"Und, sind Sie soweit?"
"Ja, ich bin soweit!"
"Bitte Ralf, den Bolzen!"
Dramatischer Höhepunkt in der Live-Spielshow "Der Goldene Schuss". Millionen von Fernsehzuschauern hielten noch einmal den Atem an, als Vico Torriani am 2. Juli 1970 in der fünfzigsten und letzten Sendung das Startzeichen für einen Kandidaten im heimischen Wohnzimmer gab.
"Achtung! Fertig! Los!" Dieser Mitspieler musste - Fadenkreuz und Zielscheibe auf seiner TV-Mattscheibe im Visier – Schieß-Kommandos per Telefon an einen Kameramann in der Sendehalle durchgeben. Der bediente dann mit verbundenen Augen eine Armbrust, an der die Fernsehkamera gekoppelt war, wie bei einem Jagdgewehr das Zielfernrohr: "Stopp! Rechts! Stopp! Etwas tiefer! Stopp! Etwas links! Stopp! Schuss!"
Das Ritual war Mittelpunkt der Sendung, die mit Showblöcken prominenter Gäste umrahmt war. Um teilnehmen zu können, bewarb man sich per Postkarte beim ZDF. Die Kandidaten wurden während der Sendung ausgelost und angerufen, um einen Qualifikations-Schuss abzugeben. Trafen sie nicht, kamen Zuschauer aus dem Studio-Publikum zum Zuge.
Nicht immer lief alles reibungslos
"Die Kandidatin hat 97 Punkte!" "97 Punkte, ja, fabelhaft geschossen!" Der Sieger aus mehreren Runden hatte die Chance, den "Goldenen Schuss" auszuführen. Er musste einen vor der Zielscheibe baumelnden Faden treffen, an dem als Gewinn ein Beutel mit Gold im Wert von 8.000 Mark hing. Doch nicht immer lief alles reibungslos.
Vico Torriani: "Einen Moment bitte. Sie haben gedrückt! Wo haben Sie gedrückt? Ist das Lade-Hemmung? Jawohl, geht nicht. Seh‘n Sie, das kann passieren! Das ist das Schöne an einer Live-Sendung!"
Die Spiel-Idee, in Anlehnung an die bekannte Apfelschuss-Szene aus Schillers Wilhelm Tell, stammte von einer Schweizer Produktionsfirma. Das ZDF zahlte pro Folge 250.000 Mark an die Produzenten. Die hatten den holländischen Entertainer Lou van Burg ursprünglich unter Vertrag und mit ihm die Feinheiten der Sendung ausgearbeitet.
Lou van Burg: "Die Idee stammt von Hannes Schmid, der also diese Idee in Amerika erfunden hat. Und dann haben wir aus dieser Idee, ja, eine Art Sing-Spiel-Schau gemacht."
Als die Show 1964 startete, war sie ganz auf den bühnengewandten Lou van Burg ausgerichtet und galt als erste interaktive Show der Fernsehgeschichte.
"Sie sind in Berlin, oder wo sind Sie jetzt?" "In Dortmund." "Sie sind in Dortmund?" "Ja!" "Wir sind hier in Monaco! Und Sie schießen von Dortmund mit unserer Tele-Armbrust! Passen Sie auf! Kimme! Korn! Ran!"
Überraschendes Ende
Er sollte dem ARD-Unterhaltungs-Schlachtross "Einer wird gewinnen" mit Hans-Joachim Kulenkampff Paroli bieten. Lou van Burg hatte schon als Sänger, Tänzer und Conférencier im Pariser Lido gearbeitet und Josephine Baker auf Welttourneen begleitet, bevor er seit Mitte der fünfziger Jahre auch in deutschsprachigen Musik-Sendungen präsent war.
"Schön! Wunnebar! Großartig!" Mit seinem Menjou-Bärtchen, der Ausstrahlung eines Manegen-Direktors und seinen Entertainment-Qualitäten entwickelte "Mr. Wunnebar", wie Lou van Burg gern genannte wurde, den "Goldenen Schuß" zum Markenzeichen mit traumhaften Quoten von bis zu 70 Prozent.
"Hallo Freunde!" "Hallo Lou!" "Mit dem Singen mach ich jetzt Schluss, es geht los, der Goldene Schuss!"
Doch nach drei erfolgreichen Jahren war nicht nur mit dem Singen Schluss. Kurz vor der 25. Jubiläums-Sendung 1967 wurde Lou van Burg selber vom ZDF abgeschossen. Der verheiratete Holländer hatte ein Verhältnis mit seiner ebenfalls verheirateten Assistentin begonnen. Ein Skandal in den 60ern.
Auch wenn der danach eingesetzte Vico Torriani etwas hölzern wirkte und nie die Beliebtheitswerte von "Onkel Lou" erreichte, blieb "Der Goldene Schuss" bis zum Schluss ein Publikumsgarant. Für den letzten Sendeabend bot das ZDF deshalb noch einmal alles auf, was in der deutschen Show-Branche Klang und Namen hatte: "Den nächsten Gast sage ich besonders gerne an. Und zwar mit einem wunderschönen Lied, das er heute für Sie singen wird. Heintje!" Das überraschende Ende mit der 50. Sendung blieb vielen deshalb unverständlich.