Gunnar Jahn, der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, steht an diesem 10. Dezember 1961 in der Aula der Universität von Oslo. Er stellt den Mann vor, der gleich den Friedensnobelpreis erhalten wird: Albert John Luthuli, Präsident der südafrikanischen Widerstandsbewegung ANC, des "African National Congress". Der 63-Jährige trägt den blauen Umhang eines Zulu-Häuptlings, eine Mütze aus Leopardenfell auf dem Kopf. Luthuli ist der erste Schwarzafrikaner, der mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wird.
Über die Preisverleihung berichtet damals ein deutscher Reporter: "Luthuli, selbst Farbiger, gequält und verfolgt von seiner Regierung, ist der bedeutendste Repräsentant des Kampfes gegen die Rassentrennung in der Südafrikanischen Union. Dabei verzichtet er, wie einst der große Inder Mahatma Gandhi, auf jegliche Anwendung von Gewalt."
Anti-Apartheids-Politiker seit den 1940ern
Luthuli war dem ANC schon in den 40er-Jahren beigetreten. Die südafrikanische Regierung belegte den charismatischen Politiker mit Repressionen, seit er 1952 an die Spitze der südafrikanischen Bürgerrechtsbewegung gewählt worden war. Als Luthuli 1960 den Friedensnobelpreis bekam, war der ANC in Südafrika bereits verboten. Über die Bedeutung des Preises sagte er selbst am Tag der Verleihung:
"Ich habe in diesem Preis immer eine Bestätigung für unseren Kampf in Südafrika gesehen und für die Art und Weise, in der wir versucht haben, diesen Kampf unter sehr schwierigen Bedingungen zu führen. Der Friedensnobelpreis ging nicht nur an Albert Luthuli, sondern auch an Südafrika. Vor allem an die südafrikanische Bevölkerung, die Widerstand leistet. Aber letztlich an die Bevölkerung ganz Afrikas."
Als Mandela übernimmt, detonieren die ersten Bomben
Wenige Tage später änderte sich alles. Der ANC rückte vom Prinzip der Gewaltfreiheit ab, in Südafrika detonierten die ersten Bomben. Hinter der neuen Strategie stand vor allem Nelson Mandela. Er war 20 Jahre jünger als Luthuli, seine Generation wollte sich nicht länger mit Petitionen begnügten. Der Historiker Christoph Marx:
"Man muss auch sehen, dass die Polizei immer – bei Kleinigkeiten! – mit unglaublicher Brutalität vorging, der Höhepunkt war ja in der Zeit das Sharpeville Massaker 1960, bei dem 69 Menschen erschossen und weit über hundert verletzt wurden, die meisten wurden in den Rücken geschossen, als sie schon auf der Flucht waren, das war eigentlich ein unprovoziertes Massaker."
Der Laienprediger Luthuli hält an Gewaltfreiheit fest
Luthuli geriet in eine schwierige Lage: Er war nun Präsident einer Organisation, die auch mit Gewalt gegen die Rassentrennung kämpfte. Er selbst hielt dagegen an seiner Überzeugung bedingungslos fest:
"Wir versuchen, unsere Ziele mit friedlichen Mitteln zu erreichen, ohne den Einsatz von Gewalt. Wir nutzen alle außerparlamentarischen Methoden, die wir für legitim halten, um unser Ziel zu erreichen."
Luthuli konnte und wollte nicht anders: Er kam aus einer afrikanischen Missionarsfamilie, wurde zunächst Lehrer und Laienprediger der methodistischen Kirche, ehe er später ein traditionelles Häuptlingsamt übernahm und dann in den politischen Widerstand ging. Das Christentum blieb die Triebkraft seines Handelns.
Als er verunglückt, ist er politisch abserviert
Der ANC und Mandela kamen ihrem Präsidenten entgegen. Sie gründeten für den bewaffneten Kampf 1961 eine eigene Organisation namens "Umkhonto we Sizwe", "Speer der Nation". Luthuli, schon zu Lebzeiten eine Symbolfigur des Widerstands, stand nun nicht mehr an der Spitze der Bewegung. Sein Tod am 21. Juli 1967 hatte deshalb kaum noch einen Einfluss auf den politischen Kampf:
"Er ist ja von einem Güterzug erfasst worden und dabei gestorben, auch da gab es viele Gerüchte, dass das ein fingierter Unfall gewesen wäre, das ist eher unwahrscheinlich, weil er in der Zeit schon sehr stark sein Augenlicht verloren hatte und fast blind war und offensichtlich den Zug übersehen hat, also dass es ein wirklicher Unfall war."
Ewiger Optimist - aber das Happy End erlebt er nicht
Luthuli wurde 69 Jahre alt. Trotz der massiven Unterdrückung durch die südafrikanische Regierung war er Zeit seines Lebens optimistisch geblieben. Auf die Frage nach der Zukunft sagte er in Oslo:
"Wir bewegen uns schnell auf ein Zeitalter zu, in dem wir nicht länger in den Kategorien von Rasse denken werden. Wir werden ineinander nur noch Menschen sehen, die letztlich alle Kinder Gottes sind."