"Es waren große Kriege dabei und dann waren Ereignisse, die zwei, drei Tage dauerten. Ich war anderthalb Jahre im Kongo und dann zwölf Jahre fast ausschließlich in Vietnam. "
Krieg wurde für Horst Faas zur alltäglichen Erfahrung: Aufgewachsen in den Wirren des Zweiten Weltkriegs, startete der Fotoreporter seine Karriere 1951, erlebte den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 in seiner Vaterstadt Berlin, porträtierte 1956 die Flüchtlinge des Ungarn-Aufstands. Das waren die Zeiten des Kalten Krieges. 1960 dann schickte Associated Press Faas in den Kongo, aber erst im Vietnamkrieg entwickelte der Autodidakt seine oft gerühmte Professionalität, vor allem ein journalistisches Einmaleins, das er als Leiter des AP-Büros in Saigon weitergab: An eine ganze Schar von Neulingen, die von Kollegen spöttisch anerkennend "Horst's Army" genannt wurde.
"Politik und Krieg und Unruhen und Straßendemonstrationen, all das war nebeneinander. Eine Herausforderung war, morgens sich zu überlegen, wie zum Teufel kriege ich Bilder, um bestimmte Entwicklungen zu illustrieren. Welche Bilder passen am besten zu der Nachrichtengeschichte, die da mitgeliefert wird?"
Das "Napalm-Mädchen" verbreitete Faas
Gerade weil er auf diese, in seinen Augen dokumentarische, Aussagekraft vertraute, sortierte Faas als verantwortlicher Bildredakteur vieles aus, auch eigene Fotos:
Bilder von GIs, die mit abgeschnittenen Köpfen Football spielen, mochte er dem Publikum nicht zumuten. Andererseits ist es allein ihm zu verdanken, dass 1972 Nick Uts berühmte Aufnahme des von Napalm verbrannten Mädchens überhaupt verbreitet wurde: Die Abbildung einer nackten Neunjährigen, die frontal in die Kamera schaut, widersprach den Regeln von AP. Aber Horst Faas setzte sich durch. Denn er wusste: "Wenn ein Dorf bombardiert wurde und die Überlebenden kamen aus ihren Löchern raus, dann war der Moment, wo sie rauskamen und mich sahen, das war der Moment, wo sie den stärksten Ausdruck haben. Das ist wirklich nicht eine halbe Stunde danach, das ist im Moment des Ereignisses gemacht worden."
Erst das Bild knipsen
In genau diesen entscheidenden Momenten, am Rande des Kriegsgetöses, hatte Jahre zuvor Horst Faas auf den Auslöser seiner Leica gedrückt: So entstand eine Fotoserie, für die er am 4. Mai 1965 als erster deutscher Journalist mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Darunter die Aufnahme eines Vietnamesen, der in einem Reisfeld seinen von Brandwunden übersäten Sohn an sich drückt. Solche Motive fanden schnell Verwendung für Protestplakate, tauchten vielfach vergrößert in den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg auf. Aber diese Art der Fotografie geriet auch in die Kritik. Dagegen hat sich Horst Faas stets auf seinen Auftrag als Berichterstatter berufen. Auch 1972, als er zum zweiten Mal den Pulitzer-Preis bekam für seine Fotos einer stundenlangen Misshandlung pakistanischer Männer durch bengalische Unabhängigkeitskämpfer. Andere Reporter hatten sich zurückgezogen, ihre Kameras beiseitegelegt.
"Wenn so etwas Grauenhaftes passiert, dann muss man erst einmal seine Bilder machen – und dann kann man Atem holen und sagen: Was kannst Du jetzt noch machen? Nach vieler Folterei haben sie am Ende mit Bajonetten den Hals abgeschnitten. Und dann fingen sie an, auf uns zu zeigen, und ich bin dann so schnell wie möglich weg. Das war eine sehr heikle Sache. Das war auch, glaube ich, eines der wenigen Ereignisse, wo man sich gesagt hat: Was für einen schaurigen Beruf hast du."
Kritik an Militärs
Mehrfach verwundet, wechselte Horst Faas nach dem Ende des Vietnamkriegs zwar nicht den Beruf, aber er dirigierte fortan vom Schreibtisch, als AP-Fotochef in London, den Einsatz der Bildreporter in Europa, im Nahen Osten und Afrika. Nicht nur ihnen hat der Chronist des 20. Jahrhunderts noch kurz vor seinem Tod im Mai 2012 ins Gewissen geredet: "Was einen am meisten mitgenommen hat, war eigentlich die Dummheit der Militärs, der Politiker, der Demonstranten in Vietnam. Vor allem waren es für mich die Luftangriffe, die – so wie im Zweiten Weltkrieg – immer da trafen, wo sie nicht hätten treffen sollen: Zivilisten, Schulen, Kinder, Leute, die eigentlich nur dabeistanden und nicht mitmachten."