rechtschreibung, deshalb gab er Übersetzungen in Auftrag und brachte die Gebildeten dazu, Deutsch statt Lateinisch zu schreiben und zu sprechen. Wenn die Fruchtbringer sich trafen, sollten sie, so lautete ihre Regel "gütig fröhlich lustig und verträglich in Worten und Werken sein, auch sich grober verdrießlicher Reden enthalten."
    Wirken des Palmordens bis heute
    Manche Sitten der Fruchtbringer wirken heute skurril. So gab man sich sonderbare Gesellschaftsnamen - Ludwig der I. hieß der "Nährende", andere hießen "Der Mürbe", "Der Besprengte" oder "Der Starkriechende". Jeder neu Aufgenommene bekam eine Pflanze als Symbol zugewiesen. Einem für seine wohlgesetzte und flüssige Schreibweise bekannten Dichter wurde das Ruhrkraut zugeordnet - damals ein Abführmittel.
    "Denn wie das Ruhrkraut pflegt die Leiber wohl zu setzen zum Abfluss, also wird die Schrift für gut erkannt, die flüssig ist, sie kann den Leser wohl ergötzen."
    Gegen Ende des 17. Jahrhunderts verlosch das Wirken des Palmordens. Sein Erbe aber ist lebendig. "Palmbaum" heißt die seit 1993 in Thüringen erscheinende Literaturzeitschrift.
    Der Herausgeber Jens-Fietje Dwars: "Die Thüringer Literatur-Zeitschrift Palmbaum wurde richtig mit dem Gedanken gegründet, dass wir den Fruchtbringern verbunden sind, deswegen ja der Name. Und so versuchen wir, die Literaturgeschichte zu verbinden mit Gegenwartsliteratur."
    Fürst Ludwig als Beispiel für heutige Politiker
    Auch am einstigen Sitz der Fruchtbringer in Köthen lebt die Tradition weiter: Die 2007 gegründete Neue Fruchtbringende Gesellschaft veranstaltet Lesungen, Tagungen und einen Schüler-Schreibwettbewerb und betreibt eine Datenbank für gutes Deutsch. Im Köthener Schloss hat sie eine unterhaltsame Ausstellung aufgebaut, in der man zum Beispiel mithilfe einer fast 400 Jahre alten Maschine neue deutsche Wörter erfinden kann - gute und welterfahrene Kulturpolitik von Landesfürsten lohnt sich also.
    Uta Seewald-Heeg, die Vorsitzende der Neuen Fruchtbringer: "Ich halte Fürst Ludwig, der neben seinen Regierungsgeschäften so viel Energie in die Spracharbeit, in die kulturelle Arbeit investiert hat, für ein hervorragendes Vorbild für heutige Politiker, aber auch für andere im gesellschaftlichen Umfeld Tätige."