"Winterstürme wichen dem Wonnemond" – Siegmunds Frühlingslied in Richard Wagners "Walküre". Das klang vor einem halben Jahrhundert wie ein Fanal für Herbert von Karajans Osterfestspiele in seiner Geburtsstadt Salzburg. Ein Privatfestival für die Eliten aus Kunst und Gesellschaft - bis heute.
Karajan war Chef der Berliner Philharmoniker, stand in Wien und in Mailand am Dirigentenpult. Der Maestro Europas, damals. Seine neue Idee lautete: Das Konzertorchester Berliner Philharmoniker soll Oper spielen. Wagners "Ring des Nibelungen" war dafür das schlagende Argument, sogar ein Machtfaktor für ein Anti-Bayreuth. Am 19. März 1967 startete Karajan sein Festival – mit der "Walküre".
Karajan wollte das Prinzip des Ensembletheaters stürzen
Karajan dachte groß- und weiträumig - und plante perfekt. Die "Walküre" hatte er schon ein halbes Jahr vor Beginn der Osterfestspiele auf Platten aufgenommen - mit einem erlesenen Sängerensemble. Die Weltpresse feierte das neue Festival als Bühnen- und Schallplattenereignis, mit dem Klang von Karajans symphonischer Weichzeichnung. Die Regie in konventioneller Manier stammte von ihm selbst. Die Exklusivität, sie hat bis heute Gültigkeit, wie der offizielle Text zur Geschichte des Karajan-Festivals gerade wieder bestätigt.
"Die Osterfestspiele Salzburg kreisten um seine Person wie einst die Bayreuther Festspiele um den Musikdramatiker Richard Wagner."
Eine allzu kühne Gleichsetzung - Karajan, der neue Wagner. Nun, sein Osterfestival enthielt noch einen kulturpolitischen Aspekt, den eines Systembruchs: Karajan wollte das Prinzip des Ensembletheaters stürzen, es ersetzen durch das so genannte Stagione-Prinzip. Statt bunter Vielfalt des Repertoires, Konzentration auf ein einziges, en bloc zu spielendes Stück. So konnte Karajan jeweils mit einem Ensemble in Ruhe proben, wie jetzt bei der Walküre.
Mit logistischer und künstlerischer Energie zum Erfolg
"Als ich mich entschlossen habe, nicht mehr ein Opernhaus mit dem so genannten Repertoirebetrieb zu leiten, ist in mir der Wunsch groß geworden, eine völlig neue Form von Operninterpretation zu finden … Die Ensemble-Idee war wirklich sehr stark ausgeprägt unter Toscanini an der Scala, aber das war ja kein Ensemble-Theater in dem Sinne, das war ein Stagione-Theater: dass man einen Monat an einer Sache arbeitet, aber nicht versucht, das dann durch zehn Jahre durchzuziehen."
Herbert von Karajan hat seine Salzburger Osterfestspiele mit logistischer und künstlerischer Energie zum Erfolg geführt. Hauptsächlich mit Werken von Wagner, Puccini und Verdi.
Die Berliner Philharmoniker waren 45 Jahre lang das Hausorchester eines Festivals, das sich bis heute mit einem ausgeklügelten Finanzierungssystem durch Sponsoren und Förderer exquisit am Leben hält. Die jeweiligen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker blieben die künstlerischen Leiter. Nach Karajans Tod 1989 trat der Italiener Claudio Abbado in dessen Fußstapfen, nach ihm der Brite Simon Rattle. Dann der Bruch: Die Berliner stiegen 2012 aus und wechselten zu Ostern nach Baden-Baden. In Salzburg übernahm danach freudig überrascht der Karajan-Schüler Christian Thielemann mit seiner Dresdner Staatskapelle. Im Salzburger Festspiel-Mekka bleiben die Osterfestspiele eine feste Größe musikalischer Etabliertheit. Und Thielemann dirigiert jetzt an Ostern eine so genannte Jubiläums-"Walküre", wohlgemerkt in Karajans mittlerweile sehr betagten Bühnenbildern.