"Ich glaube, das Wesentliche war, dass das Festival das Fenster zur Welt geöffnet hat", sagt Reinhard Heinemann, einer der Initiatoren des "Festival des politischen Liedes". Reinhold Andert, ebenfalls Initiator, ergänzt: "Wir waren ja nicht sehr internationalistisch. Unsere Beziehungen zum Ausland beschränkten sich doch auf den Geographie-Unterricht in der Schule. Und da war dann mal die ganz Welt zu Gast, und das war dann schon sehr interessant."
Am 15. Februar 1966 hatten die beiden damaligen Studenten in Ost-Berlin den "Hootenanny-Klub" mitbegründet. Eine Gruppe junger Leute, die gemeinsam Musik machten. Sie sangen Protestsongs von Bob Dylan, Pete Seeger oder Joan Baez, verfassten aber auch eigene Lieder. 1967, im 50. Jubiläumsjahr der Oktoberrevolution, wurde der "Hootenanny-Klub" in "Oktoberklub" umbenannt.
"Wir hatten unser Domizil in der Karl-Marx-Allee in einem Club oberhalb des Kinos ‚International‘ und jedes Jahr im Februar dann einen Geburtstag gefeiert. Und da haben wir uns dann immer internationale Gäste eingeladen. Und da haben wir gesagt, diesen Geburtstag funktionieren wir jetzt um in ein Festival des politischen Liedes. Und […] stießen auf Begeisterung. Und so fing das dann an", sagt Reinhold Andert.
Von Anfang an international
Schon beim ersten Festival, vom 15. bis zum 21. Februar 1970, standen nicht nur DDR-Künstler auf der Bühne, sondern auch Musikerinnen und Musiker aus Ungarn, der Sowjetunion, Spanien, Südafrika, Westdeutschland.
Ein Musikereignis, über das in den DDR-Medien ausführlich berichtet wurde: "Dieses erste Festival begann ja gestern in der Kongresshalle am Alexanderplatz. Ich kann mir vorstellen, dass die Stimmung außerordentlich frisch und lebendig war. – Ja, Jürgen Huhn, die Stimmung kann man wohl am besten mit einem Band vom gestrigen Nachmittag belegen. Hartmut König trug ein Spottlied vor, das wenige Stunden vor Festivalbeginn erst entstand. – Na, dann wollen wir mal hören …"
Auftritte von Hartmut König gehörten zu den Höhepunkten des Festivals, das nach der gelungenen Erstausgabe jährlich stattfand. Als Mitglied des "Oktoberklubs" und als FDJ- und SED-Funktionär war er von Beginn an einer der Hauptverantwortlichen vor und hinter den Kulissen.
Hartmut König erzählt: "Wir hatten ja keine Ahnung davon, was aus diesem Festival werden würde. Dass das irgendwann mal zu der international meist beachteten Zusammenführung des politischen Liedes werden würde, von dem auch bekanntere Repräsentanten des politischen Liedes mit großer Hochachtung sprachen, Pete Seeger etwa oder Mikis Theodorakis, darüber dachte gar keiner nach."
Die Größen der Liedermacherszene
Pete Seeger, Miriam Makeba, Hannes Wader, Bruce Cockburn, Mercedes Sosa – viele Größen der internationalen Liedermacherszene wurden eingeladen – vorausgesetzt, ihre Texte passten zur DDR-Ideologie.
Um sie und die heimischen Stars zu erleben, standen die Menschen Schlange. Doch auch ohne Eintrittskarte sollte niemand zu kurz kommen.
"Solche Vorstellsingen zu machen für diejenigen, die nun keine Karte gekriegt hatten und kostenlos ins Foyer des Palastes der Republik kommen konnten, um die Leute dort kennenzulernen, die beim Festival dann auftreten würden, war ja auch ein absolutes Happening. Da rockte plötzlich der Palast der Republik. Und die Leute, die werden einfach diese Art der Veranstaltungsgestaltung nicht vergessen", sagt Hartmut König.
1990, im Jahr der Wiedervereinigung, fand das letzte Festival des politischen Liedes statt.
Seit 2000 wird die Tradition der erfolgreichen Konzerttage unter dem neuen Namen "Festival Musik und Politik" fortgeführt.