"Nelson Mandela war schrecklich abgemagert, hatte eingefallene Wangen und trug Gefängniskleidung. Und zwar solche, die die afrikanischen Gefangenen besonders demütigen sollte: kurze Hosen, Sandalen ohne Socken, eine 'Houseboy-Jacke' sowie Hand- und Fußschellen."
Denis Goldberg, der einzige Weiße unter den acht Hauptangeklagten, traf seinen damals schon berühmten comrade bei der ersten Beratung mit den Anwälten im Gefängnis in Pretoria. Nelson Mandela und seine Mitstreiter waren am 9. Oktober 1963 wegen Sabotage und Verschwörung zum bewaffneten Umsturz der Regierung angeklagt worden. Bei einer Razzia hatte die Polizei belastende Dokumente gefunden.
Das Gericht als politische Plattform
In Liliesleaf, einer Farm in Rivonia, einem Vorort von Johannesburg, war unter anderem auch ein Plan für zukünftige Guerilla-Aktionen des bewaffneten Flügels der Befreiungsbewegung "African National Congress", ANC, aufgetaucht.
Der Prozess "The state versus Nelson Mandela and others" wurde zum bedeutendsten politischen, auch international stark beachteten Gerichtsverfahren in der Geschichte Südafrikas. Eine weltweite, sehr erfolgreiche Solidaritätskampagne und ein Beschluss der Vereinten Nationen forderten die Freilassung der politischen Gefangenen. Die ANC-Befreiungskämpfer ihrerseits nutzten das Gericht von Beginn an als politische Plattform:
"Wir leugneten beispielsweise nicht, dass wir für Sabotageakte verantwortlich gewesen waren. Wir leugneten nicht, dass eine Gruppe von uns der Gewaltlosigkeit abgeschworen hatte. Uns kümmerte nicht, ob wir freigesprochen würden ... sondern wichtig war, dass der Prozess unsere Sache stärkte... wir sahen den Prozess als Fortsetzung des Kampfes mit anderen Mitteln."
Der inzwischen 45-jährige Nelson Mandela war in diesem Kampf bereits 1961 wegen Landesflucht und Organisierung eines Generalstreiks zu fünf Jahren Haft verurteilt worden und hatte eine lange Zeit Isolationshaft erleiden müssen.
Drei Monate und 172 Zeugenaussagen lang hatten Angeklagte und Verteidiger beispiellose Hürden zu bewältigen. Einer der Anwälte, Joel Joffe, beschreibt in seinem Buch "Der Staat gegen Mandela", dass etwa die Anklageschrift nicht rechtzeitig vorgelegt wurde und der Richter die Verfahrensregeln willkürlich verändert habe. Der Staatsanwalt habe Zeugen präsentiert, deren Aussagen die Polizei mit Folter erpresst hätte.
Am 20. April 1964 endlich hielt der "Angeklagte Nummer eins" seine weltbekannte vierstündige Rede, in der er die "furchtbaren Ungleichheiten zwischen schwarzem und weißem Leben in Südafrika" beschrieb und gleiche politische Rechte für alle forderte:
"Ich weiß, das klingt revolutionär für die Weißen in diesem Land, weil die Mehrheit der Wahlberechtigten Afrikaner sein werden. Das lässt den weißen Mann die Demokratie fürchten. Aber die Teilung politischer Rechte nach Hautfarben ist völlig künstlich und wenn sie verschwindet, wird es keine Herrschaft einer Gruppe über die andere mehr geben."
"… bereit, für dieses Ideal zu sterben"
Als Nelson Mandela sein Manuskript niederlegte, herrschte völlige Stille im Gerichtssaal. Die Schlussworte sprach er aus dem Gedächtnis:
"Ich habe gegen weiße Vorherrschaft gekämpft und ich habe gegen schwarze Vorherrschaft gekämpft. Ich habe das Ideal der Demokratie und der freien Gesellschaft hochgehalten, in der alle Menschen in Harmonie und mit gleichen Chancen zusammen leben. Das ist ein Ideal, für das ich zu leben und das ich zu verwirklichen hoffe. Doch, Euer Ehren, wenn es sein soll, bin ich auch bereit, für dieses Ideal zu sterben."
Am 11. Juni 1964 wurden Nelson Mandela und sechs weitere hohe ANC-Funktionäre sowie Denis Goldberg, ein junger Ingenieur für Waffenbau, schuldig gesprochen. Doch erst einen Tag später, am 12. Juni, verkündete der Richter das Strafmaß:
"Als der Richter sagte, er werde nicht die Todesstrafe verhängen, lächelten wir ein wenig und als er dann sagte, er verurteile uns nur zu lebenslänglich, lachten wir! Weil - Leben ist wunderbar."