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Vor 400 Jahren starb El Greco
Ein Manierist und Kunstschriftsteller

Heute vor 400 Jahren, am 7. April 1614, starb der griechisch-spanische Maler und Zeichner Domenikos Theotokopoulos. Genannt wurde er El Greco. Er beeindruckte mit seinen glühenden Farben.

Von Rainer B. Schossig |
    El Grecos "Christus am Ölberg" hängt im Budapest Museum
    El Grecos "Christus am Ölberg" hängt im Budapest Museum (picture alliance / dpa)
    Der Maler macht den Betrachter zum Zeugen einer denkwürdigen Szene: Zwei riesige Gift-Schlangen haben einen Greis und zwei Jünglinge angegriffen: Der trojanische Priester Laokoon und seine beiden Söhne wälzen sich nackt am Boden, während eine Gruppe ebenso Nackter den Vorgang interessiert beobachtet. In der Ferne trabt ein mächtiges Pferd auf eine im Hintergrund auf einem Felsen gelagerte Stadt zu.
    Die Stadt aber ist nicht Troja, sondern das spanische Toledo. Gemalt hat das so grausige wie rätselhafte Bild kein Spanier, sondern ein Grieche: Domenikos Theotokopoulos. In Toledo nannte man den Einwanderer kurz: El Greco. Der Leipziger Kunsthistoriker Michael Scholz-Hänsel hält das Laokoon-Gemälde für El Grecos bedeutendstes Werk:
    "Ich denke schon, dass der Laokoon ein Schlüsselwerk ist. Es verknüpft seine Herkunft aus dem östlichen Mittelmeer mit der Darstellung von Toledo, also dem Ort wo er angekommen ist. Und es ist natürlich auch für die Geschichte der El Greco-Rezeption von zentraler Bedeutung, weil es 1912 in München hing und fast in eine deutsche Sammlung gewandert wäre."
    Auf Wanderschaft nach Rom
    Geboren wurde der große Maler Toledos 1541 in Kandia, dem heutigen Heraklion auf Kreta. Die Insel gehörte damals zum venezianischen Weltreich. Und deswegen ging der junge Domenikos - nachdem er eine Lehre als Ikonenmaler gemacht hatte, nach Venedig. Dort wurde er Schüler von Tizian und Tintoretto. Sein ursprünglich flächiger, byzantinischer Stil ohne Perspektive wandelte sich - angesichts der Farbenpracht der venezianischen Malerei - zu räumlicher Tiefe, voll lichtem Rosa, Blauviolett und Zitronengelb.
    "Er hatte technisch in Venedig die Kunst der Zeit von Grund auf kennen gelernt. Er war einfach auch handwerklich ein sehr guter Künstler – das haben auch die, die ihn kritisiert haben inhaltlich, - anerkannt."
    Nächste Station auf El Grecos Wanderschaft war Rom. Doch auch hier konnte er nicht Fuß fassen, die Zahl der bedeutenden Künstler um Raffael, Michelangelo und Pontormo war zu groß. So entschloss er sich spontan, im fernen Spanien sein Glück zu versuchen. Doch der spanische König, der bei Madrid sein neues Schloss El Escorial errichtete, stellte El Greco nicht ein. So verschlug es ihn in die alte Königs- und Bischofsstadt Toledo. Hier machte er sein Glück. Hier entstanden in knapp vier Jahrzehnten seine Hauptwerke. Etwa das monumentale Begräbnis des Grafen Orgaz oder die Entkleidung Christi.
    "So ehre du ihn, eh du weitergehst ..."
    Zeitgleich wirkten hier die beiden großen Mystiker der Karmeliter Teresa von Ávila und San Juan de la Cruz. Sie inspirierten den Maler zu ekstatisch überlängten Figurationen aus Purpur, Violett und Wasserblau, zu symbolisch-gewittrigen Himmels- und Seelen-Landschaften, wie Toledo im Gewitter, ein Fiebertraum, der Felsen und Häuser wie von innen heraus leuchten lässt. Toledo - ein apokalyptisches „himmlisches Jerusalem“.
    "Der Schwerpunkt lag bei den kirchlichen Auftraggebern, wobei man eben sehen muss, dass die Kirche in Toledo, die oberste Spitze der Kirchenhierarchie, relativ offen war, was wir uns heute kaum vorstellen können. aber gerade in Toledo gab es Ende des 16. Jahrhunderts eine gewisse Offenheit, freizügiger als die Situation in Rom um die Zeit."
    Mit den Jahren beruhigt sich die hektische Dynamik der Bilder, klassische Portraits entstehen.
    Am 7. April 1614 starb El Greco hochverehrt in Toledo. In seine Grabplatte sind die Worte des spanischen Dichters Luis de Góngora gemeißelt:
    „Hier ruht El Greco. Sein Name verdient größres Lob, als rühmender Posaunen Schall.
    Er adelt diesen Ort des düstern Marmors.
    So ehre du ihn, eh du weitergehst ...“