"Ligo akoma" - wer gelegentlich einen Abend in einem griechischen Restaurant verbringt, könnte dieses Lied kennen. Der Text stammt von einem der großen griechischen Dichter des 20. Jahrhunderts: Giorgos Seferis. In wenigen einfachen Worten klingt die Sehnsucht nach der schönen griechischen Heimat auf.
Nicht mehr lang / und wir werden die Mandeln blühen seh'n…
Geboren wurde Seferis im Jahr 1900 im damals griechischen Smyrna, das heute Izmir heißt und zur Türkei gehört. Sein Vater, ein erfolgreicher Rechtsanwalt, achtete streng auf schulische Leistungen. Das kontrastierte mit der Warmherzigkeit vor allem der Großmutter, in deren von Rosen umgebenem Sommerhaus am Meer sich der verträumte Knabe zu Hause fühlte: "Das war für mich der einzige Ort, den ich mein Vaterland nennen könnte. Smyrna dagegen, das war die unerträgliche Schule, das Gefängnis".
Zwischen Diplomatie und Poesie
Und so waren es im Grunde zwei Leben, die Giorgos Seferis zu führen hatte. Einmal das eines gehorsamen Sohnes, der in der Schule lustlos, aber erfolgreich lernte, in Paris Jura studierte und danach vier Jahrzehnte als Diplomat den oft wechselnden griechischen Regierungen diente. Das andere Leben spielte in der Welt der Poesie, in der sich Seferis mit schmalen Gedichtbänden erst in Griechenland, dann auch in Europa einen Namen machte. Nicht wenige seiner Gedichte spiegeln die Zweiteilung in eine verspielte und eine nüchtern-wache Sphäre:
Wenn er schlief, schenkten ihm seine Träume Früchte und Blätter /
Wenn er wachte, konnte er noch nicht mal eine Maulbeere pflücken
Wenn er wachte, konnte er noch nicht mal eine Maulbeere pflücken
Der erste griechische Literatur-Nobelpreisträger
Ihren gemeinsamen Bezugspunkt fanden die Begeisterung für die Dichtkunst und die Pflichten des Diplomaten immer wieder in der Liebe zu dem geographisch und politisch so zersplitterten Griechenland, das sich nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft erst im 19. Jahrhundert als Staat konstituierte - mit kräftiger Unterstützung aus Westeuropa, das Griechenland als kulturelles und machtpolitisches Bollwerk gegen die islamische Welt brauchte.
Griechenlands Ringen um die richtige Sprache
Dieses Land mit dem überreichen kulturellen Erbe taumelte von Bankrott zu Bankrott, litt unter Kriegen und Bürgerkriegen, mit denen ein erbitterter Streit um die richtige Sprache einherging: die Elite kämpfte für das altertümliche und gestelzte "reine" Griechisch, während das Volk sein "Dimotiki" behalten wollte. In dieser Sprache der Bauern und Fischer, der Kinderlieder und der Tavernen-Gesänge schrieb Seferis und erhielt 1963 als erster Grieche den Literatur-Nobelpreis. In seiner Preisrede erklärte er seine Sprachwahl:
"Ich wollte meine Solidarität mit meinem Volk zum Ausdruck bringen …, mit denen, die über einem Buch mit der gleichen Hingabe brüteten, mit der man sich über eine Ikone beugt; mit den Kindern, die stundenlang laufen mussten, um in Schulen zu gelangen, um die Buchstaben zu lernen, die Dinge Gottes, wie es in einem Volkslied heißt."
Nachdem sich die brutale Militärjunta an die Macht geputscht hatte, meldete sich Seferis von London aus mit einer Rundfunkrede, deren Mitschnitt das Archiv des griechischen Parlaments hütet: "Alle unsere geistigen Werte, für die wir gekämpft haben, versinken in den Sümpfen dieses Regimes."
Schwer erkrankt, kehrte Seferis zwei Jahre später nach Athen zurück, wo er am 20. September 1971 starb. Tausende folgten seinem Sarg durch die Straßen von Athen
und sangen das von Mikis Theodorakis vertonte Lied "Ligo akoma – Nicht mehr lange":
und sangen das von Mikis Theodorakis vertonte Lied "Ligo akoma – Nicht mehr lange":
Nicht mehr lange
Und wir werden die Mandeln blühen sehn
Den Marmor leuchten in der Sonne
Und das sich wiegende Meer…
Nur ein wenig noch
Nur ein wenig lasst uns noch gehn
Und wir werden die Mandeln blühen sehn
Den Marmor leuchten in der Sonne
Und das sich wiegende Meer…
Nur ein wenig noch
Nur ein wenig lasst uns noch gehn
Bald danach wurde die Diktatur gestürzt. Seit 1976 ist Dimotiki offizielle Landessprache.