"Es wurde hier eine Patientin eingeliefert, die hatte überall Blutungen und kam im Schock, hatte hohes Fieber."
August 1967. Ein Notfall im Frankfurter Universitäts-Klinikum. Die Ärzte sind ratlos. Sie vermuten eine Leukämie im Endstadium. Wenige Stunden später ist die Frau tot:
"Dann kam der nächste. Extrem viel Hämorrhagien, also Einblutungen in die Haut. Und dann bin ich zur Besprechung gegangen, unsere Mittagsbesprechung und habe gesagt: Es ist möglich, dass wir eine unbekannte Virusinfektion haben, die eine hohe Letalität hat."
Sieben Wochen eingeschlossen in Quarantäne
Eilke Brigitte Helm ist damals eine junge Assistenzärztin. Zusammen mit dem Patienten und drei Kollegen schließt sie sich in der provisorisch eingerichteten Quarantänestation ein.
"Dieser Mann kam und starb ziemlich schnell. Das ganze Krankheitsbild war so schrecklich ausgeprägt bei ihm, er blutete aus allen Knopflöchern. Und dann kamen noch zwei weitere, die waren nicht so schwer erkrankt."
Sieben Wochen wird das Team die Quarantäne nicht verlassen. Kurz vor dem ersten Fall in Frankfurt ist die rätselhafte Krankheit bereits in Marburg aufgetreten. Dort traf es Mitarbeiter der Behringwerke, in Frankfurt Angestellte des Paul-Ehrlich-Instituts. Alle Patienten hatten Kontakt mit Hirn oder Nieren von Grünen Meerkatzen aus Uganda. Die Tiere wurden zu Tausenden für die Produktion und Prüfung von Impfstoffen gegen Kinderlähmung und Masern importiert. Im Spätsommer 1967 beginnt eine hektische Suche nach dem Erreger. Am Marburger Hygiene-Institut injizieren Forscher das Blut der Patienten in Meerschweinchen.
"Die haben tatsächlich mit Fieber reagiert, und wenn man das Blut von den fiebernden Tieren entnahm und in neue Tiere impfte, dann wurden die Tiere noch kränker und zeigten genau die gleichen Symptome, die auch die Menschen gehabt hatten."
Weltweit auf der Suche nach dem Erreger
So der Virologe Werner Slenczka. Die Tiere sterben - nur woran? An einer Infektion durch Bakterien? Oder durch Viren? Spekulationen schießen ins Kraut. DDR-Zeitungen berichten über ein fehlgeschlagenes Biowaffen-Experiment. Als sich Angehörige des Klinikpersonals an verseuchten Nadeln infizieren, wird die Furcht vor der Ansteckung von Mensch zu Mensch groß. In Marburg liegen die Laboratorien damals mitten in der Stadt: Am 24. August werden die Versuche abgebrochen.
"Man hat dann Material geliefert an Institute, die damit mehr Erfahrung hatten, darunter das CDC in Atlanta, nach Freiburg, nach Johannesburg, und in Belgrad saßen sowieso Leute, die daran arbeiteten, weil es in Belgrad ja auch zwei Fälle gegeben hatte."
International beginnt ein heftiger Konkurrenzkampf um die Entdeckung des Erregers. Nur in Marburg ruht die Arbeit. Dafür herrscht dort Ausnahmezustand. Ganze Familien werden gemieden - wie bei den mittelalterlichen Pestzügen. Im September ist klar, dass das Risiko kleiner ist als befürchtet. Die Marburger Forscher nehmen ihre Experimente wieder auf. Auch Werner Slenczka, der damals am Anfang seiner Universitätskarriere steht.
"Meine Frau war sehr besorgt, und retrospektiv muss ich sagen, es war natürlich auch gewissermaßen leichtsinnig. Ich hatte also keineswegs eine Altersversorgung und dann fünf Kinder zu Hause, das war schon leichtsinnig."
Seltsame Einschlusskörper
Sicherheitsmaßnahmen gibt es so gut wie keine. Nur schlecht sitzende Handschuhe, die immer aufplatzen. Werner Slenczka arbeitet ohne, entnimmt Blut aus dem Herzen infizierter Tiere und auch Zellen aus Leber und Milz. Dabei entdeckt er in ihnen seltsame Einschlusskörper wie sie auch bei Tollwut gefunden werden: die Virenfabriken!
"Das ist tolles Gefühl, wenn man so etwas entdeckt, was noch kein Mensch vorher gesehen hat, also ein paar Tage war ich richtig high."
Um den mutmaßlichen Erreger sichtbar zu machen, schickt er inaktivierte Proben an das Tropeninstitut in Hamburg. Dort zeigt sich am 20. November 1967 im Elektronenmikroskop ein großes, fadenförmiges Virus - das Rätsel um den Erreger des Marburg-Fiebers ist gelöst.
Mehr als 30 Menschen erkrankten an dem damals unbekannten Erreger, der mit dem Ebola-Virus verwandt ist. Sieben Patienten starben. Wie sich jedoch die Grünen Meerkatzen mit der tödlichen Seuche infiziert haben, ist bis heute nicht sicher geklärt.