Iwan der Schreckliche hatte sich längst aus dem Staub gemacht, als sein Landsitz an der Moskwa in Flammen stand. Mit allen Habseligkeiten aus Gold, Silber und Juwelen war der Herrscher nach Norden entwichen, während sich von Süden her der Feind näherte.
"Der Großfürste nahm die Flucht mitsamt all dem Kriegsvolke. (…) Der tatarische Kaiser ließ vom ersten anstecken des Großfürsten Lusthaus Kolomenskoje, liegt eine Meile vor der Stadt. Da flohen und liefen alle, die draußen in den umliegenden Vorstädten wohneten."
Die Menschen in den Kellern "verdämpfeten"
Das berichtet Heinrich von Staden, ein Westfale im Dienst des Zaren Iwan, der am 24. Mai 1571 die Zerstörung Moskaus durch die Krimtataren mit viel Glück überlebte. Seit dem Vorabend stand Krim-Khan Devlet Giray mit 120.000 Mann vor der Stadt. Am nächsten Morgen begannen seine Truppen, in den westlichen Vororten zu zündeln:
"Die Stadt, Schloss (...) und Vorstädte verbrannten innen und außen in sechs Stunden. (…) Die Glocken am Tempel mitsamt den Mauern, daran sie hingen, fielen nieder, und die sich hie gedachten zu verbergen, wurden totgeschlagen von den Steinen. Der Tempel war von dem Feuer auswendig und inwendig ergriffen, die Kirchtürme samt allen Gezierden und Heiligen. Allein das Mauerwerk blieb stehen. Die Türme und Zwinger, darin das Schießpulver lag, wurden vom Pulver gesprenget, und die Leute, die im Keller waren, verdämpfeten."
Das Krim-Khanat war für Russland eine stete Bedrohung
Das Khanat der Krimtataren war ein Nachfolgestaat des Mongolenreichs der Goldenen Horde, das der Dschingis-Khan-Enkel Batu 1236 im Raum zwischen dem Schwarzen Meer und dem Ural gegründet hatte. Jahrhundertelang hatten die Khane der Goldenen Horde Tribute von russischen Kleinfürsten kassiert und über deren Angelegenheiten entschieden. Mittlerweile hatte sich das Kräfteverhältnis zwar verschoben. Seit dem späten 15. Jahrhundert hatte sich die Macht über ganz Russland in Moskau konzentriert, während die Goldene Horde zerfallen war. Zwei der Nachfolgestaaten, die Khanate Kasan und Astrachan an der Wolga, hatte Iwan der Schreckliche 1552 und 1556 erobert. Doch das Krim-Khanat blieb eine Bedrohung.
Russische Chroniken verzeichnen allein für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts 43 Tataren-Invasionen. So hart wie im Mai 1571 hatte es Moskau allerdings lange nicht mehr getroffen. Heftiger Wind trieb die Flammen über die größtenteils aus Holz erbaute Stadt. Als das Feuer auf den mit Flüchtlingen überfüllten Kreml übergriff, brach Panik aus. Ein russischer Chronist:
"In drei Reihen übereinander trat ein jeder auf den Kopf des anderen, und die oben waren, zertrampelten diejenigen unter ihnen."
Heinrich von Staden berichtet von einer Dame, die sich mit einem Planwagen in Sicherheit zu bringen suchte, aber nicht weiterkam als zum Stadttor:
"Indeme der Wagen kummt an die Pforte, nimmt das Feuer die Überhand, und der Wagen verbrannte mit Pferden und allen Kleinodien, Gold und Silber, so darauf war. Nach dem Brande fand man nichts von dem Wagen denn nur den Beschlag."
Mit knapper Not entkommen
Von Staden selbst hatte Mühe, Schutz zu finden. Am Eingang eines Kellers wurde ihm bedeutet, dass dort kein Platz mehr sei: Doch er "schlug" sich durch die Russen und gelangte ins Gewölbe. Das "hatte eine eiserne Tür. Ich jagete die Hälfte aus dem Gewölbe und behielt allein mein Gesinde."
Tote gab es auch unter englischen Kaufleuten, die in Moskau eine Niederlassung unterhielten. Bis zu 25 von ihnen seien in einem Bierkeller erstickt, erichtete ein Augenzeuge. Dann gingen "die Herren Glover und Rowley in den Keller, aber die Hitze war so groß, dass sie mit knapper Not wieder herauskamen. (…) Auf gut Glück retteten sie sich in einen anderen Keller, und dort, nach Gottes Willen, überlebten sie."
"Nach dem Brand war weder Katz noch Hund in allen Bezirken"
Mindestens 60.000 Menschen sollen dem Brand zum Opfer gefallen sein, die Hälfte der Stadtbevölkerung. Zar Iwan ließ die Leichen später in die Moskwa werfen. Auf ihrem Rückzug verschleppten die Tataren 100.000 Russen in die Sklaverei. Moskau hinterließen sie als Aschehaufen.
"Nach dem Brand war weder Katz noch Hund in allen Bezirken." So lautete das Fazit Heinrichs von Staden. Bis die Stadt wiederaufgebaut war, sollten vier Jahre vergehen.