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Vor 50 Jahren gestorben
Giorgos Seferis - Griechenlands Diplomat der Poesie

Es gibt nicht viele moderne Dichter, deren Lieder in Tavernen erklingen. Einer von ihnen ist der Literaturnobelpreisträger Giorgos Seferis. Nach seinem Tod am 20. September 1971 in Athen folgten Tausende seinem Sarg und sangen sein berühmtestes Gedicht – auch als Protest gegen die Militär-Junta.

Von Christoph Schmitz-Scholemann |
    "Ligo akoma" - wer gelegentlich einen Abend in einem griechischen Restaurant verbringt, könnte dieses Lied kennen. Der Text stammt von einem der großen griechischen Dichter des 20. Jahrhunderts: Giorgos Seferis. In wenigen einfachen Worten klingt die Sehnsucht nach der schönen griechischen Heimat auf.
    Nicht mehr lang / und wir werden die Mandeln blühen seh'n…
    Geboren wurde Seferis im Jahr 1900 im damals griechischen Smyrna, das heute Izmir heißt und zur Türkei gehört. Sein Vater, ein erfolgreicher Rechtsanwalt, achtete streng auf schulische Leistungen. Das kontrastierte mit der Warmherzigkeit vor allem der Großmutter, in deren von Rosen umgebenem Sommerhaus am Meer sich der verträumte Knabe zu Hause fühlte: "Das war für mich der einzige Ort, den ich mein Vaterland nennen könnte. Smyrna dagegen, das war die unerträgliche Schule, das Gefängnis".

    Zwischen Diplomatie und Poesie

    Und so waren es im Grunde zwei Leben, die Giorgos Seferis zu führen hatte. Einmal das eines gehorsamen Sohnes, der in der Schule lustlos, aber erfolgreich lernte, in Paris Jura studierte und danach vier Jahrzehnte als Diplomat den oft wechselnden griechischen Regierungen diente. Das andere Leben spielte in der Welt der Poesie, in der sich Seferis mit schmalen Gedichtbänden erst in Griechenland, dann auch in Europa einen Namen machte. Nicht wenige seiner Gedichte spiegeln die Zweiteilung in eine verspielte und eine nüchtern-wache Sphäre:
    Wenn er schlief, schenkten ihm seine Träume Früchte und Blätter /
    Wenn er wachte, konnte er noch nicht mal eine Maulbeere pflücken

    Der erste griechische Literatur-Nobelpreisträger

    Ihren gemeinsamen Bezugspunkt fanden die Begeisterung für die Dichtkunst und die Pflichten des Diplomaten immer wieder in der Liebe zu dem geographisch und politisch so zersplitterten Griechenland, das sich nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft erst im 19. Jahrhundert als Staat konstituierte - mit kräftiger Unterstützung aus Westeuropa, das Griechenland als kulturelles und machtpolitisches Bollwerk gegen die islamische Welt brauchte.

    Griechenlands Ringen um die richtige Sprache

    Dieses Land mit dem überreichen kulturellen Erbe taumelte von Bankrott zu Bankrott, litt unter Kriegen und Bürgerkriegen, mit denen ein erbitterter Streit um die richtige Sprache einherging: die Elite kämpfte für das altertümliche und gestelzte "reine" Griechisch, während das Volk sein "Dimotiki" behalten wollte. In dieser Sprache der Bauern und Fischer, der Kinderlieder und der Tavernen-Gesänge schrieb Seferis und erhielt 1963 als erster Grieche den Literatur-Nobelpreis. In seiner Preisrede erklärte er seine Sprachwahl:
    "Ich wollte meine Solidarität mit meinem Volk zum Ausdruck bringen …, mit denen, die über einem Buch mit der gleichen Hingabe brüteten, mit der man sich über eine Ikone beugt; mit den Kindern, die stundenlang laufen mussten, um in Schulen zu gelangen, um die Buchstaben zu lernen, die Dinge Gottes, wie es in einem Volkslied heißt."
    Unbeeindruckt von den Panzern geht im April 1967 ein Straßenkehrer im Stadion von Athen seiner Arbeit nach. 
    1967 - Als sich in Griechenland das Militär an die Macht putschte
    Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann in Griechenland ein Bürgerkrieg zwischen linken Partisanen und rechten Militärs, der mit einem Sieg des Heeres endete. Als Mitte der 60er-Jahre ein liberaler Premier dessen Einfluss beschneiden wollte, gingen die Militärs zum Gegenangriff über: Am 21. April 1967 putschten sich die "Obristen" an die Macht.
    Nachdem sich die brutale Militärjunta an die Macht geputscht hatte, meldete sich Seferis von London aus mit einer Rundfunkrede, deren Mitschnitt das Archiv des griechischen Parlaments hütet: "Alle unsere geistigen Werte, für die wir gekämpft haben, versinken in den Sümpfen dieses Regimes."
    Mikis Theodorakis steht mit ausgebreiteten Armen als Dirigent vor einem Orchester.
    Zum Tod von Mikis Theodorakis - Mensch, Politiker, Komponist
    Der griechische Komponist Mikis Theodorakis ist im Alter von 96 Jahren in Athen gestorben. Dieses Feature aus dem Jahr 2015 zeichnet seinen Lebensweg nach. Die Musik gab ihm Kraft – auch in düsteren Zeiten.
    Schwer erkrankt, kehrte Seferis zwei Jahre später nach Athen zurück, wo er am 20. September 1971 starb. Tausende folgten seinem Sarg durch die Straßen von Athen
    und sangen das von Mikis Theodorakis vertonte Lied "Ligo akoma – Nicht mehr lange":
    Nicht mehr lange
    Und wir werden die Mandeln blühen sehn
    Den Marmor leuchten in der Sonne
    Und das sich wiegende Meer…
    Nur ein wenig noch
    Nur ein wenig lasst uns noch gehn
    Bald danach wurde die Diktatur gestürzt. Seit 1976 ist Dimotiki offizielle Landessprache.